Linke lehnt Berliner Karstadt-Deal ab: Kampf um die Glaubwürdigkeit
Die Absage an den rot-rot-grünen Deal ist in dieser Deutlichkeit überraschend. Offenbar glaubt niemand an ein langfristiges Engagement von Karstadt.
D ie Linke hat sich auf ihrem Parteitag am Samstag klar gegen den umstrittenen Karstadt-Deal des Senats positioniert. Eine in ihrer Deutlichkeit durchaus überraschende Entscheidung, denn Kultursenator Klaus Lederer – zugleich Stellvertreter von Michael Müller und wahrscheinlicher Spitzenkandidat der Linken für die Wahl 2021 – hatte den sogenannten „Letter of Intent“ zuvor klar verteidigt. Und auch Parteichefin Katina Schubert stellte das Abkommen an sich, mit dem Karstadtinvestor Signa Unterstützung für drei große Bauprojekte versprochen wird, am Samstag nicht infrage. Ein Aufstand der Basis?
Besonders für die linken VertreterInnen im Senat, damals auch noch Bausenatorin Katrin Lompscher, war die Entscheidung die Wahl zwischen Pest und Cholera: Die Sicherung von Arbeitsplätzen für ein paar Jahre und der Nahversorgung in einigen Kiezen wurde erkauft mit dem Kotau vor einen unberechenbaren Investor, den man so nur von der FDP erwartet hätte.
Auf dem Linken-Parteitag wurde nun deutlich, dass trotz der anfänglichen Verteidigung des Deals die Zweifel daran immer größer werden. Offenbar glaubt kaum noch jemand an ein langfristiges Engagement von Karstadt und den entsprechenden Erhalt der Kaufhäuser und Jobs. Der Vorschlag von Lederer, Schubert und auch anderer RednerInnen, über Kaufhäuser in kommunaler Trägerschaft nachzudenken, ist zugleich das Eingeständnis, dass die baupolitischen Zugeständnisse an Signa zu groß waren und der Glaubwürdigkeit der Koalition und der Linken im Besonderen massiv schaden werden.
Die scharfe Kritik der Linkenbasis an dieser Entscheidung nach Gutsherrenart erinnert an eine ähnliche Situation bei den Grünen. Dort hatte sich Ende 2019 Wirtschaftssenatorin Ramona Pop – ebenfalls aussichtsreichste Kandidatin für die Spitzenkandidatur 2021 – dafür starkgemacht, die Automesse IAA in veränderter Form nach Berlin zu holen. Doch ein Parteitag sprach sich dagegen aus. Dass die IAA nach München zog, wird auch auf die Entscheidung der Grünen zurückgeführt. Pops Autorität im Senat und der Partei war angekratzt.
Gar nicht erst erpressbar werden
Dank der in Dialektik geübten Linken und seiner Beliebtheit dürfte Lederer von diesem Schicksal verschont bleiben – vorerst. Immerhin hatte er sich für ein erklärtes Ziel seiner Partei eingesetzt: der Sicherung von Arbeitsplätzen eher armer Menschen. Gleichwohl dürften die Kritiker an dem Deal genau beobachten, ob Lederer und der neue Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel wirklich erkannt haben und umsetzen, was nach Meinung der Partei schwerer wiegt als ein paar schlecht bezahlte Arbeitsplätze: sich nicht vom Großkapital erpressen zu lassen.
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