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Linkspartei-Chef über den Wahltrend„Wir müssen näher an die Leute ran“

Die AfD überholt die Linkspartei in allen ostdeutschen Ländern. Parteichef Riexinger will den Trend stoppen und Rot-Rot-Grün vorbereiten.

Riexingers Strategie: Bei rechter Propaganda dagegenhalten, soziale Spaltung thematisieren Foto: dpa
Anna Lehmann
Interview von Anna Lehmann

taz: Herr Riexinger, 9,2 Prozent hat die Linkspartei geholt (Gesamt-Wahlergebnis, Linkspartei-Analyse). Ist das wirklich ein Grund zum Jubeln?

Bernd Riexinger: Zumindest haben wir uns in einem schwierigen Umfeld mit zwei neuen Parteien im Bundestag, die zusammen über 23 Prozent liegen, gut behauptet und sogar zugelegt. Das ist schon ein Erfolg. Wir haben ein starkes Auseinanderdriften in der Entwicklung zwischen Ost und West. Im Westen haben wir überall stark zugelegt, im Osten aber abgebaut. Und darüber müssen wir uns Gedanken machen.

Die einstige Ostpartei verliert im Osten. Woran liegt das?

Wir müssen näher an die Leute ran. Viele der Sachen, die wir vor dem Wahlkampf entwickelt haben – Haustürbesuche, in die sozialen Brennpunkte gehen – haben noch nicht in vollem Umfang gegriffen. Da müssen wir die nächsten Jahre dranbleiben. Wir müssen uns unsere Hochburgen wieder zurückerobern.

Im Interview: Bernd Riexinger

geboren 1955 in Leonberg, ist gemeinsam mit Katja Kipping seit 2012 Vorsitzender der Linkspartei.

Was müssen Sie anders machen?

Vor allem müssen wir den Parteiumbau vorantreiben. Wir müssen mehr junge Leute ansprechen. Im Osten findet in viel größerem Maße ein Generationsumbruch statt.

Die AfD hat die Linkspartei in allen ostdeutschen Ländern überholt. Wie wollen Sie das wieder umdrehen?

Wir müssen zwei Sachen machen. Dort, wo fremdenfeindliche, rassistische, nazistische Positionen vertreten werden, müssen wir aktiv dagegenhalten, damit diese Positionen sich nicht nach und nach den öffentlichen Raum erobern. Und zweitens muss man noch in viel größerem Maße die soziale Spaltung thematisieren. Es gibt gerade im Osten viele abgehängte Regionen, die Lohnkluft ist größer, die wirtschaftliche Entwicklung beträgt 70 Prozent von der im Westen. Diese Probleme hat die Bundesregierung negiert, mit ihrem Gerede, dass es doch allen gut geht. Da müssen wir deutlicher machen als bisher, dass die AfD keine soziale Alternative ist, die hat da nichts zu bieten in zentralen Punkten wie Rente, Arbeit und öffentliche Dienstleistungen.

Nach dieser Wahl arbeitet sich die Linkspartei nicht mehr an der SPD ab, sondern an der AfD?

Nein. Wir müssen lernen, uns an gar niemandem abzuarbeiten. Wir müssen lernen, unsere eigenen Positionen stärker in den Vordergrund zu rücken und für die zu werben. Wir haben ja auch ein richtig gutes Programm gemacht …

… mit dem Sie aber zu wenig durchgedrungen sind.

Offensichtlich nicht überall. Aber wir wurden in weiten Bereichen dafür belohnt. Es ist keine leichte Aufgabe, aber wir müssen weiter daran arbeiten, dass uns die Leute wählen, nicht weil wir gegen etwas sind, sondern weil sie sagen, uns überzeugen eure Konzepte.

Die SPD will in die Opposition gehen. Ist das eine Chance für das geschwächte linke Lager?

