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"Literaturen" bald ohne LöfflerDie kämpferische Literaturkritikerin

Sigrid Löffler, 66, hört als Herausgeberin der Monatszeitschrift "Literaturen" zum Jahresende auf. Der Grund: Differenzen mit der Geschäftsführung über die Ausrichtung des Magazins.

Sigrid Löffler, bekannt auch als ehemaliges Mitglied des "Literarischen Quartetts". Bild: dpa

In ihrem Gesicht kann urplötzlich das charmanteste Lächeln der Welt explodieren. Auch jetzt noch, da die Sätze, die das Lächeln begleitet, etwas leicht Trotziges haben. "Ich möchte austesten, ob es für Literaturkritik, wie ich sie mir vorstelle, noch einen Markt gibt. Darauf bin ich neugierig." Mit so einer Wendung antwortet die bekannte Literaturkritikerin, wenn man sie fragt, was sie denn demnächst mit ihrer Arbeitszeit anfangen möchte.

Man fragt nicht ohne Grund. Die Nachricht ist, dass die 66-Jährige zum Jahresende als Herausgeberin der Zeitschrift Literaturen aufhören wird - wieder eine Trennung, die nicht in Freundschaft verläuft, in der langen Karriere der Kulturjournalistin. Der Weggang von der Zeit, deren Feuilletonchefin sie bis 1999 war, vollzog sich auch nicht geräuschlos. Und im Streit trennte sie sich 2000 vom "Literarischen Quartett", wo sie zwölf Jahre lang den kämpferischen Konterpart von Marcel Reich-Ranicki gab.

Etwas Polarisierendes hat die in Wien aufgewachsene Sigrid Löffler stets gehabt. Eine Begabung zur Polemik ist ihr durchaus eigen - und sie setzt sie gerne ein, wenn sie Konservatives wittert. Im vergangenen Jahr etwa ließ sie ihrer Bestürzung darüber, dass der kulturkonservative Autor Martin Mosebach den Büchnerpreis erhielt, in einer leidenschaftlichen Kampfschrift freien Lauf. Genauso vehement kann sie aber auch verehren. Josef Winkler, den Büchnerpreisträger dieses Jahres, der sich als angeblicher Nestbeschmutzer in seinem Heimatdorf nur mit Pfefferspray unter die Leute traut, würdigt sie in der Oktoberausgabe ihrer Zeitschrift mit einem zwölf Seiten langen Porträt.

Wer sich mit Sigrid Löffler trifft, sieht sich schnell in ein Gespräch über die Chancen und den Sinn von Literaturkritik verwickelt. Literaturkritik, das bedeutet für sie: ein Urteil fällen und das in einer für den Leser ansprechenden Form begründen. "Die Leute wollen Orientierung haben", sagt sie, worauf wieder das Lächeln folgt. Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit sind ihr wichtig. Was sie nicht möchte, ist: den Mainstream bloß begleiten. Ein Wort, das sie nur wie mit spitzen Fingern in den Mund nehmen kann, lautet "Servicemagazin". Sie habe die begründete Befürchtung, dass Literaturen von der Geschäftsführung in so eine Richtung entwickelt werden soll. Sie sagt: "Wenn eine Änderung der Blattlinie in diese Richtung beabsichtigt ist, dann kann ich dafür nicht mehr zur Verfügung stehen." Nach dem Satz lächelt sie nicht.

Dafür versteht man jetzt das Lächeln vom Anfang besser. Die Marktfähigkeit der Unabhängigkeit vom Markt austesten - fertig mit der Literaturkritik ist Sigrid Löffler noch nicht.

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