Lifestyle-Manager über kapitalbedingten Freizeitstress: „Bei Reichen muss alles sofort sein“
Timo Daus ist Lifestyle-Manager und lebt davon, das Leben anderer zu organisieren. Diese anderen haben sehr viel Geld, aber nur wenig Zeit.
taz: Herr Daus, was haben Superreiche für Probleme?
Timo Daus: Bei Superreichen ist es so: Alles muss jetzt sein. Das ist nicht immer einfach. Wenn sie heute von einem Araber-Hengst hören, der in einem bestimmten Stall irgendwo auf der Welt steht, wollen sie ihn heute haben. Und wenn sie nicht sofort eine Zusage bekommen, wollen, sie ihn morgen nicht mehr.
Ach – sonst noch Wünsche?
Zum Beispiel: Ich bekomme ein Foto per Whatsapp geschickt und einen Anruf – jemand sagt mir: „Ich stehe am Frankfurter Flughafen mit meinem First-Class-Ticket, und die Dame auf dem Foto lässt mich nicht rein. Klären Sie das bitte sofort.“
36, wollte eigentlich Schauspieler werden. Kontakte hat er schon immer gut gepflegt –in seiner Branche, dem Lifestyle-Management, sind sie das sprichwörtliche A und O. Was er auch noch gut kann: verhandeln, Leute begeistern und sie einnehmen für sich und seine Ideen.
Was machen Sie in so einem Fall?
Ich rufe jemanden bei Lufthansa an. Wir haben sehr gute Kontakte zu Dienstleistern in vielen Städten. Wir haben also immer jemanden, den wir anrufen können. Oft macht ein Kunde aus einer Mücke einen Elefanten, aber die Person, die ihm gegenübersteht, empfindet die Sache gar nicht als Problem. Außerdem: Wie du in den Wald rufst, so schallt es heraus. Unser Job ist es, die Situation zu retten.
Wer sind Ihre Klientinnen und Klienten?
Die meisten sind Unternehmer. Einige arbeiten im Entertainmentbereich, andere sind Musiker, Schauspieler, viele Sportler. Wir haben auch Kunden aus der gehobenen Geschäftsführung, aus den Vorständen großer Unternehmen.
Haben solche Leute keine Sekretärinnen?
Viele unserer Kunden haben alleine privat zwei Sekretärinnen. Aber auch die wissen nicht, wie sie in letzter Sekunde einen Tisch im Noma in Dänemark oder im French Laundry kriegen, für das ausverkaufte Madonna-Konzert – sie kennen die entsprechenden Leute nicht..
Sie nennen sich „Fullservice-Agentur“. Wie weit reicht Ihr Service?
Illegale Sachen machen wir nicht. Einmal hat ein guter Kunde unseren Kontakt an einen amerikanischen Kollegen vermittelt. Den hab ich dann beim Oldtimerkauf begleitet. Dann wollte er Frauen und Drogen auf sein Zimmer. Das machen wir natürlich nicht.
Prostitution ist nicht illegal.
Ja, aber das würden wir auch bei Kunden, die wir seit sieben Jahren betreuen, nicht machen. Stellen Sie sich mal vor, was los wäre, wenn da was schief geht. Und dann klopft da nachher irgend ein Lude an und fragt, was mit seinem Mädel passiert ist ...
Kommen Ihnen die Probleme Ihrer Kunden manchmal absurd vor?
Das ist ganz unterschiedlich. Aber meine Ziele sind natürlich nicht die Ziele meiner Kunden. Ich bin froh, wenn die Wohnung für meine Frau und unser Kind passt. Wir streben nicht nach Reichtum. Es ist schon erstaunlich, mit anzusehen, wie manche Menschen auf einen Schlag sehr viel Geld ausgegeben.
Wie verkraften Sie es, ständig mit diesem Reichtum konfrontiert zu sein?
Wir versuchen, unsere Kunden zu bewegen, Gutes mit ihrem Geld zu tun. Unsere Kunden und ihre Projekte zu vernetzen. Einer zum Beispiel hat ein wunderschönes Projekt, wo er viele Behinderte integriert. Die Produkte, die sie dort herstellen, versuchen wir dann bei anderen Kunden zu platzieren.
Betreibt Ihre Firma auch ein solches Projekt?