Ich glaube, das ist der richtige Schritt für die SPD, in die Opposition zu gehen. Wenn sie nochmal eine Große Koalition eingegangen wäre, hätte sie den rechten Trend noch mehr verstärkt. Jetzt hat sie die Gelegenheit, wieder sozialdemokratisch zu werden. Aber es reicht nicht, dass sie in die Opposition geht. Sie muss Glaubwürdigkeit gewinnen, sie muss eine klare Alternative bieten. Und dann wird man sehen, ob man in vier Jahren eine andere Machtoption hat.

Sie schauen in vier Jahren mal, ob es für Rot-Rot-Grün reicht?

Nein. Das beginnt jetzt. Die nächsten vier Jahre werden die Voraussetzungen geschaffen.

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10 Kommentare

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  • Die Wähler der AfD wissen, dass die Partei rassistisch und antiaufklärerisch ist. Also hat die Linke im Osten an die AfD vor allem die Wähler verloren, die zuvor die Linke nicht wegen ihrer Inhalte gewählt haben - die sind jetzt da gelandet, wo sich sich geborgen fühlen - bei den Deutschnationalen. Und diesen Wählern will Frau Wagenknecht jetzt hinterherlaufen - wie soll man sonst ihre Statements am Wahlabend verstehen. Sie schwadronierte darüber, man müsse die Sorgen der Wähler im Osten bezüglich der Migranten eben ernster nehmen. Was meint sie damit? Die Dresdner, die im wohlhabenden Elbflorenz die AfD zur stärksten Partei machten. In Sachsen, wo kaum Einwanderer leben?

    Anstatt sich darüber zu freuen, dass die Linke es endlich auch im Westen geschafft hat, über die 5% zu kommen, scheinen einige der ostgeprägten Funktionäre nicht über ihren Tellerrand blicken zu können.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Wie wäre es statt dessen mit einem Programm, das nicht nur Konzepte aus dem letzten Jahrhundert aufwärmt?

    Will man der AfD auf diesem Gebiet Konkurrenz machen?

    Warum soll denn die Linke um die Stimmen am rechten Rand kämpfen? Das ist was für die CDU.

    Statt dessen sollte lieber mal die progressive gesellschaftliche Linke angesprochen werden, die sich gerade überall an den Kopf greift.

  • "Wir müssen näher an die Leute ran."

     

    Herr Riexinger,

    genau das ist doch die unbeantwortete Frage:

    An wen wollen Sie ran?

    Wollen Sie an verwirrte Protestwähler ran, die jetzt wieder mal bei der AfD andocken oder wollen Sie eine nachvollziehbare Politik machen mit klaren Inhalten und uns sagen wie Sie das umsetzen wollen. Eine Positionierung gegenüber egal welchem Bündnispartner (EU, NATO, Wirtschaftspartner) im Ausland wäre dabei auch hilfreich.

     

    Das alles fehlt nach x-und 20 Jahren immer noch.

  • Die „zwei Sachen“, die Bernd Rixinger anspricht, sind eigentlich nur eine. Es kommt allerdings noch eineinhalb weitere hinzu, die er leider nicht benannt hat. Warum auch immer.

     

    Die Linke muss zum Einen ihren potentiellen Wählern verklickern, dass sie nichts gewinnen werden, wenn sie sich verhalten wie die Neoliberalen, die ihr Elend erst verursacht haben. Es hilft keinem in seinem Dorf Vergessenen, die Ärmel aufzukrempeln und gegen Ausländer anzurennen, die gar nicht leben wollen im (ungeförderten) "Zonenrandgebiet 2.0". Die Linke muss quasi die „Verschiebung der Blickachse“ korrigieren, die Leute wie Höcke und Co. verursacht haben mit ihrer karrierefördernden Fixierung auf die Zugereisten. Sie muss nicht weniger schaffen, als aus vermeintlichen Konkurrenten potentielle Verbündete zu machen, ein angebliches Risiko in eine glaubhafte Chance zu verwandeln.

     

    Zum Zweiten muss sie parallel versuchen, die Lücke zu schließen, die unsere etablierten Eliten den AfD-Funktionären gelassen haben mit ihrer Angst vor der eigenen Courage. Sie muss auf ein Einwanderungsgesetz hinarbeiten, das seinen Namen wirklich verdient. Dieses Gesetz muss dabei erkennbar die nach 40 Jahren neoliberaler Hemdsärmligkeit doch recht unterschiedliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Landesteile berücksichtigen.

     

    Die Kür wäre es dann, wenn die Linke den Fokus ihrer Klienten weg von den von der AfD vorgeschobenen Scheinproblemen und hin zu den Punkten lenken könnte, die wirklich zukunftsentscheidend sind. Das aber sind nicht irgendwelche angeblichen nationalen Besonderheiten, sondern solche Dinge wie ordentlich bezahlte Arbeit, auskömmliche Renten, wenigstens halbwegs vergleichbare Lebenschancen, hinreichende öffentliche Dienstleistungen und deutlich mehr (vernünftige) Partizipation.

     

    Echt schwer, das alles, schon klar. Aber zum Führen ist man ja auch nicht verpflichtet. Wer sich's nicht zutraut, der soll's halt lassen.

    • @mowgli:

      Brillante Analyse!

      Hoffentlich liest sie ein zuständiger Linker...

  • Warum sollte man eine Partei wählen, die 9,2% als Wahlerfolg sieht? Besser wäre, sie würden es Sch... finden, und mal erforschen warum sie nicht über 10% kommen, obwohl soziale Themen doch aktuell hoch im Kurs stehen.

     

    Dazu müsste die Partei sich natürlich in die Niederungen der Realität begeben. Und da genügt es eben nicht, nur andere zu beschuldigen, wie Frau Wagenknecht macht, da muss man

    1. auch mal eigene Lösungen anbieten

    2. die Lösungen müssen auch realistisch

    3. für den Normalbürger relevant sein

     

    "Wir wollen die US- und NATO-Infrastruktur in Deutschland beseitigen, die für den Aufmarsch gegen Russland, eine verheerende Regime-Change-Politik sowie ganz allgemein für Interventionskriege genutzt wird."

     

    Das ist eine ganz schön dicke Lippe, für eine 9% Partei, und welche zusätzlich Wählerschichten will man denn mit solchen Tagträumereien anlocken. Für das tägliche Leben von Geringverdienern und Hatz IV- Empfänger wird das wohl nicht relevant. sein.

     

    Aber kleine Brötchen backen in der Realität ist nicht das Ding, der Linken, eher schon dicke Backen machen in der Opposition.

     

    Aktuell ist die Linke, mit ihren Fantastereien genau auf dem Platz gelandet, auf den sie gehört.

  • Die Linke rückt in manchen Städten Westdeutschlands allmählich an die Grünen heran. Was sie im Osten verloren hat, hat sie im Westen dazugewonnen. Kritische Fragen an das Potential der Linke ist okay, aber die müsste man den Grünen dann auch stellen. Wie auch immer, keine Partei wird in den Medien mit solch spitzen Fingern angefasst wie die Linke, auch von der taz nicht...

  • Ich wollte nur mal anmerken, dass ich es sehr enttäuschend finde, dass die taz die AfD in braun darstellt.

     

    Ja, die AfD hat Extremisten in ihren Reihen. Aber sie ist nicht die NSDAP. Das verharmlost den Nationalsozialismus und seine Verbrechen.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Markus Steffen:

      Das stimmt und hilft der AFD in ihrer Opferrrolle, man muss auch zwischen AFD und NPD unterscheiden, weil erst diese Unterschiede den Punkt ergeben wo man zum politisch-diskursiven Gegenangriff setzen kann.

    • @Markus Steffen:

      Ach ja, isso? Soweit ich weiss, hatte die NSDAP auch nicht Weltkrieg und Holocaust im Wahlprogramm stehen.