Liberale radikalisieren sich: Die Hamburger FDP kämpft gegen den Staatssozialismus
Eine muss es ja tun: Katarina Blume, die neue Spitzenkandidatin der Hamburger Liberalen, eilt den geknebelten Investoren zu Hilfe.
A uf Katarina Blume ist einfach Verlass. Die FDP-Frau aus den Elbvororten, die als Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der nächsten Hamburger Bürgerschaftswahl antreten will, ist immer dann zur Stelle, wenn die Hamburger Politik ausnahmsweise was gebacken kriegt.
So war es im April, als die Bezirksversammlung Altona über eine Flüchtlingsunterkunft auf dem Parkplatz des Botanischen Gartens diskutierte – also direkt in den Elbvororten, mitten im schönsten Villenviertel! Natürlich brauche die Stadt Flüchtlingsunterkünfte, sagte Blume als Vorsitzende der FDP-Fraktion da, aber leider, leider sei der Standort ja gänzlich ungeeignet. Kein Supermarkt weit und breit, kein Spielplatz für die Kleinen, und erst der Schulweg! So weit!
Da gebe es doch geeignetere Flächen, ein, zwei Kilometer weiter hinten, jenseits der Villengegend, sagte Blume und stieß damit ins selbe Horn wie die Anwohner*innen, die sich später zu einer Initiative gegen die Unterkunft zusammenschlossen, mit exakt diesen Argumenten.
Vergangene Woche nun, ihre Beförderung zur Hamburger FDP-Spitzenfrau war da schon vollzogen, bekam sie die Krise, nachdem bekannt geworden war, dass der Senat weitere Flächen aufgekauft hatte, um der Bodenspekulation entgegenzuwirken. „Der Kaufrausch von Rot-Grün bei Grundstücken und Flächen ist zu einer gefährlichen Krankheit geworden“, schäumte Blume und erkannte „eine erschreckende Reise in den Grundstücks-Sozialismus“.
Sozialismus. Lustig ist, dass der Hamburger rot-grüne Senat zu seiner Flächenkaufpolitik gezwungen werden musste. Keine städtischen Flächen mehr zu verkaufen und mehr Sozialwohnungen mit längerer Laufzeit zu bauen, war der Kompromiss mit der Bürgerinitiative „Keine Profite für Boden und Miete“, die eigentlich gewollt hatte, dass auf städtischem Boden nur noch Sozialwohnungen gebaut werden.
Nächste Bürgerinitiative steht schon bereit
Der Senat versuchte so auch, ein wenig den Druck herauszunehmen, denn die nächste Bürgerinitiative „Hamburg enteignet“ stand schon bereit. Für die so gar nicht enteignungswillige Politik können solche Forderungen sehr unangenehm werden, wie das Beispiel „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ in Berlin zeigt, wo wechselnde Senate alle Hände voll zu tun hatten, der erfolgreichen Abstimmung keine Konsequenzen folgen zu lassen.
Für Katarina Blume sind solche Dinge Teufelswerk, sie setzt auf die Kräfte des freien Marktes. Schon im Sommer geißelte sie das Hamburger „Bündnis für das Wohnen“, bei dem die Mietervereine mit am Tisch sitzen, und forderte, es durch einen „Pakt“ zwischen Politik und Wohnungswirtschaft zu ersetzen. Es müsse endlich „auf Augenhöhe verhandelt“ werden, so die Hamburger Marktliberale. „Unsere Stadt ist für bauwillige Bürger, Investoren und Wohnungsbaugesellschaften unattraktiv geworden.“
Wie gut es in einer Stadt wie Hamburg funktioniert, wenn man die Bautätigkeit Investoren überlässt, lässt sich an mehreren Stellen besichtigen. Bei den Elbbrücken steht der Torso des „Elbtower“, den René Benko zu errichten versprach, bevor er vor einem Jahr pleite ging – das Grundstück überschrieb ihm die Stadt.
In Altona, direkt neben dem „Mitte Altona“ getauften Neubauviertel, liegt seit fünf Jahren das Gelände der ehemaligen Holsten-Brauerei brach – die Stadt hatte auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet und es damit der Immobilienspekulation ausgeliefert. Gebaut wurde bisher nicht.
Und in St. Pauli, mitten auf der Reeperbahn, klafft dort, wo früher einmal die Esso-Häuser mit der berühmten Tankstelle standen, seit zehn Jahren eine leere Fläche. Der bayerische Investor hat die unter Beteiligung des Viertels ausgearbeiteten Baupläne fallengelassen und will inzwischen an die städtische Wohnungsgesellschaft Saga verkaufen. Die hüllte sich in Schweigen. Vielleicht ist der Preis zu hoch? Aber der Markt wird es schon richten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen