Lobbyismus-Vorwurf von Greenpeace: Politiker schlagen zurück
Politiker wehren sich gegen das „Schwarzbuch Kohlepolitik“ von Greenpeace. Der Bericht soll den Filz zwischen Politik und Energiebranche zeigen.
BERLIN taz | Politiker verschiedener Parteien haben sich dagegen gewehrt, von der Umweltschutzorganisation Greenpeace als Lobbyisten der deutschen Kohleindustrie öffentlich kritisiert zu werden. Der Vorsitzende der Gewerkschaft IG BCE und SPD-Mitglied Michael Vassiliadis verwahrte sich in einem Brief an die Umweltschützer gegen „verunglimpfende Unterstellungen“ eines aktuellen „Schwarzbuchs Kohlepolitik“, das Greenpeace veröffentlicht hatte.
Er verglich die Kampagne mit „persönlichen Diffamierungen“, die sonst nur aus dem „rechtsextremen Lager“ bekannt seien. Auch der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, der im Report als Kohlefreund genannt wird, fand gegenüber der taz die „kriminalisierende Darstellung befremdlich“.
Das „Schwarzbuch Kohlepolitik“ wurde Anfang April von den Umweltschützern veröffentlicht. Darin werden 45 Politiker aus Bund und Ländern mit Steckbriefen aufgeführt, die sich für die Kohle starkmachen. „Viele dieser Kohlefreunde ließen sich ihr Engagement mit lukrativen Aufsichtsratsmandaten oder einem beruflichen Seitenwechsel vergolden“, schreibt Greenpeace.
In der Liste werden besonders SPD-Politiker herausgestellt: Neben Exwirtschaftsminister Wolfgang Clement auch die Länderchefs Hannelore Kraft und Michael Platzeck oder Michael Donnermeyer, Sprecher des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Dazu kommen besonders aus den Braunkohleländern NRW und Brandenburg eine lange Liste von Abgeordneten und Ministern, die zwischen den Chefsesseln in Politik und bei den Energieriesen wechselten.
Auch die CDU ist mit den Länderchefs Stanislaw Tillich (Sachsen) und Reiner Haselhoff (Sachsen-Anhalt) und dem EU-Kommissar Günther Oettinger neben anderen Kohlefreunden prominent vertreten. Neben zwei Linken und einem FDP-Europolitiker bekommen auch zwei Grüne den Stempel „Kohle-Lobbyist“ verpasst: Ver.di-Chef Frank Bsirske, weil er für die Jobs in der Braunkohle kämpft. Und Boris Palmer, weil sich Tübingen mit seinem Stadtwerk am Neubau eines Kohlekraftwerks in Brunsbüttel beteiligte.
Darstellung als „Verbrecher nicht angemessen“
Palmer sieht sich zu Unrecht kritisiert. Die Beteiligung an dem Neubau habe der Gemeinderat unter seiner Vorgängerin beschlossen, er sei mit seinem Rat aus dem Projekt ausgestiegen. „Es ist legitim, dass Umweltverbände Aufmerksamkeit herstellen“, sagte Palmer. Aber die Darstellung der Politiker als „Verbrecher ist nicht angemessen“.
Auch andere Mandatsträger von SPD und CDU hatten erklärt, sie sähen keinen Widerspruch zwischen ihrer politischen Tätigkeit und Aufsichtsratsposten. Vassiliadis etwa betonte in seinem Schreiben, die Gewerkschafter führten diese Gelder „fast vollständig“ an Stiftungen ab. Außerdem fände es „niemand anrüchig, wenn Stadträte als Aufsichtsratsmitglieder in Stadtwerken für erneuerbare Energien eintreten“.
Der Greenpeace-Bericht hatte die Politiker in „Seitenwechsler“, „Doppelspieler“ oder „Überzeugungstäter“ eingeteilt. Damit solle gezeigt werden, „wie stark der klimaschädliche Energieträger Rückhalt und Unterstützung in der Politik bekommt“, heißt es in der Studie.
Die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) warnte gegenüber der Süddeutschen Zeitung vor Interessenkonflikten bei Politikern, die in Aufsichtsräten der Energiebranche sitzen. Ein Aufsichtsrat müsse dem Wohl seines Unternehmens dienen, was in Zeiten der Energiewende in Konflikt mit dem politisch Gewollten kommen könne, so Jochen Bäumel von TI. Dieser Widerspruch lasse sich nur durch Amtsverzicht lösen.
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