Arbeitskampf bei Hellofresh: Frische Zutaten für Union Busting

Ar­bei­te­r*in­nen des Lieferdienstes Hellofresh wollen einen Betriebsrat gründen. Das Management will lieber „modernere Formen der Repräsentation“.

Ein Paket von Hellofresh in einem Hausflur.

Die Ar­bei­te­r*in­nen­rech­te sind bei Liederdiensten leider nicht so fresh Foto: Richard Levine/imago

BERLIN taz | Start-Ups versprechen flache Hierar­chien, von Mitbestimmung ihrer Angestellten halten sie jedoch meist nicht sehr viel. So auch bei Hellofresh, einem der größten Unternehmen in Berlin, deren Mit­ar­bei­te­r*in­nen einen Betriebsrat gründen wollen. Hellofresh ist das einzige DAX-Unternehmen, in dem auf keiner Ebene des Konzerns Ar­bei­te­r*in­nen durch einen Betriebsrat repräsentiert werden.

Das wollten einige der Angestellten, die mit dem Kurs des Managements unzufrieden sind, ändern. „Die Gehaltstransparenz ist gleich Null, die Einstellungspolitik nicht nachvollziehbar und die Diversität könnte auch besser sein“, sagt Hellofresh-Mitarbeiter*in Alex Fischer der taz. Fischer heißt eigentlich anders; um negative Konsequenzen zu vermeiden, wurde der Name geändert. So gebe es kaum Frauen in Führungspositionen und während die Basis mehrheitlich aus Mi­gran­t*in­nen bestehe, spiegele sich das in den höheren Etagen nicht wider.

Gute Gründe also, um einen Betriebsrat zu gründen und damit die Interessen der mehr als 1.000 Berliner Beschäftigten gegenüber ihren Vorgesetzten zu vertreten, dachten sich die Hellofresh-Arbeiter*innen. „Wir hätten gerne eine Stimme“, sagt Fischer. Anfang Juni hängten sie daher einen Zettel auf, in dem sie zu Wahlen für einen Wahlvorstand für den Betriebsrat aufriefen. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi informierten sie die Ar­bei­te­r*in­nen über rechtliche Fragen.

Doch dann schaltete sich das Management ein. Die Hellofresh-Mitbegründer und Vorstände Thomas Griesel und Dominik Richter luden zwei Tage vor der Wahl zu zwei Frage- und Antwortrunden ein, bei denen sie ihre Argumente gegen einen Betriebsrat vortrugen. Mit dabei auch die Anwaltskanzlei Greenberg Traurig, die sich laut eigenen Angaben auf „union-free strategies“, also „gewerkschaftsfreie Strategien“ spezialisiert hat.

Keine Mehrheit für den Wahlvorstand

„Es wurden mehrere Falschaussagen gemacht, etwa zu den Befugnissen und dem Einfluss eines Betriebsrats und dem Sinn und Zweck der Wahlvorstandswahlen“, sagt Fischer. Es sei ohnehin schwierig, die Belegschaft zu mobilisieren, da die meisten nur für kurze Zeit bei Hellofresh arbeiteten und das meist im Homeoffice. Auch würden viele kein Deutsch sprechen und wüssten nicht, wozu ein Betriebsrat gut ist. „Viele sind eingeschüchtert und haben Angst, dass sie ihr Arbeitsvisum, verlieren, wenn sie sich engagieren“, glaubt Fischer.

Bei den Wahlen am 10. Juni erreichten die Kandidat*innen, die sich für den Wahlvorstand aufstellten, nicht die nötige Mehrheit. Das liegt laut Fischer auch daran, dass das Hellofresh-Management die Wahl zu einer Abstimmung über den Betriebsrat an sich gemacht habe. Dabei kann ein Betriebsrat selbst dann gewählt werden, wenn die Mehrheit der Belegschaft gar keinen haben möchte. „Das Management hat eine massive Desinformationskampagne aufgebaut und erfolgreich viele Kol­le­g*in­nen gegen uns aufgehetzt“, so Fischer.

Das weist das Unternehmen auf taz-Anfrage entschieden zurück. „Wir haben die Wahl zum Wahlvorstand zu keinem Zeitpunkt und in keiner Weise behindert“, so ein Sprecher. Vielmehr hätten die Mitarbeitenden auf demokratische Weise zum Ausdruck gebracht, dass sie mehrheitlich keinen Betriebsrat bei Hellofresh in Berlin möchten.

Das Management glaubt, „dass es bessere und modernere Formen der Repräsentation gibt, um die selben Ziele zu erreichen wie über einen Betriebsrat“, wie es in einem Schreiben der Vorstände Griesel und Richter an die Mit­ar­bei­te­r*in­nen heißt, das der taz vorliegt. Man wolle nun gemeinsam mit den Betriebsrats-In­itia­to­r*in­nen, „eine alternative Form einer stärkeren Arbeitnehmervertretung finden“, und zwar ohne die aus Sicht des Managements „administrative und formalistische Bürde eines traditionellen Betriebsrates“.

Das Treffen dazu fand am Donnerstag statt. Ziel des Managements war es, die Rechte eines „Fresh Council“ zu vereinbaren, der statt eines Betriebsrates installiert werden soll. Die Betriebsrats-Initiator*innen halten davon nichts. „Wir sind da strikt dagegen“, sagt Fischer.

Fall könnte vor dem Arbeitsgericht landen

Ähnlich äußert sich die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe. „Es gibt kein Äquivalent zum Betriebsrat“, stellt sie gegenüber der taz klar. „Ein Betriebsrat ist unverzichtbar für Demokratie und Minderheitenschutz im Unternehmen.“ Davon würden letztlich das Management und die Beschäftigten profitieren. Die SPD-Politikerin hofft daher, dass die Unternehmensführung bei Hellofresh die Gründung eines Betriebsrats doch noch kooperativ begleitet.

Conny Weißbach, Fachbereichsleiterin Handel bei Verdi Berlin-Brandenburg

„Hellofresh will eine demokratische Mitbestimmung seiner Beschäftigten unbedingt verhindern“

„Wir haben jetzt drei Möglichkeiten: Aufgeben, vors Arbeitsgericht ziehen, um eine Bestellung eines Wahlvorstands zu beantragen oder es noch einmal versuchen“, sagt Alex Fischer. Aufgeben ist für die kämpferischen Ar­bei­te­r*in­nen keine Option, und um noch einmal eine Wahl zu organisieren, fehle vielen die Kraft. „Wir müssten uns noch einmal dem psychischen Terror und den Hetzkampagnen aussetzen“, befürchtet Fischer. Schon jetzt hätten einige wegen des enormen Drucks gekündigt oder stünden vor dem Burn-0ut.

Für Verdi ist das Vorgehen von Hellofresh klassisches Union Busting, also die systematische Bekämpfung von Ar­bei­te­r*in­nen­ver­tre­tun­gen. „Die Verhinderung der Wahl eines Wahlvorstandes zeigt, dass Hellofresh eine demokratische Mitbestimmung seiner Beschäftigten unbedingt verhindern will“, sagt Conny Weißbach, bei Verdi Berlin-Brandenburg zuständig für den Bereich Handel. Sie rät den Arbeiter*innen, vor das Arbeitsgericht zu ziehen und sagt ihnen dafür die volle Unterstützung der Gewerkschaft zu.

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