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Lithiumgewinnung in Argentinien„Proteste werden kleingehalten“

Für die Verkehrswende werden im südamerikanischen Lithiumdreieck Unmengen Wasser verbraucht. Das trifft vor allem die indigenen Gemeinschaften.

In der Sole der Salzseen befindet sich das begehrte Lithium Foto: Danita Delimont/imago

Buenos Aires taz | Ein Problem gelöst, neue Probleme produziert: 15 Millionen Elektroautos sollen bis Ende 2030 auf deutschen Straßen rollen, rund neunmal so viel wie gegenwärtig. Das ist eins der Ziele im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, mit denen die Klimakrise gebremst werden soll. Aber für diese Verkehrswende werden Lithiumbatterien gebraucht. Und das Leichtmetall muss irgendwo abgebaut werden – was in den Herkunftsländern die Umwelt schwer belastet. In Argentinien etwa führt die Lithiumextraktion zu gefährlicher Wasserknappheit.

Lithium ist einer der Schlüsselrohstoffe für die Elektromobilität“, erklärte Andreas Wendt vom Vorstand der BMW, als der Automobilkonzern im März 2021 bekannt gab, einen Lithiumliefervertrag über rund 285 Millionen Euro mit dem US-Unternehmen Livent abgeschlossen zu haben. Livent extrahiert Lithium vor allem aus dem Salar del Hombre Muerto in der argentinischen Provinz Catamarca. Der 600 Quadratkilometer große Salzsee liegt auf einer Höhe zwischen 3.400 und 4.600 Meter über dem Meeresspiegel in einem Gebiet mit extremer Trockenheit.

„Ein Salzsee ist ein Feuchtgebiet. Das macht ihn zu einer strategisch wichtigen Wasserreserve“, sagt Verónica Gostissa von der Versammlung Pucará, die sich in Catamarca für den Schutz des Wassers einsetzt. Um Lithium zu gewinnen, wird die unter der Saline lagernde Sole in flache Becken gepumpt und mit einer riesigen Menge an Süßwasser vermischt. In den Becken werden unterschiedliche Mineralien und Metalle gewonnen, wenn das Wasser durch die Sonneneinstrahlung verdunstet – vom schlichten Tafelsalz bis zu Lithiumcarbonat oder -hydroxid. Um eine Tonne Lithium zu gewinnen, werden 2 Millionen Liter Wasser benötigt.

Der immense Verbrauch senkt den Pegelstand der unterirdischen Süßwasserreservoirs, die sich ausschließlich durch Regen speisen. Der Wasserspiegel in den Lagunen fällt, die Flüsse führen kaum Wasser. „Die einstmals breiten und grünen Randzonen entlang des Flusses Trapiche, der in den Salar del Hombre Muerto mündet, sind inzwischen ausgetrocknet“, so Gostissa. Selbst das Umweltministerium der Provinz Catamarca hat den Schaden als irreversibel eingestuft.

Der Preis hat sich verdreifacht

Zur Wassernot kommen giftige Stäube, die bei der Extraktion entstehen und die Tiere krank machen oder töten, von denen die Kollas leben, eines der wenigen verbliebenen indigenen Völker in Südamerika.

Abbaugebiet in Argentinien: Der Salzsee Salar del Hombre Muerto in der Provinz Catamarca Foto: Danita Delimont/imago

Als Sony 1991 mit den ersten Lithiumbatterien auf den Markt ging, wurden sie vor allem in tragbare Elektrogeräte gesteckt. Sie lieferten nicht nur ausdauernd Strom, sie waren auch sehr leicht. Doch während in einer Smartphonebatterie etwa 3 Gramm Lithium sind, werden für ein Elektroauto rund 10 Kilogramm benötigt. Nach aktuellen Prognosen wird sich die Nachfrage nach Lithium in diesem Jahrzehnt verzehnfachen. Die Preise steigen. Kostete eine Tonne Lithium im Jahr 2004 noch knapp 2.000 US-Dollar, so sind es inzwischen rund 6.000 Dollar.

Derzeit wird die Lithiumnachfrage vor allem von Australien, China und Chile gedeckt. Mit weitem Abstand folgen Argentinien und Bolivien. Während das australische Lithium aus Spodumenerz extrahiert wird, das aus den Bergbauminen stammt, wird Lithium in Südamerika aus der Sole riesiger Salzseen gewonnen. Geschätzt wird, dass in den Salinas von Chile, Argentinien und Bolivien bis zu 60 Prozent der globalen Lithiumreserven lagern.

Die von den Ex­per­ten*­in­nen gern als Lithium-Dreieck bezeichnete Region erstreckt sich über rund 25.000 Quadratkilometer. „Von den 86 Millionen Tonnen Lithiumressourcen der Welt verfügt Bolivien über 21 Millionen, gefolgt von Argentinien mit 19,3 Millionen und Chile mit 9,6 Millionen“, heißt es in einer im August 2021 veröffentlichten Studie des Center for Strategic and International Studies, die die geostrategische Bedeutung der Region bei der zukünftigen Dekarbonisierung von Industrie und Verkehrs betont.

Regierungen, Konzerne, Sicherheitskräfte

„Für uns besteht das Lithium-Dreieck aus nationalen und provinziellen Regierungen, den transnationalen Bergbauunternehmen und den Sicherheitskräften, egal ob staatlich oder privat“, sagt Gostissa, die sich als Rechtsanwältin auf Umweltrecht spezialisiert hat. Diese drei agierten koordiniert, „damit die Extraktion reibungslos vorangeht und Proteste kleingehalten werden können“.

Die groß angelegte Lithiumgewinnung geht vor allem auf Kosten der lokalen Gemeinschaften und ihrer Weide- und Landwirtschaft sowie ihrer traditionellen Salzgewinnung. „Es gab bereits mehrere Episoden von Kriminalisierung, Gerichtsverfahren und polizeilicher Verfolgung gegen Aktivisten, aber auch gegen indigene Anführer“, so Gostissa.

Bodenschätze sind in Argentinien Eigentum der jeweiligen Provinzen. Die Provinzregierungen vergeben die Konzessionen für die Extraktion gegen einen geringen Anteil am Wert der ausgebeuteten Rohstoffe in der Regel an ausländische Unternehmen. Im Fall von Catamarca erhält die öffentliche Hand gerade mal 3 Prozent.

Der Startschuss für den Lithiumabbau fiel 1997, als Livent, damals noch unter dem Namen Minera de Altiplano, mit der Erkundung und nur kurze Zeit später mit der Ausbeutung der Vorkommen im Salar del Hombre Muerto begann. 2018 gab der Konzern bekannt, die Lithiumgewinnung zu verdreifachen. Der im vergangenen März verkündete Liefervertrag mit BMW hat das Vorhaben noch beschleunigt.

Damit überhaupt genug Wasser bereitsteht, musste ein Aquädukt errichtet werden – über indigenes Gemeinschaftsland. Für den Bau hätten die indigenen Gemeinschaften vorab befragt werden müssen. Diese Consulta previa fand jedoch nicht statt, und der Bau der Wasserleitung ist in vollem Gang. „Wenn Livent seine Produktion verdreifacht und die sieben weiteren Unternehmen, die gegenwärtig ihre Anlagen installieren, mit der Extraktion beginnen, wird der Wasserverbrauch das ganze Ökosystem des Salars auf den Kopf stellen“, so Gostissa.

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6 Kommentare

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  • Tja, für die Rettung der notleidenden Autoindustrie müssen eben Opfer gebracht werden. Da braucht es Braunkohle- und Atomkraftwerke für den Strom, und Lithium für die Akkus.



    Und das Ganze wird auch noch von Organisationen wie der DUH unterstützt (die ich früher mal für eigentlich recht vernünftig gehalten habe): taz.de/Klimaklagen...konzerne/!5802583/



    "Grüner" Mainstream, irre neue Welt.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Für eine Tonne Avocado werden eine Million Liter Wasser gebraucht. Und gegessen, kann man sie nicht recyclen.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Deswegen ist zu empfehlen, den eigenen Avocadokonsum einzuschränken bzw. ganz auf die leckere Frucht zu verzichten. Den meisten Menschen sollte das nicht schwerfallen.

      Ebenso dringend ist zu empfehlen, so weit wie möglich auf Lithium zu verzichenten. Ein paar Gramm im Notebook sind vielleicht noch in Ordnung, aber man sollte auf keinen Fall kiloweise Lithium spazierenfahren.

      Lithium-Recycling ist derzeit eine Nebelkerze. Wenn der Bedarf stark ansteigt, kann Recycling schon arithmetisch nur einen minimalen Anteil haben.

      Sinnvoller ist es, statt auf das Elektroauto zu setzen mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern, denn das ist energieeffizienter und der Strom kommt über die Oberleitung!

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @Io Jap:

        Träumen sie weiter.



        Das sagt ihnen ein Mensch ohne Führerschein.



        Wer eine Avocado pro Woche isst, hat nach einem Jahr die Wassermenge verbraucht, die für zwanzig Jahre Auto fahren oder Solarstrom speichern für Lithium gebraucht wird.

        Des weiteren kann man Abbauprozesse sicherlich Wassersparender gestalten.

        • @4813 (Profil gelöscht):

          Ist ja alles ganz schlimm, aber auf Avocado kann man sehr leicht verzichten.

          Das sagt Ihnen ein Mensch, der Avocado lecker findet, aber aus offensichtlichen Gründen schon lange auf bioveganes Gemüse und Obst (also Anbau ohne Verwendung von Gülle usw.) aus Brandenburg umgestiegen ist. Ist auch schmackhaft!

          Daß man die Lithium-Abbauprozesse wassersparender gestalten kann, mag sein. Und demnächst kommt auch die Kernfusion. In fünf Jahren ist es so weit! Und das schon seit fünfzig Jahren!

          • 4G
            4813 (Profil gelöscht)
            @Io Jap:

            "Kernfusion" ?

            Wahrscheinlicher als die Kartoffelbatterie aus Brandenburg.

            www.youtube.com/wa...ktop&v=jja8iHfWDAc