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Letzter WM-Auftritt der BundestrainerinDie Tugendtussi

Metzgerin mit Disziplinfetisch: Die Bundestrainerin hat sich mental nie aus Walldürn entfernt. Ihr Vermächtnis an den Fußball: Kadavergehorsam.

Begrenzter Horizont mit Perlenohrring: Bundestrainerin Neid Foto: dpa/Carmen Jaspersen

Sehenden Auges in den Untergang – Silvia Neid beendet ihre WM-Karriere mit der idiotischsten aller deutschen Tugenden. Sie hielt gegen die USA so lange an ihrer desolat spielenden Anfansformation fest, bis es endgültig zu spät war. Eisern verfolgte sie ihren einmal eingeschlagenen Weg, als ob sie mit dem Anpfiff entmündigt worden wäre.

Kadavergehorsam nennt man so was auch. „Man kann ja nicht durchs Leben laufen und jedes Spiel gewinnen.“ ist noch der beste Kommentar, den die schnippische Bundestrainerin nach der eindeutigen Niederlage im Halbfinale von Montréal macht.

Als Spielerin und als Trainerin hatte sie in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs bei jedem Titelgewinn ihren Fuß drin gehabt. Sie war der erste deutsche Shootingstar in dieser Sportart. Im ersten offiziellen Länderspiel der Frauen 1982 gegen die Schweiz schoss die damals 18-Jährige sogar ein Tor. Sie wurde Welttrainerin 2007 und 2013. Man kann sie sogar als Barbiepuppe erwerben.

Von Vokuhila zu Hillary Clinton

Trozdem versprüht Silvia Neid keinen Glamour. Perlen an den Ohren, Perlen am Handgelenk, Silberkettchen um den Hals – der Glitzerschmuck macht das nicht wett. Eher macht sie diese Kombinationaus Schmuck und kratzbürstiger Schmallippigkeit zur Tugendtussi. In den 80er Jahren war Neid eher so der Vokuhila-Typ. Als Trainerin hat sie sich optisch immer mehr in Richtung Hillary Clinton samt Fönfrisur bewegt.

Im Vergleich zur Bundestrainerin macht Hillary Clinton allerdings eine sportlichere Figur: Sie ist eine äußerst wortgewandte und charmante, intelligente und aufgeschlossene Führungsfigur.

Der heute 51-jährigen Silvia Neid ist das Spiel der Worte immer so fremd gewesen wie vielen Männern das Fußballspiel der Frauen. Wenn sie spricht, wirkt sie so, als würde sie am liebsten gar nicht über ihr Team, ihre Leistungen, über ihren Sport reden. Immer kurz angebunden, immer nur in Phrasen spechend, immer in einem ironischen Ton, der eher patzig als witzig ist, ständig an der Grenze zum Genervtsein entlangschrammt.

Wenn Silvia Neid die Übersetzung der Frage internationaler Journalisten nicht versteht, kneift sie die Augen zusammen und guckt so verstört als würde sie jemand zu ihrer Meinung nach der neuesten Walsichtung im St. Lorenz-Strom fragen. Dabei geht es in der Regel um Fußball. Sehr selten nur, wie vor dem Halbfinale gegen die USA, traut sich einer die resolute Frau mal was anderes zu fragen, zum Beispiel, warum sie am Spielfeldrand immer so böse guckt.

„Das ist mir noch gar nicht aufgefallen“, sagt die Frau, die seit zehn Jahren die Trainerin des deutschen Frauennationalteams ist. Recht eigentümlich hatte sie kurz vor der WM angekündigt, ihre Trainerkarirere 2016 zu beenden. Dabei hatte es in der Öffentlichkeit gar keine großen Debatten mehr um sie gegeben.

Eisiges Lächeln

Anders als nach dem Ausscheiden im Viertelfinale bei der letzten WM in Deutschland. Es wäre nicht erstaunlich gewesen, hätte sie damals ihren Job verloren. Von „Desaster“sprachen DFB-Funktionäre. Allein der damalige Präsident Theo Zwanzige stellte sich hinter sie. Vielleicht wollte sie das nicht noch einmal durchmachen und hat deswegen vorsichtshalber schon mal vorher alle Kritik, die die WM in Kanada einbringen könnte, mit der Kündigung pariert. Und bis zum Ausscheiden im Halbfinale in Montréal auch erfolgreich geschafft.

Oft konstatieren Kollegen, die sie schon lange kennen, dass sie hier bei der WM in Kanada ganz anderes als 2011 auftrete, gelassener und lockerer wirke. „Man kann sich sogar mal einen Fehler erlauben und kriegt nicht gleich eins auf den Deckel“, verriet die erfahrene Mittelfeldspielerin Melanie Behringer.

Auf Leute, die Neid nicht so lange kennen, wirkt ihr vermeintliches Lockersein samt ihres Lächelns eher eisig. Ihre strenge Kühle kann sie dahinter nicht lange verbergen. Nach ihrem Realschulabschluss hat sich Silvia Neid zur Fleischereifachverkäuferin ausbilden lassen. Das Grobschlächtige hat ihr offenbar schon immer gut gefallen. Fürs Charmantsein wird sie vom DFB nicht bezahlt. Der Satz könnte von ihr sein.

Am Sonntag vor dem Halbfinale in Montréal lud sie die deutschen Journalisten zu einer Gesprächsrunde ins Sheraton Hotel. Abseits der Kameras und der Fifas würde sie mal ein bisschen mehr als auf den Pressekonferenzen aus ihrem und dem Innenleben des Teams erzählen wollen.

Schon nach dem denkbar knappen Sieg gegen die Französinnen im Viertelfinale hatte sie mal kurz die Regeln Regeln sein lassen und lud zwischen Pressekonferenz und Teambus in den Kellerkatakomben des Stade Olympique die Journalisten ein, sie zu umarmen. Dem ungewöhnlichen Angebot folgten dann auch einige Kollegen sichtlich überrascht von der Offerte.

Silvia, wie süß

Das einzige, was sie dann allerdings in der Hotelrunde verriet, war, dass sie allen Spielerinnen das Du angeboten hatte. „Sehr süß“ findet sie es, wie die jungen Spielerinnen trotzdem versuchen würden, das Du zu vermeiden. Sie würden sie „Trainerin“ oder „Silvia“ ansprechen, wo sie doch unter Freunden und engen Kollegen „Silv“ heißt. Offenbar scheint sie es zu genießen, eine unnahbare Aura zu verströmen. „Wenn Trainer von Spielern geliebt werden, ist es schon vorbei“, hatte sie vorher gesagt.

Dass die Spielerinnen alle ganz eigene Charaktere haben, betont sie immer wieder. Dass man davon auf dem Spielfeld allerdings wenig merkte, könnte auch daran liegen, dass diese eigenen Charaktere nur so lange ihren eigenen Kopf haben dürfen, wie sie der Trainerin nicht widersprechen. „Ich in froh, dass wir keine Hope Solo im Team haben“, sagt sie. Disziplin ist für sie oberste Pflicht.

Dass es kein Trainer mag, wenn man nicht tut, was er sagt, liegt in der Natur der Sache. Bei Silvia Neid aber kriegt man immer eine Gänsehaut, wenn sie von „Teamgeist“ spricht und davon dass „wir Deutschen“ eben anders gestrickt seien als die Amerikaner.

Trotz langjähriger internationaler Erfahrung hat sich Neid mental nur wenig von ihrem Geburtsort Walldürn in Baden-Württemberg entfernt. Ihre Ressentiments gegen „die Amis“, die „grundsätzlich laut sind“, „sich immer selbst darstellen müssen“ und deren Fans die Aufzüge in den Teamhotels verstopfen würden, verraten ihren Horizont. Am liebsten würde Silvia Neid es wahrscheinlich sehen, dass die regelgeile Fifa auch noch eine Lautstärkeobergrenze für Fans und Spieler einführt.

Auf dem Teppich geblieben

Traditionell denkt sie aber nicht nur in kultureller Hinsicht. Traditonell denkt sie auch in fußballtaktischer Hinsicht. Keine Änderungen am System hat es unter ihr gegeben. Und bis auf eine Ausnahme auch keine Änderungen in der Aufstellung. „Ich war zufrieden wie die Spielerinnen agiert haben. Ich sah keine Notwendigkeit, zu wechseln“, verteidigte sie ihre Sturheit nach dem Halbfinale. „Wir waren nur in den Torschüssen zu unpräzise. Daher waren wir nicht so torgefährlich.“

Wären die Deuschen wenigstens mehr als ein Mal überhaupt in Torschussnähe gekommen, hätte man diesen Satz eventuell noch sagen können. So aber redet sie gnadenlos schön, was unteres Mittelmaß war.

Silvia Neid hat von Anfang an ihrer Trainerkarriere auf junge Spielerinnen gesetzt. Das ist zum einen sehr löblich. Zum anderen stellt sich im Nachhinein die Frage, ob sie sich auf diese Weise eher Soldaten als Spielerindividuen erzogen hat. Würde sie, selbst wenn eine talentierte deutsche Hope Solo irgendwo auftauchen würde, sie überhaupt ins Team lassen?

„Wir bleiben auf dem Teppich“. Darauf ist sie stolz. Ob ihre deutschen Tugenden noch zeitgemäß sind für die Entwicklung des Frauenfußballs, ob sich ihre eiserne Disziplin und das Festhalten an vermeintlich Altbewährtem als Vermächtnis an den Frauenfußball wirklich ausgezahlt hat? Für den #Titeltraum schon mal nicht.

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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Für diesen miesen und beleidigenden Bericht: Rote Karte für Akrap!

  • Habermas hat den Kopf geschüttelt über die Bornierthieten von Frau Akrap.

     

    @Wolfgang Leiberg: Hätten Sie ihre Sympathe für Ami-Bashing weg gelassen, wäre ihr Kommentar (noch) besser.

     

    @Fotohochladen: Bei "Die Wahrheit" haben sie den Text von Frau Arkap nicht haben wollen.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @lichtgestalt:

      Danke für das Lob mit Einschränkung.

       

      Wir alle haben unsere Themen, die uns immer wieder einholen. Seit ich als 15jähriges Heimkind die amerikanische Kultur auf dem damaligen Stützpunkt Hahn an Thanksgiving kennenlernen durfte, war dies mein bis dahin größter Kulturschock. Turkey mit bunten Saucen, wie ich sie bis dahin nur aus Konditoreien kannte, war die Spitze des Eisbergs. Das grenzenlos missionierende Bewusstsein das Fundament.

       

      Die Gemetzel dieser Menschen an der Zivilbevölkerung von Vietnam, Kambodscha und Laos, natürlich im Namen der Freiheit (die Nützlichkeit von Terroristen als Vorwand für eigenes Handeln war damals noch nicht verbreitet) begriff ich erst später.

       

      Wenn Amerikaner eine Sensibilität dafür entwickeln, dass es Menschen und Nationen gibt, die EIGENE Vorstellungen haben, eigene Wege gehen möchten und die Demokratie Ernst meinen, verzichte ich gerne auf Ami-Bashing.

       

      Ich befürchte jedoch, dafür würden selbst 150 Lebensjahre nicht ausreichen.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Meine Antwort wurde leider nicht gesendet. War wohl zuviel "Amibashing" drin. Ich hatte was von einem (aktuellen) Präsidenten geschrieben, der immer noch "American exceptionalism" spricht.: https://en.wikipedia.org/wiki/American_exceptionalism

  • naja, aus der Favoritin st ein Loserin geworden vielleicht bekomt sie noch irgend einen Orden, aber das Endspiel findet für das deutsche Team auf dem TV statt als Zuschauer!

  • ...die Wahrheit tut manchmal weh.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ein äußerst zwiespältiger Artikel von Doris Akrap. Dem Beschreibungssubjekt Silvia Neid möglicherweise angemessen.

     

    Was die fussballerische Seite angeht, ist mir die Würdigung Ihrer Erfolge (auch wenn diese einige Jahre zurückliegen) zu kurz gekommen. Der Fokus des Artikels liegt auf den Misserfolgen der jüngeren Zeit.

     

    Diese Diskrepanz hätte ein guter Artikel vertiefen können. Das Sich- Verbohren in Neids Biografie (geographische Herkunft, Ausbildung und Werdegang) zeugt eher von eigenen geistigen Beschränkungen der Schreiberin als dass es etwas über Silvia Neid aussagen würde.

     

    Was ist gegen Menschen aus Walldürn oder Fleischereifachverkäuferinnen einzuwenden? Sprachlich vollends aus dem Ruder gelaufen ist der maximal missglückte Lapsus mit der angeblichen Grobschlächtigkeit: jeder Wurst- und Fleischesser weiß, dass es auch feine Metzgereiartikel gibt.

     

    Das Amibashing macht mir Silvia Neid sympatisch: Gegen Menschen, die auf der ganzen Welt zeigen und hinausschreien, in welcher Rolle sie sich in dieser Welt sehen, gibt es jede Menge schlagkräftige Argumente.

     

    Silvia Neid ist vermutlich das passiert, was auch schon anderen in ihrer Situation widerfahren ist: einmal erfolgreich, ist sie auf dem erreichten Level stehengeblieben und hat den Anschluss an die Entwicklungen im modernen Frauenfussball verpasst.

     

    Mit dem entsprechenden sprachlichen Vokabular hätte dies klar dargestellt werden können. Allerdings nur oberhalb der Gürtellinie und nicht darunter.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Danke Wolfgang - das war m.E. ein sehr gute Betrag von Ihnen.

       

      Es kann gut sein dass sie überfordert ist mit diese Aufgabe. Aber es ist auch ein Systemfrage, und ein gute, ehrliche und offene Personlichkeit so durch den Dreck zu ziehen - einfach schlecht und völlig unnötig.

  • unverschämter artikel.

  • Schön geschrieben

    • @Katev :

      Warum?

  • "Trotz langjähriger internationaler Erfahrung hat sich Neid mental nur wenig von ihrem Geburtsort Walldürn in Baden-Württemberg entfernt. Ihre Ressentiments gegen „die Amis“, die „grundsätzlich laut sind“, „sich immer selbst darstellen müssen“ und deren Fans die Aufzüge in den Teamhotels verstopfen würden, verraten ihren Horizont...

     

    So sind doch Alle - bis auf die BerlinerInnen und die, die sich dafür halten. Wie zum Beweis spielen Se dat Leben eines gebürtigen Westfalen als Musical. "Hinterm Horizont gehts weiter!" Übrigens ein schrecklicher Kitsch.