Wir haben mal Armbänder mit der Aufschrift „You just have one Life“ hergestellt – als Gimmick für unsere Kunden. Die kamen so gut an, dass wir mittlerweile über 1.000 Stück verkauft haben. Von dem Erlös gehen fünf Euro an Dunkelziffer oder Leuchtfeuer e. V. Wir haben einfach Lust, was zurückzugeben. Wie gesagt, es ist etwas absurd, wenn man, wie ich, nicht aus einem reichen Haushalt kommt. Man ist mit dem ganzen Reichtum konfrontiert und weiß, dass es an anderen Seiten fehlt. Da versucht man natürlich, die Lücke ein bisschen zu schließen.
Wie wird man eigentlich „Fullservice-Agent“?
Ich habe an der Hamburger Stage School Schauspiel studiert. Danach bin ich ein Jahr nach Berlin gegangen und in der Event-Branche gelandet. Da ist die Idee schon gewachsen. Ich wusste, Service liegt mir, und ich hatte immer viele Kontakte. Dann hat mich ein Freund aus London besucht, dessen Firma eine ähnliche Leistung in Anspruch genommen hat. Der meinte: „Das ist genau, was du machen willst!“
Wie haben Sie Ihr Netzwerk aufgebaut?
Du bist immer drauf angewiesen, dass du jemanden kennst, der jemanden kennt. Ich hatte am Anfang zwei, drei gute Kontakte, die mir geholfen haben. Ich kannte Leute, die überallhin gereist sind: nach London, Paris, in die Karibik. Dann habe ich ganz klassisch einen Businessplan geschrieben, und angefangen. Über die Jahre ist es gewachsen.
Wie pflegen Sie die so wichtigen Kontakte?
Unser Geschäft basiert eins zu eins auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Es läuft so: Hans geht mit Peter golfen. Hans sagt: „Ich brauche jemanden da und da.“ Und Peter sagt „Du, da hab ich jemanden für dich.“ Dadurch, dass alles auf Empfehlungen beruht, darf nie etwas schief gehen. Stellen Sie sich vor, die Spieler sitzen in der Kabine: „Und wo warst du im Urlaub?“ „Da und da.“ „Und mit wem hast du das gemacht? „Mit Timo.“ „Und wie war‘s?“ „Furchtbar! Nichts hat geklappt! Warum hast du mir den überhaupt empfohlen?“ Das geht natürlich nicht.
Es geht also auch um Vertrauen.
Ja. Es dauert manchmal lange, eine Beziehung aufzubauen. Klar, bei den Fußball-Nationalspielern wünscht sich jeder, eine Handynummer von denen zu haben, oder mal mit ihnen zu chillen. Das dauert manchmal, bis die verstehen, dass wir alles zu hundert Prozent diskret halten. Es dringt nie ein Name aus unserer Agentur. Wir gehen auch nicht abends aufs Schulterblatt und posaunen rum: Mensch guck mal, der und der hat mir ein Foto geschickt!
Ist Ihre Agentur rund um die Uhr erreichbar?
Klar. Aber das nutzt keiner. Wir haben nicht wenig Klientel in Kalifornien und in Südafrika. Aber die wissen auch, wie spät es hier ist und schreiben dann lieber eine E-Mail. Aber natürlich ging auch schon mal nachts um drei das Telefon, wenn es gebrannt hat.
Bieten Sie auch banalen Service an – das Warten auf den Telekom-Menschen zum Beispiel?
Nein. Dafür gibt es Concierge-Agenturen. Die gehen für Frau Schneider auf dem Isemarkt einkaufen und tragen ihr den Einkauf hoch. So etwas machen wir gar nicht. Wir wollen den Leuten zeigen, was sie mit ihrem Budget Tolles erleben können. Wir versuchen, Erlebnisse zu schaffen und das Beste aus den Menschen rauszuholen.
Fehlt einem besonderen Erlebnis nicht die Qualität, wenn es jemand anders organisiert hat?
Ein Problem, das fast alle unsere Kunden haben ist: Sie haben keine Zeit. Die meisten haben sich das, was sie haben, auch hart erarbeitet. Klar, manche Leute sind mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden. Die sagen dann im Befehlston: Wir wollen die Yacht in St. Tropez und Champagner – und kennt ihr irgendwelche Mädels da unten? Dann sagen wir: „Da können wir dir leider nicht helfen.“ Das macht keinen Spaß, und die haben das Herz nicht am richtigen Fleck.
Kann man auch mit diffusen Problemen kommen nach dem Motto: „Meine Work Life Balance stimmt nicht“.
