Linkenanfrage zu Schwangerschaftsabbruch: Ampel ahnungslos
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag versprochen, die Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen zu verbessern. Was wurde daraus?

Die Linksfraktion im Bundestag hat nun nachgefragt, was aus den restlichen Vorhaben geworden ist. „Koalitionsvertrag und Regierung scheinen miteinander nichts zu tun zu haben“, kommentiert die Abgeordnete Heidi Reichinnek die Antworten auf die Kleine Anfrage. „Die Bundesregierung sieht sich für das, was im Koalitionsvertrag steht, nicht zuständig.“
Hintergrund ist die sich stetig verschlechternde Versorgungslage für ungewollt Schwangere. In manchen Gegenden müssen Menschen für einen Schwangerschaftsabbruch über 100 Kilometer weit fahren, immer weniger Ärzt*innen führen Abbrüche durch. So hat sich die Zahl der Stellen, die dem Statistischen Bundesamt durchgeführte Abbrüche melden, seit 2003 von 2.050 auf 1.108 nahezu halbiert.
Gefragt, wie die Versorgungssicherheit verbessert werden solle, antwortet das Bundesgesundheitsministerium (BMG): „Der Bund hat aufgrund fehlender Zuständigkeit keine direkte Möglichkeit, auf die Verbesserung der ärztlichen Versorgungslage in den Ländern Einfluss zu nehmen.“ Das Bundesfrauenministerium sei aber in verschiedenen mit dem Thema befassten Bund-Länder-Gremien vertreten und nehme dort „eine unterstützende Rolle ein“.
Definition Versorgungssicherheit unklar
Die Linksfraktion wollte auch wissen, wie die Bundesregierung „Versorgungssicherheit“ definiere. Die „Auslegung des Begriffs und die Umsetzung“ erfolge „durch die Länder in eigener Zuständigkeit“, so das BMG, die Bundesregierung könne „auch hierbei nur eine unterstützende Rolle einnehmen“.
Zur Frage, wo die Bundesregierung denn Versorgungslücken sehe, antwortet das Gesundheitsministerium, es lägen hierzu „keine aktuellen Erkenntnisse“ vor. Eine Antwort, die Reichinnek empört. Die Ampel müsste bloß ihre eigenen Landesparteien fragen, etwa in Bayern. Dort schlugen die Grünen im Juni angesichts der sich immer mehr zuspitzenden Lage vor, Unikliniken zur Durchführung von Abbrüchen zu verpflichten.
„Solange Schwangerschaftsabbrüche verboten und nur unter Bedingungen straffrei sind, wird sich nichts an Stigmatisierung und Tabuisierung ändern“, kritisiert Reichinnek.
Ende März hatte die Bundesregierung eine Expert*innenkommission eingesetzt. Diese prüft unter anderem, wie Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden könnten. Die Ergebnisse werden frühestens Ende März 2024 vorliegen. Was mit ihnen passiert, ist unklar.
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