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Libyen versinkt im KriegschaosIslamisten erobern Flughafen

Als die Libyer Ende Juni ein neues Parlament wählten, hofften viele im Land auf bessere Zeiten. Doch die Gewalt geht unvermindert weiter.

Rauchwolken stehen über der libyschen Hauptstadt Tripolis. Bild: dpa

TRIPOLIS dpa/rtr | Nach einer erneuten Gewalteskalation in der Hauptstadt Tripolis wird das Chaos in Libyen immer größer. Milizen des islamistischen Bündnisses Fadschr Libia (Libyens Morgendämmerung) nahmen am Wochenende nach eigenen Angaben den seit Wochen hart umkämpften Flughafen der Stadt ein.

Im Kampf um die Macht in Libyen fügten sie damit ihren Gegnern einen heftigen Rückschlag zu. Mit der neuen Gewalt zerplatzt auch die Hoffnung, dass sich die Lage im Land nach der Wahl eines neuen Parlaments Ende Juni beruhigen könnte.

Libyen erlebt seit Wochen die schlimmste Gewalt seit dem Ende der Herrschaft von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011. Der Regierung gelingt es nicht, die Sicherheitslage in den Griff zu bekommen. Die libysche Regierung verfügt nicht über eine nationale Armee, sondern bedient sich ehemaliger Rebellen-Milizen. Deren Loyalität gilt jedoch oft mehr ihrer Region oder örtlichen Befehlshabern als der Regierung.

Mitte Juli hatten die Islamisten ihre Angriffe auf den Flughafen begonnen. Er stand bisher unter Kontrolle von Milizen aus der Stadt Al-Sintan.

Bei den blutigen Kämpfen um das Gelände sind insgesamt mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen. Die Gefechte außerhalb des Flughafens gingen am Sonntag nach Angaben des Nachrichtensenders Al-Arabija noch weiter. Parlamentspräsident Akila Saleh Issa forderte ein Eingreifen der Vereinten Nationen (UN).

„Wir warten noch immer darauf, dass eine Intervention der internationalen Gemeinschaft die Libyer schützt und das Blutvergießen beendet“, sagte er dem arabischen Programm des Senders „Sky News TV“.

Bei den rivalisierenden Milizen handelt es sich um ehemalige Revolutionsbrigaden, die am Sturz Gaddafis beteiligt waren. Fadschr Libia ist eine Koalition verschiedener vor allem islamistischer Kräfte. Die Miliz ist verbündet mit der radikal-islamischen Organisation Ansar al-Scharia, die in der ostlibyschen Stadt Bengasi kämpft.

Kämpfer von Faschr Libia stürmten am Sonntag einen Fernsehsender in Tripolis, wie der TV-Kanal berichtete. Am Samstagmorgen hatten Kampfflugzeuge Stellungen der Islamisten in Tripolis bombardiert und dabei zehn Menschen getötet. Er sei unbekannt, wer für die Angriffe verantwortlich sei, meldete die Nachrichtenseite Al-Wasat. Verbündete des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar hatten sich am vergangenen Dienstag zu früheren Luftangriffen in Tripolis bekannt.

Ägypten beschuldigt

Die Islamisten beschuldigten hingegen Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate, für die Luftangriffe verantwortlich zu sein. Das ägyptische Außenministerium wies die Vorwürfe am Sonntag zurück. Anderslautende Behauptungen entbehrten jeder Grundlage, hieß es in einer Stellungnahme in Kairo.

Das libysche Parlament erklärte die beiden Gruppen Fadschr Libia und Ansar al-Scharia zu Terrororganisationen. Sie stünden außerhalb des Gesetzes und seien ein legitimes Ziel der libyschen Armee, beschlossen die Abgeordneten laut Al-Wasat. Die Parlamentarier wählten zugleich einen neuen Generalstabschef der Armee.

Wegen der Gewalt in Tripolis und Bengasi tagt das Parlament in der weiter östlich gegelegenen Stadt Tobruk. Tausende Libyer sind in den vergangenen Wochen vor den Kämpfen vor allem nach Tunesien geflohen. Auch viele Diplomaten haben das Land verlassen.

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5 Kommentare

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  • "„Wir warten noch immer darauf, dass eine Intervention der internationalen Gemeinschaft die Libyer schützt und das Blutvergießen beendet“, sagte (....)."

     

    Failed State! Aktendeckel zu.

    Die Interventions-praxis, -politik, -hilfe der immer häufiger berufenen "internationalen Gemeinschaft " sollte exklusiv denen zugute kommen, die verifizierbar daran arbeiten, friedlich miteinander zu leben und nicht umgekehrt, denn der in den immer wieder in den Nachrichten erscheinenden Regionen, Ländern klar zu beobachtende Lerneffekt der bisherigen 'Interventions'-Praxen ist: Wie hauen uns (biennal) auf die Rübe, halten unsere Kinder in die Kameras und dann fließen schon die Millionen aus den (interessierten, 'human gesinnten und reichen') Ausländern.

    Inländisches Standard-'Argument' nicht nur gewisser Gutmenschen:

    „Schland ist ein $·ooo·000 reiches Land.“

    • @addizzy:

      Liebe® Addizzy, du seist daran erinnert, dass Lybien nur mit (massiver) Hilfe seitens dieser "internationalen Gemeinschaft" "befreit" werden konnte. Und die "Internationale Gemeinschaft" besteht auch nicht nur aus "Schland", auch andere Länder beteiligen sich hier finanziell. Ganz nebenbei sind es diese Länder, die ständig unsere Hilfe brauchen, aus denen auch der Grundstock unseres Wohlstands stammt: Bodenschätze aller Art. - Und genau das ist auch der Grund, warum diese Länder sich nicht selbständig entwickeln konnten und dort ständig Unruhe herrscht.

      • @sema:

        ,

        abgesehen davon, dass ich nicht behauptete, dass "die "Internationale Gemeinschaft" (....) nur aus "Schland"" bestünde und Sie "genau" nicht den "Grund" benennen, "warum diese Länder sich nicht selbständig entwickeln konnten und dort ständig Unruhe herrscht.": Klar, "wir" sind schuld!

        • @addizzy:

          1. Ihr Zitat: "Inländisches Standard-'Argument' nicht nur gewisser Gutmenschen:

          „Schland ist ein $·ooo·000 reiches Land.“" (= Deutschland als Zahlmeister)

          2. Diese Frage zu beantworten bräuchte es etwas mehr Platz. Ich empfehle einen Blick in die Geschichte, der Afrika mit einschließt.

          • @sema:

            ,

            Klar: "Geschichte" .... und davor, am 'Anfang' waren alle gleich ....; statistisch hat im Rahmen der neuzeitlichen Entwicklungshilfen inzwischen jeder Afrikaner 5000 US$ erhalten – was wurde daraus gemacht?!

            "Empfehle" drínglich selbst darüber nachzudenken, warum die, die Jahrhunderte auf den "Bodenschätzen" hockten, nichts daraus herstellten, was Sie als (fragwürdigen): "Grundstock unseres Wohlstands" bezeichnen.