Theoretisch schon. Das hat aber noch keiner gemacht. Meistens kommen unsere Kunden mit konkreten Anliegen. Aber wir haben eine pralle Datenbank und fragen etliche Sachen ab, kleine Details. Wir kennen das Lieblingsmagazin, das Lieblingsmineralwasser, das Lieblingsweingut, den Lieblingsjahrgang. Der Kunde weiß also, wenn er eine Flugreise macht, dass wir wissen, dass er am liebsten im hinteren Drittel sitzt, immer am Fenster, wir haben seine Miles-and-more-Karte. Und wenn wir wissen, dass er am liebsten asiatisch-vegetarisch isst, wird das natürlich alles sofort gemacht.
Wie verbringen Sie selbst Ihre Freizeit?
Sehr intensiv. Jeder der selbstständig ist, ist ja sehr eingebunden. Vieles begleitet einen in den Abend oder in den Urlaub hinein. Meine Frau und ich stehen uns sehr nahe, dadurch ist unsere Zweisamkeit sehr intensiv. Das macht mich zum glücklichsten Mann, der ich sein kann. Da finde ich viel Ruhe.
Wo machen Sie Urlaub?
Keinen Luxus-Urlaub. Meine Frau und ich haben dreieinhalb Monate Südamerika bereist, in Wellblechhütten geschlafen und solche Geschichten. Wir waren auch in der Karibik und haben festgestellt, dass es am Ende immer um den Menschen geht, und um den Ort. Nicht darum, ob die Armaturen von Dornbracht sind oder aus den 1960er-Jahren oder was weiß ich.
Verraten Sie, was Sie verdienen?
Nein. Aber unsere Leistung kostet 100 Euro pro Stunde. Oder 600 Euro Tagespauschale. Wenn es kreative Arbeit ist, berechnen wir 800 Euro. Aber vieles läuft auch über Provisionen.
Was ist zum Beispiel kreative Arbeit?
Wir überlegen uns etwas für die Hauseinweihung, den 30. oder 40. Geburtstag. Vor zwei Wochen waren wir auf Ibiza, da haben wir eine komplette Hochzeit organisiert. Für einen anderen Kunden haben wir einen Heiratsantrag in Venedig gemacht.
Fühlt sich die Frau nicht verarscht, wenn jemand anders sich den Antrag überlegt hat?
Naja, ganz ehrlich: Wie emotional-kreativ sind denn die meisten? Vielen fehlt es an Ideen. Die wenigsten überlegen sich etwas Spektakuläres. Wenn ich dann höre: „Ich schenke meiner Frau ihr Lieblingsparfüm zu Weihnachten und für ihren Geburtstag hat sie sich einen neuen Satz Sommerreifen gewünscht“, dann kümmern wir uns. Es ist natürlich Sache des Mannes, ob er ihr das hinterher erzählt oder nicht. Mir reicht es, wenn er berichtet, dass es wunderbar war.
Werden Sie manchmal neidisch?
Nie. Es ist schon Wahnsinn, mit wie vielen schönen Orten und Unterkünften wir uns beschäftigen. Aber Neid ist noch nie aufgekommen. Ich weiß auch nicht, warum.
Was macht den fähigen Lifestyle-Manager aus?
Du musst eine gewisse Portion Empathie mitbringen, um zwischen den Zeilen lesen zu können. Du willst die Leute ja begeistern und auf neue Wege bringen. Du musst gut mit Menschen umgehen können und verstehen, was die gerne wollen, um sie dann überraschen zu können. Man muss ein positiver Typ sein, Leute überzeugen und inspirieren können. Und Organisationstalent braucht man auch: Du musst schnell Wege finden, die andere nicht finden. Die Leute brauchen die Sachen jetzt, und du musst die Probleme jetzt lösen. Da kannst du nicht um drei Ecken denken. Die Leute sind oft ganz aufgeregt, und man selber ist überhaupt nicht aufgeregt, weil man schon weiß, welches der direkte Weg zum Ziel ist.
Ihr Motto ist „Work hard and be nice to people“. Was meinen Sie damit?
„Work hard“ ist klar: Wir geben alles für unsere Klientinnen und Klienten. Wir wollen unseren Job perfekt machen. Aber wir wollen auch das Familiengefühl, wollen alle in ein Boot holen. Am Ende ist der Weg zum Ziel immer, nice zu Menschen zu sein. Wenn du Gutes gibst, bekommst du Gutes zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen