Linke Online-Zeitung wird eingestellt: Die Faust zum Abschiedsgruße
Die Online-Zeitung „Trend-Info-Partisan“ versammelte 25 Jahre lang so konträre wie disparate linke Positionen. Nun wird sie eingestellt.
Ab Februar 2021 wird diese Onlinezeitung mit den so desperaten linken Positionen Geschichte sein. Karl-Heinz Schubert, der die Online-Zeitung vor 25 Jahres mitbegründete, macht nicht mehr weiter – und mit ihm stirbt auch das Projekt.
Entstanden ist Trend-Info-Partisan durch eine Handvoll Kreuzberger Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die in der 68er-Bewegung aktiv waren. Sie hatten zunächst unter dem Titel Trend ein gedrucktes Heft herausgegeben, das im Stil vieler linker Publikationen jener Jahre layoutet wurde. Weil sich die Trend-Macher*innen ihre politische Linie nicht vom Vorstand der Gewerkschaft vorschreiben lassen wollten, ließ der Kreuzberger GEW-Vorstand eine Ausgabe einstampfen und strich der Redaktion die finanziellen Mittel.
Doch die Autor*nnen erkannten schon damals das Potenzial des Internets: Sie wollten weiter ein linkes Magazin machen und schlossen sich „dem großen Treck in den Cyberspace an“, beschrieb der Medientheoretiker Tilman Baumgärtel einmal die Entscheidung der vier Westberliner GEW-Mitglieder im Online-Magazin Telepolis.
Wichtig für Westberliner Linke
Vorbilder für die kleine Gruppe waren zwei Medien, die in der außerparlamentarischen Linken Westberlins eine wichtige Rolle spielen: die libertäre 883, vollständig im Trend-Archiv dokumentiert, und die kommunistisch orientierte Rote Pressekonferenz (RPF).
25 Jahre später ist von den Trend-Gründer*innen der ersten Stunde nur noch Karl-Heinz Schubert übrig geblieben. Der mittlerweile pensionierte Berufsschullehrer Schubert hatte in den letzten Jahren nicht nur die regelmäßig aktualisierte Online-Zeitung verantwortet. Immer wieder startete er auch Diskussionsforen wie die Trend-Nachtgespräche, in denen die politisch so konträren linken Positionen vorgestellt und diskutiert wurden. Er fand damit in unterschiedlichen politischen Spektren Unterstützung.
„1996 schaffte ich mir erstmals einen Computer an, und die erste linke Internetseite, die ich entdeckte, war die Trend-Onlinezeitung. Das klang ziemlich marxistisch und ich hatte meine Vorbehalte aus der DDR“, erinnert sich die langjährige Aktivistin Anne Seeck gegenüber der taz.
Auf einem Anarchiekongress bekam sie den Tipp, bei Trend-Online Artikel zu veröffentlichen. Seeck publizierte mehrere Jahre regelmäßig für die Online-Plattform. Auch heute noch hält sie das Trend-Archiv für eine wichtige Fundgrube, aus der sie sich als DDR-sozialisierte Linke über die Geschichte der außerparlamentarischen Opposition informieren kann. „Nicht nur als AutorIn, sondern auch als LeserIn habe ich Trend geschätzt“, sagt auch die feministische Bloggerin Detlef Georgia Schulze gegenüber der taz.
Ein Grund für den hohen „Gebrauchswert“ von Trend sieht Schulze in den von der Redaktion zusammengestellten Schwerpunkten zu aktuellen Ereignissen und Debatten, in denen die Stellungnahmen von unterschiedlichen Gruppen und Spektren umfassend gesammelt und dokumentiert wurden. Zudem hat Schubert auch einen Fundus historischer Dokumente über die Linke nach 1968 digitalisiert und auf die Domain Partisan.net gestellt.
Ab Februar 2021 wird die Trend-Onlinezeitung gemeinsam mit der Domain Infopartisan und ihren Archiven unter den Titel „Archive für linke Politik“ weiter bestehen. Alle bisherigen URLs blieben erhalten, kündigte Schubert an. Freuen wird das auch manche Forscher*innen der linken Geschichte. In zahlreichen Büchern der letzten Jahre, die sich aus soziologischer oder historischer Perspektive mit der Geschichte der Linken ab 1968 befassen, ist partisan.net schon längst zu einer wichtigen Quelle geworden
„Vielleicht gibt es Menschen, die einen neuen Trend herausgeben, der dann mehr die Lesegewohnheiten der jüngeren Generation anspricht“, verabschiedet sich Schubert durchaus hoffnungsvoll von seinem langjährigen Projekt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen