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Lithiumgewinnung in ArgentinienHoffnung für Salzsee kommt und geht

Indigene wehren sich gegen Megaprojekte zum Abbau von Lithium. Vor Gericht dreht sich der Streit im Kreis. Zugleich werden Kritiker bedroht.

Landschaft in der argentinischen Provinz Catamarca mit dem Salzsee Foto: Enrique Marcarian/reuters

Buenos Aires taz | Der jüngste Erfolg der Gegner der zerstörerischen Lithiumgewinnung in der argentinischen Provinz Catamarca ist zunächst nur ein Etappensieg. Nachdem der Oberste Gerichtshof angeordnet hatte, in Entwicklung befindliche Lithiumabbauprojekte zu stoppen und neue Projekte im Gebiet des Salzsees Salar del Hombre Muerto auszusetzen, hat die Provinzregierung nun wiederum Berufung eingelegt. Das juristische Tauziehen geht also in die nächste Runde. Bereits betriebene Abbaustätten waren von der Entscheidung ohnehin nicht betroffen.

Lithium ist ein wichtiger Bestandteil in leistungsfähigen Batterien, die für den Bau von Elektrofahrzeugen und für Fotovoltaik – also die Decarbonisierung der Wirtschaft -, aber auch etwa für Mobilgeräte gebraucht werden. Hauptproblem beim Abbau des Alkalimetalls ist, dass dafür große Mengen Wasser gebraucht werden.

Im Mittelpunkt des Urteils stehen sieben Förderprojekte. Darunter das Fénix-Projekt des Unternehmens Minera del Altiplano – Livent. Der US-amerikanische Lithiumkonzern hat einen Liefervertrag mit einem Volumen von mehreren hundert Millionen Euro mit dem deutschen Autobauer BMW. Seit der Fusion von Livent mit dem australischen Bergbauunternehmen Allkem Ende 2023 firmiert der Bergbaukonzern unter den Namen Arcadium Lithium.

Das Projekt ist schon lange umstritten. „Ich habe den Kampf begonnen, als ich sah, wie das Ufergebiet des Río Trapiche austrocknete und niemand etwas unternahm“, sagt der indigene Anführer Román Guitian als Vertreter der Gemeinschaft Atacameños del Altiplano. Er hat bereits eine Reihe von Klagen und Beschwerden eingereicht, weil die Wasserreservoirs der Gemeinschaft infolge des Lithiumabbaus nach und nach erschöpfen. Bisher waren diese alle zunächst abgewiesen worden. Es begann ein langer Weg durch die Instanzen.

Prüfung der Umweltverträglichkeit

Zuletzt hatte Román Guitian schließlich 2021 beim Obersten Gerichtshof der Provinz abermals Berufung eingelegt und einen Antrag auf einstweilige Verfügung für den sofortigen Abbaustopp gestellt. Mitte März gab der Oberste Gerichtshof Guitians diesem Antrag statt. „Die Umweltschäden am Fluss Trapiche wurden bestätigt“, heißt es in der Entscheidung. Die obersten Richter fordern eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung, an der die zuständigen Provinz- und Staatsbehörden sowie die indigene Bevölkerung beteiligt werden müssen.

Die Lithiumvorkommen im Salar del Hombre Muerto gelten als die größten Reserven, die weltweit in einem Salzsee zu finden sind. Er erstreckt sich auf knapp 600 Quadratkilometern über die nordwestargentinischen Provinzen Catamarca und Salta und liegt zwischen 3.400 und 4.600 Meter über dem Meeresspiegel in einem Gebiet mit extremer Trockenheit. Salzseen sind Feuchtgebiete und somit wichtige Wasserreservoirs. Für die Gewinnung des Lithiums wird die unter der Oberfläche lagernde Sole in flache Becken gepumpt. Durch die Sonneneinstrahlung verdunstet das Wasser. Dagegen werden bei dem häufig angewandten Direktlithiumextraktion-Verfahren jedoch riesigen Menge an Süßwasser verbraucht.

Mordaufrufe zirkulieren

Der Río Trapiche ist nahezu ausgetrocknet, auch wenn es inzwischen Anzeichen für eine Erholung gibt. Dem Río Los Patos droht ein ähnliches Schicksal, nachdem Livent, inzwischen Arcadium Lithium, Pläne zur Umleitung von Wasser aus dem Fluss angekündigt hat. „Sie planen, 380.000 Liter pro Stunde durch ein Aquädukt zu pumpen. Es gibt bereits Gebiete, in denen es kein Wasser mehr gibt“, erklärt der Kazike.

„Unser Leben ist jetzt viel komplizierter. Früher konnten wir Schafe, Lamas und Ziegen weiden lassen. Jetzt müssen wir die Einschränkungen durch die Bergbauprojekte hinnehmen. Und wir können uns nachts nicht mehr frei bewegen, weil wir verfolgt werden“, sagt Román Guitian. Der Kazike ist persönlich betroffen: Nach dem Urteil des Obersten Gerichts erstattete er Strafanzeige, weil er sich bedroht fühlte: „Man muss planen, Román zu töten… man muss sich bereit machen“, heißt es in einem der zirkulierenden WhatsApp-Audio.

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1 Kommentar

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  • Lithium ist nur eine von vielen hässlichen Fratzen des Einkaufs von Rohstoffen durch die 1.Welt. Die Deals werden mit Regierungen gemacht, denen die Bevölkerung am Ende offenbar egal ist. Keine Entwicklung ist aber auch keine Lösung. Die Abkommen sollten aber fair sein in dem Sinne, dass nicht nur die Eliten davon profitieren. Das gelingt offenbar immer noch nicht!