Liebknecht-Luxemburg-Demo: Mozart, Stalin, Öcalan
Tausende gedachten am Sonntag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vor 98 Jahren. Nostalgie wird dabei zur Ideologie.
Sonntag war Jahrmarkt in Berlin. Angeboten wurden Ideologien und die Revolution. Um10 Uhr morgens ertönt am Frankfurter Tor eine Kakofonie von Ansprachen, Arbeiterliedern und Anticapitalista-Rufen. Es tummeln sich Stalinisten, Leninisten, Maoisten und Trotzkisten – sogar Anarchisten haben sich hierher verirrt. Die etwa 3.500 Teilnehmer laufen los, um der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vor 98 Jahren zu gedenken.
Aus einem der Lautis tönt es: „Wir wollen die heutige Demo organisiert gestalten und versuchen in Achterreihen zu marschieren.“ Nur der Block einer militant auftretenden Jugendgruppe hält sich ernsthaft daran.
Der nächste Block gehört zu „Rebell“, dem Jugendverband der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD). Zwei Männer Ende zwanzig halten eine Fahne, auf der neben Marx, Engels und Lenin auch Stalin und Mao abgebildet sind. Der linke der beiden Fahnenträger verteidigt die Motivwahl: „Wenn es um Stalin geht, wird viel gelogen und verzerrt. Bei jedem Toten, der vielleicht an Zahnschmerzen starb, wird behauptet, Stalin hätte ihn umgebracht.“ Wenn er vom Sozialismus redet, träumt der Fahnenträger von ganzen Kontinenten, die zentral verwaltet werden.
Besonders aktiv spricht die Internationalistische Liste der MLPD Menschen auf der Gedenkdemo an. Sie sammelt Unterschriften für den Antritt ihrer Partei bei der Bundestagswahl und bietet „frisch gedruckte“ Parteiprogramme an. Auf einer ihrer Fahnen sind fünf stilisierte Hände abgebildet, die ineinandergreifen: eine weiß, eine schwarz, eine gelb, eine braun und eine rot. Das soll wohl für Internationalismus stehen.
Postmoderne Beliebigkeit
Ein punkig anmutender junger Mann schwenkt daneben eine anarchistische Fahne und ruft: „Olé, olé, olé – Kommunismus, Kommunismus, Kommunismus.“ Postmoderne Beliebigkeit auf der Luxemburg-Liebknecht-Demo.
Die Demonstration nähert sich ihrem Ende – dem Friedhof Friedrichsfelde. Alle sprechen von zwei Festnahmen – wegen Fahnen, die das Gesicht des PKK-Führers Abdullah Öcalan zeigen. Die Polizei konnte Sonntagnachmittag nur bestätigen, dass es zu freiheitsbeschränkenden Maßnahmen kam.
Vor der Gedenkstätte der Sozialisten, in der Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht bestattet sind, steht Stand neben Stand. Es gibt Bücher, Würstchen und Erbsensuppe. Linke Zeitungen werden verteilt. Ein paar Kinder nutzen die Gunst der Stunde und verkaufen Nelken. An einem der Stände kann man T-Shirts kaufen – mit Lenins Gesicht drauf oder dem Schriftzug: „Mega Zicke“.
An der Gedenkstätte selbst ist die Stimmung andächtig. Aus den vielen Lautsprechern ist Mozarts Requiem zu hören. Die Gruppe „Jugendwiderstand“ stört die Stimmung kurz und ruft: „Alles für Volk, Klasse und Partei. Es lebe Stalin!“ Sie bekommen nur kurz die Aufmerksamkeit ihrer Genossen. Danach wird es wieder still und aus den Lautsprechern erklingen die letzten Töne des Requiems: „Amen“.
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