Linken-Parteichef Bernd Riexinger hört auf: Abschied eines Prinzipientreuen
Nach Katja Kipping will auch ihr Co-Vorsitzender nicht erneut kandidieren. Damit steht die Linkspartei im Herbst vor einem personellen Neuanfang.
Damit steht die Linkspartei auf ihrem vom 30. Oktober bis 1. November geplanten Parteitag in Erfurt vor einem personellen Neuanfang. Die derzeitige Doppelspitze ist seit Juni 2012 im Amt. Riexinger konnte sich damals knapp gegen den heutigen Bundestagsfraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch durchsetzen. 2014, 2016 und 2018 wurde der baden-württembergische Gewerkschafter, der dem linken Parteiflügel zugerechnet wird, mit guten Ergebnissen wiedergewählt.
„Ich habe die Arbeit als Parteivorsitzender sehr gerne gemacht und bin stolz darauf, dass wir Die Linke zu einer gesamtdeutschen Partei aufgebaut und weiterentwickelt haben, die heute eine stabile Kraft im bundesdeutschen Parteiensystem ist“, schreibt Riexinger in seiner an die Parteigremien gerichteteten fünfseitigen Erklärung. Dass es gelungen sei, eine gesamtdeutsche Partei links von der SPD zu etablieren, sei „bei Weitem keine Selbstverständlichkeit“.
Als Kipping und er den Parteivorsitz übernommen hätten, sei die Situation der Linkspartei „riskant“ gewesen, bilanziert Riexinger. Die innerparteilichen Auseinandersetzungen hätten seinerzeit eine „bedrohliche Größenordnung“ angenommen. „Es war unsere Aufgabe, die Partei zu einen“, so der frühere Stuttgarter Ver.di-Sekretär. Das sei gelungen. „Von Anfang an war es mir wichtig, eine aktive verbindende Mitgliederpartei aufzubauen, die in der Gesellschaft verankert, bündnisfähig und verbunden mit den fortschrittlichen sozialen, ökologischen und demokratischen Bewegungen ist.“
Streit um die Migrations- und Flüchtlingspolitik
Es bleibe eine „Daueraufgabe“ der Parteiführung, „das Gemeinsame und nicht das Trennende in den Vordergrund zu stellen“, schreibt Riexinger – ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl an potentielle Nachfolger:innen. Wobei er allerdings in seiner Abschiedserklärung nicht verschweigt, dass es auch Grenzen der Verständigung gibt.
So geht Riexinger auch auf einen innerparteilichen Konflikt ein, der die Linkspartei kräftig durcheinandergewirbelt und von dem sie sich bis heute nicht ganz erholt hat: der Streit um die Frage, ob die Partei ihre humanitäre Ausrichtung in der Migrations- und Flüchtlingspolitik beibehalten oder aufgeben soll. Das sei eine Auseinandersetzung gewesen, die ihn „besonders geschmerzt hat“ und die ihm „besonders nahe gegangen ist“. Denn für ihn sei es „eine existenzielle, linke Frage, dass wir nicht weichen, wenn gegen Geflüchtete und Menschen mit migrantischen Wurzeln gehetzt wird“, schreibt Riexinger.
Dass dieser erbittert geführte Streit zugunsten der von ihm und auch seiner Co-Vorsitzenden Kipping vertretenenen Position entschieden worden sei, wäre „nicht ohne Kosten geblieben“, konstatiert er. Ohne sie namentlich zu erwähnen, schreibt Riexinger in Richtung von Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht und ihrem Anhang: „Einige versuchten, aus der Mitte der Partei heraus ein neues Projekt, vielleicht eine neue Partei zu gründen.“ Das hätten sie jedoch nicht geschafft. Aber tiefe Wunden hinterlassen hat der Konflikt bis heute.
Positive Gesamtbilanz
Gleichwohl zieht Riexinger ingesamt eine positive Bilanz seiner und der Amtszeit Kippings. Die Kurve der Mitgliederzahlen würde wieder nach oben zeigen, die Linkspartei sei heute „deutlich stärker“ als vor acht Jahren. Zweidrittel der Neumitglieder seien unter 35 Jahre. „Wir sind jünger, bewegungsorientierter und breiter aufgestellt“, schreibt er. Die Partei sei zudem migrantischer geworden und würde endlich auch zunehmend Frauen als Mitglieder gewinnen.
Auch inhaltlich habe die Partei punkten können: In der Mietenfrage sei die Linkspartei „zur führenden politischen Kraft“ geworden, nicht zuletzt dank einer konsequenten Politik für die Mieterinnen und Mieter in Berlin.
In Thüringen gebe es den ersten linken Ministerpräsident, in Berlin und Bremen sei seine Partei inzwischen an den dortigen Landesregierungen beteiligt. „Natürlich gab es auch Rückschläge, aber insgesamt konnten wir die Akzeptanz der Linken verbessern“, so Riexinger, der seit 2017 auch dem Bundestag angehört
Ausdrücklich bedankte er sich bei Kipping für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. „Wir haben bewiesen, dass Teamarbeit zwischen zwei Vorsitzenden möglich ist, die aus unterschiedlichen politischen und kulturellen Zusammenhängen kommen und unterschiedliche Gruppen ansprechen, und die manchmal auch unterschiedlicher Auffassung sind.“
Nachfolge noch ungeklärt
Nun gehe es darum, „uns mit Energie und mit Stolz auf die eigene Politik, die eigene Partei in die kommenden Auseinandersetzungen, in die Wahlen und Kampagnen, in die Organisierungen vor Ort zu werfen“. Dabei werde er sich „weiterhin mit Begeisterung und Optimismus für eine starke Linke engagieren“. Zentrale Aufgabe sei es, „die Kämpfe um Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden (zu) verbinden“.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow würdigte Kipping und Riexinger: „Ich möchte mich für Eure Arbeit und Euer engagiertes Wirken für unsere Partei herzlichst bedanken!“, schrieb Ramelow auf Twitter. „Ihr macht den Weg frei und der Parteitag in Erfurt wird Euren Staffelstab weitergeben.“
Wer den beiden nachfolgen wird, ist offen. Das linke Personalkarrussel dreht sich kräftig. Im 44-köpfigen Parteivorstand, der sich an diesem Wochenende erstmals seit Beginn der Corona-Krise wieder physisch in Berlin trifft, gibt es viel Diskussionsbedarf – vor und hinter den Kulissen.
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