Lieferdienst gegen Betriebsrät:innen: Schneller gekündigt als gefahren
Beim Kurierdienst Gorillas sollen sämtliche Angestellte eines Lagers entlassen werden. Darunter befinden sich auffällig viele Betriebsratsmitglieder.
Alles andere als schnell sei hingegen die Kommunikation über die Kündigungen gelaufen: „Obwohl das Management schon seit Oktober weiß, dass der Standort geschlossen wird, wurden wir erst letzte Woche informiert“, kritisiert die Kurierin.
Schon lange steht Gorillas wegen seiner schlechten Arbeitsbedingungen in der Kritik: angefangen bei seinem Lieferversprechen von zehn Minuten. Das setzt die Rider extrem unter Druck – was unter den Bedingungen des Berliner Straßenverkehrs mitunter sehr gefährlich sein kann. Auch die Forderungen der Rider nach funktionstüchtiger Winterkleidung und intakten Fahrrädern blieben lange unerhört. Für Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz liegen die Strafen derzeit im unteren fünfstelligen Bereich – für ein milliardenschweres Unternehmen wie Gorillas kein Problem.
Betriebsrat mit Hindernissen
Mittlerweile haben es die Angestellten immerhin geschafft, einen Betriebsrat zu wählen – gegen den Willen des Gorillas-Managements. Das hatte lange versucht, die Organisierung seiner Angestellten zu verhindern – bis ihnen das Berliner Arbeitsgericht im November vergangenen Jahres einen Riegel vorschob.
Sehr viel Mitsprache hat der neu gegründete Betriebsrat jedoch nicht, sagt deren Anwalt Martin Bechert. Firmen wie Gorillas, Amazon oder Tesla würden Arbeiter*innenrechte „mit den Füßen treten“, kritisiert er. Bechert ist überzeugt, dass die Schließung des Standortes eine Strategie des Unternehmens ist, „um unliebsame Mitarbeiter auszusieben“.
Unter den 87 gekündigten Arbeitnehmer:innen befinden sich nämlich 3 der insgesamt 19 Betriebsratsmitglieder. „Das ist exemplarisches Union Busting, was hier bei Gorillas passiert“, sagt Bechert. In seinen Augen gehört eine derartige Unterdrückung der Organisierung von Arbeiter*innen bestraft.
Bisher gibt es dafür jedoch keine Konsequenzen. Also macht Gorillas einfach weiter. Im November hat das Unternehmen seine 18 Warenlager in formal unabhängige Franchises umgewandelt. Welche Vorteile das bringt, außer eine Organisierung der Belegschaft zu erschweren, zeigt sich im aktuellen Konflikt: Man könne die 87 gekündigten Mitarbeiter*innen nicht einfach auf andere Standorte in Berlin verteilen, auch wenn es dort freie Stellen gibt, sagt der Deutschland-Chef von Gorillas, Alexander Brunst, zur taz.
Da diese eigenständig seien, würden die Warehouse-Manager über Neueinstellungen entscheiden. Man sei jedoch mit ihnen und dem Betriebsrat im Gespräch, um Lösungen für alle Mitarbeiter*innen zu finden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg