Liberale in der „D-Day“-Krise: Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär
Ob der Ex-Justizminister Buschmann die Liberalen aus der „D-Day“-Krise führen kann, ist ungewiss. Auch FDP-Chef Lindner ist zunehmend angeschlagen.
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Djir-Sarai war am Freitag zurückgetreten, nachdem neue Details über die Pläne öffentlich wurden, mit denen die FDP-Spitze den Bruch der Ampel provozieren wollte. Allerdings scheint unwahrscheinlich, dass der Personalwechsel die Krise beendet, die zunehmend auch Parteichef Christian Lindner in Bedrängnis bringt.
Vor gut zwei Wochen hatten Zeit und Süddeutsche erstmals darüber berichtet, dass die FDP-Spitze detaillierte Pläne ausgearbeitet hatte, um die Koalition mit SPD und Grünen zu verlassen. Den Inhalt bestritten führende FDP-Politiker*innen nach der Veröffentlichung nicht, wohl aber, dass man dabei militärisches Vokabular wie etwa „D-Day“ genutzt habe, wie es in den Berichten hieß.
Wohl um neuerliche Enthüllungen vorwegzunehmen, veröffentlichte die FDP am Donnerstag selbst ein internes Papier. Und darin findet sich nicht nur der „D-Day“, sondern auch weitere martialische Begriffe wie der einer „offenen Feldschlacht“, die man um die Deutungshoheit nach dem orchestrierten Koalitionsbruch führen wollte. Seitdem wächst der Druck auf die Parteispitze.
Übersteht Lindner die Affäre?
Ein Großteil der parteiinternen Kritik entfiel bisher auf Djir-Sarai. Seinem Rücktritt am Freitag waren harte Worte der Vorsitzenden der Nachwuchsorganisation Junge Liberale, Franziska Brandmann, vorangegangen. „Das Papier, das gestern öffentlich wurde, ist einer liberalen Partei unwürdig“, sagte sie. Nicht nur die Bürger*innen müssten „den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein – sondern auch die eigene Partei“. Brandmann forderte deshalb explizit den Rücktritt Djir-Sarais.
Auch andere Spitzenpolitiker*innen sollen intern Druck gemacht haben. In der Folge trat neben Djir-Sarai auch der Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann zurück, der das „D-Day“-Papier verfasst hatte.
Gleichzeitig scheint noch nicht ausgemacht, dass Parteichef Lindner die Affäre übersteht. Er bestreitet bisher, von dem Papier Kenntnis gehabt zu haben. Djir-Sarais Rücktritt wurde weithin als Versuch interpretiert, Schaden von Lindner abzuwenden. Und zumindest innerhalb der Partei gibt es bisher keine offene Kritik an dem Parteichef und Spitzenkandidaten, der lange unantastbar schien, weil er die Liberalen nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 wiederbelebt hatte. Dieser Nimbus hatte aber in letzter Zeit Schrammen bekommen: In Umfragen steht die Partei derzeit bei etwa 4 Prozent. Bei der nächsten Bundestagswahl dürfte es für die FDP also wieder sehr eng werden.
SPD und Grüne greifen Lindner schon seit Tagen massiv an: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Samstag, Lindner und die FDP hätten die Arbeit der Ampelregierung „systematisch sabotiert“. Er forderte: „So etwas darf in Deutschland nie wieder passieren.“ Und die Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner sagte: „Also wer die FDP kennt, weiß, dass ohne Christian Lindner eigentlich nichts möglich ist. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Herr Lindner gar nichts davon wusste.“
Auch in der sonst überaus FDP-freundlichen Bild-Zeitung erschien ein Kommentar, der unter dem Titel „Der Falsche geht“ explizit den Rücktritt Lindners fordert. Und am Sonntag legte die Bild mit der nächsten Enthüllung nach: Lindners Frau Franca Lehfeldt ist schwanger! Ein neuer Job mit mehr Zeit fürs Privatleben dürfte Lindner da gewiss nicht schaden.
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