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Liebe zu SchwedenRisse im Bild

Fiese Rechte, keine Jobs und marode Schulen. Es läuft viel schief in Elchland. Trotzdem lieben wir es. Das muss man erstmal schaffen.

Der ist ja auch noch da. Bild: dpa

„Hej, du alter, du freier, du gebirgiger Norden, du stiller, du freudenreicher Schöner!“ Was deine Hymne so poetisch ausführt, meint eigentlich: Hej Sverige! Hymnen sind ja so eine Sache. Nationalistische Kackscheiße. Aber deine erste Strophe fasst ganz gut zusammen, was uns in den Kopf kommt, wenn wir an dich denken: „Ich grüße dich, lieblichstes Land der Erde, deine Sonne, deinen Himmel, deine grünen Wiesen.“ Und das ist längst nicht alles: Deine kunterbunten Villen, dein Sozialstaat, deine Offenheit gegenüber Fremden, deine Zimtschnecken und dein praktisches Möbeldesign – wir finden dich einfach wunderbar.

Dabei hat deine Idylle, von uns fast unbemerkt, längst Risse bekommen: Seit vier Jahren sitzt eine rechte Partei in deinem Reichstag. Zur Wahl am Sonntag könnten die Schwedendemokraten sogar ein zweistelliges Ergebnis bekommen – eine streng populistische Partei mit Wurzeln in der Neonazibewegung. Vielen Schweden passt es nicht, dass du so viele Flüchtlinge aufnimmst. Sie haben Angst und sind unzufrieden: Es gibt kaum Jobs, fast jeder vierte Jugendliche ist arbeitslos, in deinen Schulen – einst Vorbild für uns – blättert der Putz von den Wänden. Es läuft viel schief im Sehnsuchtsland.

Trotzdem: Noch immer kriegen wir leuchtende Augen, wenn wir an dich denken. Das muss man erst mal schaffen. Vielleicht liegt es daran, dass du dir trotz deiner Probleme viel Sympathisches behalten hast. Als Reaktion auf das Erstarken der Rechten hat dein konservativer Premierminister Fredrik Reinfeldt gesagt: „Öffnet eure Herzen für alle, die aus Angst um ihr Leben zu uns fliehen.“

Respekt! Wenn konservative Politiker hierzulande mit dem Flüchtlingsthema Wahlkampf machen, dann klingt das eher so: „Wer betrügt, fliegt“. In diesem Sinne, noch einmal zurück zur Hymne: „Ich weiß, dass du bist und du bleibst, was du warst.“

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4 Kommentare

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  • Also, wir haben hier in Schweden seit 8 Jahren eine neoliberale Regierung, die unter anderem die Steuern mit ca. 14 Mrd. Euro gesenkt hat - vor allem für die Reichen. Wir haben eine gigantische Umverteilung von unten nach oben, wir haben eine bewusste Politik der Verschlechterung von sozialen Leistungen um den Akzeptanzlohn zu senken ... und wir haben dazu die neoliberale Ideologie dass man da an allem selbst schuld ist. Und dazu wird alles als Postpolitik dargestellt. Damit fehlt die Möglichkeit Ross und Reiter zu benennen - statt dessen benennt man eben Sündenböcke: die Ausländer. Der ganz normale Prozess - soziale Widersprüche werden stärker, und damit die Frustration.

  • D
    D.J.

    Schweden war so lange mein Sehnsuchtsland, wie ich es - irrig wie viele - für liberal hielt. Wobei ich nicht weiß, ob es sich um eine Entwicklung handelt oder ob es schon immer eines der repressivsten Länder Europas war (Alkoholverbote, Prostitutionsverbot, seltsame Vergewaltigungsdefinitionen, mannigfaltige Sprechvorgaben, Mängel in der Privatheit).

  • Sehnsuchtsland?

     

    Es gab in Deutschland immer wieder Sehnsuchtsländer. Im besten Fall war das Bild dieser Sehnsuchtsländer von Unwissen geprägt (Südeseeinseln), im Durchschnittsfall von touristischer Rüpelhaftigkeit und Rücksichtslosigkeit (Ballermann), im schlimmsten Fall von Eroberungspolitik (Drang nach Osten).

     

    Vielleicht sollten wir mal aufhören, die Welt zu überdecken mit rosaroten Sehnsuchtsbildern und stattdessen beginnen zu fragen, welche reale Probleme reale Menschen haben.

     

    Weder ist Schweden eine Lösung unserer Probleme noch hilft es Schweden, wenn wir mit irgendweclen Traukmbildern von Schweden leben.

     

    Aufgabe einer Zeitung sollte es sein, sich der Wirklichkeit zu stellen. In Schweden. Und noch mehr hier bei uns.

     

    Und z.B. mal zu fragen, warum soviele Menschen von einem anderswo träumen - die einen von Schweden, die einen von einem ISIS-Staat in Nahost.

     

    Strukturell sehe ich da keinen Unterschied.

     

    Wer vor fragen ausweicht, weicht vor der Wirklichkeit aus. Auf der Titanic tanzten sie auch bis zum Schluss in ihren Luxusträumen.

    • @Michael Neunmüller:

      Ich bin einer von denen, die Schweden, allgemein Skandinavien, etwas abgewinnen können. Das hat nichts mit Wirklichkeitsflucht zu tun, sondern mit handfesten Inhalten, mit politischem Gestaltungswillen, zuerst aber mit einer Befindlichkeit, einer Mentalität, der dann eben auch irgendwann die gestaltete Wirklichkeit, nämlich Wirtschaft, soziale Sicherungssysteme et al. folgen.

      Dass aber auch das schwedische Modell überdehnt und überfordert werden kann und es dagegen wachsenden Widerstand in Schweden gibt ist doch nachvollziehbar - Probleme mit Migration gibt es mittlerweile auch dort.

       

      @MICHAEL NEUMÜLLER:

      Zitat "warum soviele Menschen von einem anderswo träumen - die einen von Schweden, die einen von einem ISIS-Staat in Nahost.Strukturell sehe ich da keinen Unterschied. "

       

      Kommentar überflüssig...