Linke-Chef Riexinger auf Sommertour: Ein bissle Pep in Bartsch-Country

Seit acht Wochen ist Bernd Riexinger Chef der Linkspartei. Bei seiner Sommertour durch Ostdeutschland trifft er auf jene, die eigentlich einen anderen Parteichef wollten.

Ihm feht der Charme seiner männlichen Vorgänger: Bernd Riexinger (m.) auf Sommertour. Bild: dapd

KRATZEBURG/STRALSUND taz | Bernd Riexinger dreht einen Wasserbecher zwischen seinen großen Händen. Es ist ein schwüler Nachmittag in Mecklenburg-Vorpommern; im „SoCa“, dem Sommercamp der Linksjugend solid, übt der Sprecherrat den Dialog mit dem neuen Parteivorsitzenden.

Richtig schwungvoll läuft die Sache nicht. Die acht Jungs und Mädchen mit ihren Dreadlocks und den selbstgedrehten Zigaretten schauen Riexinger erwartungsvoll an, diesen Mittfünfziger im lachsfarbenen Freizeithemd und den blauen Wildlederslippern an den Füßen. Ob und wie sich die Partei an den Blockupy-Aktionen der Jugendorganisation beteiligen werde, fragt ein junger Mann.

Bernd Riexinger schaut Richtung Waldrand. Dann antwortet er, dass es keinen Sinn mache, wenn die Linkspartei reihenweise Appelle absondere, solange man „keine gestaltende Macht“ habe. Was man bräuchte, seien Verbündete. „Vielleicht“, sagt er nun, „können wir in die Vermögensfrage ein bissle Pep reinbringen.“

Ein bissle Pep! Bernd Riexinger, der vor acht Wochen überraschend zum Parteivorsitzenden der heillos verstrittenen Linkspartei gewählt wurde, weiß, wie seine Wortwahl ankommt. Aber was soll er machen? Er ist ein 56 Jahre alter Gewerkschafter aus Baden-Württemberg. Einer, der nachdenkt, bevor er den Mund aufmacht.

Und dem offensichtlich fehlt, was seine männlichen Vorgänger auf Knopfdruck bieten konnten: Charisma, rhetorisches Auftrumpfen, Stimmungen manipulieren. „Ich kann das“, wird er im Interview auf die Frage antworten, ob er die Genossen auch anschreien könnte wie Klaus Ernst oder Oskar Lafontaine. „Ich hab da überhaupt keinen Zweifel.“

In diesen Tagen in Mecklenburg-Vorpommern muss er das aber nicht nicht unter Beweis stellen. Er ist hier, um die ostdeutsche Basis zu treffen. Jene, die in Göttingen gern einen anderen zum Vorsitzenden gewählt hätten. Dietmar Bartsch heißt der und er kommt von hier. Dass Riexinger ausgerechnet in dessen Landesverband Gesicht zeigt, ist klug.

Mutig ist es nicht. Denn die Genossinnen und Genossen hier sind der Zwistigkeiten müde. Sie wollen endlich wieder über konkrete Politik sprechen. Dafür sind sie bekannt: die ostdeutschen Kümmerer, als die sie hier traumhafte Wahlergebnisse eingefahren haben. Jede vierte Stimme ging bei der Bundestagswahl 2009 an die Linke.

Bei uns, bei euch?

Beim Treffen mit der Stralsunder Basis, zu der auch Gewerkschaftsvertreter gekommen sind, hören sie Riexinger aufmerksam zu. Vierzig Leute sind gekommen, um den Neuen kennen zu lernen. Die meisten sind Rentner. Hier in Knieper West, einer Hochburg der Linkspartei, geht es um kommunale Politik. Wie wird künftig der Nahverkehr finanziert? Was passiert, wenn der Bürgermeister Stralsund in eine Optionskommune für Hartz-IV-Bezieher umwandelt? Derlei.

Bernd Riexinger steht bei jeder seiner Antworten höflich auf. Seit dreißig Jahren macht der gelernte Bankkaufmann Gewerkschaftsarbeit. Immer wieder spricht er davon, was er hier – „bei euch“ – gelernt hat. Die Abwanderung, die Niedriglöhne, die Überalterung. Daheim in Baden-Württemberg – „bei uns“ – habe man andere Sorgen. Bei uns, bei euch? Der neue Vorsitzende ist merklich noch nicht durch die gesamtparteiliche Feinoptimierung gegangen.

Freimütig räumt er im Gespräch ein, keine persönlichen Bezüge zu Ostdeutschland und dessen DDR-Vergangenheit zu haben. Als Vertreter der „undogmatischen Linken hatte ich keine Verbindung mit dieser Traditionslinie des Staatssozialismus“, formuliert er sein Fremdsein. Er weiß natürlich, dass viele ihn hier in Bartsch-Country für Oskars Statthalter halten.

Das, sagt er, sei eine Fehlannahme. „Wo ich doch niemals in der SPD war und auch keine Sozialisierung da habe.“ Seit der Gründung der Linken 2007 habe er „den Oskar vielleicht zehnmal getroffen, zwei oder drei mal habe ich mit ihm unter vier Augen gesprochen“. Und nein wirklich, das Schreien, es liege ihm nicht. Außerdem: „Wenn man immer nur einpeitscht, wird’s auch langweilig.“

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