USA vor dem Finale gegen Japan: Eher wie American Football
Das Team der US-Amerikanerinnen steht im Finale gegen Japan – und vor dem Triumph. An Selbstbewusstsein mangelt es der Elf nicht.
38 Kilometer von der US-Grenze entfernt, gibt es schon seit Wochen kein Hotelzimmer mehr unter 1.000 Euro. Jeder, der irgendwas vermieten kann und sei es das Katzenklo, bietet es an. Anders als die beschaulich europäisch anmutenden Turnierstädte Ottawa und Montréal oder die krassen Prärieorte Edmonton und Winnipeg, ganz zu schweigen von der Ostküstenstadt Moncton, glitzert und funkelt diese von allen Seiten von Wasser umgebene Westküstenmetropole mit ihrer an eine kleine Version Manhattans erinnernde Halbinsel Downtown, mittendrin das BC Place Stadion.
Der Verlauf des Turniers war für die US-Girls eine Riesenshow. Zum größten Teil haben sie diese selbst inszeniert, den Rest besorgten die Fans und die Medien. Vom ersten Tag an schrieb das Team Geschichte und zwar eine, die wirkt als stammte sie aus Hollywood.
Am Tag vor ihrem ersten WM-Auftritt veröffentlicht der Fernsehsender ESPN die Polizeiprotokolle aus der Anklage wegen häuslicher Gewalt gegen das wohl bekannteste Gesicht des Frauenfußballs, Torhüterin Hope Solo. Aus den Protokollen geht hervor, dass Hope Solo sich nicht ganz so brav verhalten hat wie sie es noch kurz vorher in der Talkshow „Good Morning America“ dargestellt hatte. Wildes Spekulieren um die Aufstellung und Wetten auf Fehler und Auswechslung beim ersten Gruppenspiel gegen Australien folgen.
Doch die neben Nadine Angerer beste Torhüterin der Welt liefert zwei sensationelle Glanzparaden. Und auch in den nächsten Spielen lässt sie sich nicht die kleinste Unsicherheit anmerken. Solo steht die eins und ist die eins.
Eine Art Gospelpredigt
Mit der Presse lässt sie die Teamführung aber lieber nicht reden. Auf dem Weg zwischen Kabine und Teambus wird sie vor den Pressevertretern abgeschirmt. In der Regel ist es Aaron Heifetz, der Pressesprecher des Teams, der sich darum kümmert. So wie er sich überhaupt um alles kümmert. Würde Martin Scorsese sich ernsthaft für Frauenfußball interessieren, hätte er längst „Good Fellas II“ geschrieben und Heifetz für eine Rolle gecastet.
Er ist es, der Abby Wambach zu den Pressevertretern schiebt, vor denen sie ihre Ansprachen hält. „Hey guys“, ruft sie dann der Gruppe zu und wartet gar nicht erst auf Fragen, sondern hält eine Art Gospelpredigt, in der sie Anekdoten über ihre Teamkolleginen erzählt, gerahmt von immer wiederkehrenden Lobeshymnen auf alle einzelnen.
Dabei hatte die dienstälteste Kapitänin des US-Teams als Spielerin nicht den größten Anteil am Durchkommen der USA ins Finale. Sie verschoss einen Elfmeter, saß gegen Australien und Deutschland sogar zunächst auf der Bank und wurde nur als Edeljoker in der zweiten Halbzeit aufs Feld geschickt. Aber wenn sie aufs Feld kommt, wirbelt sie alles Granulat auf, dass der Kunstrasen hergibt. „Das wird ein spektakuläres Ereignis und was mich angeht, ich werde nur positiv reden, egal, was in diesem Turnier passiert.“ Da hatte Abby Wambach zu Beginn der WM den Mund ganz schön voll genommen.
Die Kapitänin des US-Teams hatte während des Turniers mal den Kunstrasen und mal die Schiedsrichterinnen angegriffen und für die durchwachsenen Leistungen ihres Teams verantwortlich gemacht. Das hatte einerseits genervt, andererseits hat sie mit ihrem gesamten Auftreten die Rolle der Veteranin und Big-Showcase-Mama hervorragend ausgeführt.
Carli Lloyd, der Fels
Für Drama sorgte auch Verteidigerin Julie Johnston, die vielleicht beste Spielerin im Halbfinale gegen Deutschland. Mit ihrem Foul, für das sie die Gelbe Karte und die Deutschen einen Elfmeter bekamen, hatte sie fast dafür gesorgt, dass Team USA zum Spiel um Platz drei hätte fahren müssen.
Carli Lloyd, die den Elfmeter gegen die Deutschen verwandelte, ist der eigentliche Fels im Team. Die zierliche Mittelfeldspielerin, ist im Vergleich zu den in den Medien omnipräsenten, wort- und lautstarken Shootingstars wie Sydney Leroux oder Alex Morgan die ruhige Kraft im Hintergrund. Im entscheidenden Moment ist sie zur Stelle. In den letzten drei Spielen der USA wurde sie als beste Spielerin der Partie ausgezeichnet und führt, wenn Wambach nicht auf dem Platz ist, das Team als besonnene Kapitänin an.
Das US-Team ist voller Selbstbewusstsein. Nach jedem Spiel hat es von sich selbst gesagt, dass es nicht sein bestes Spiel war und es noch mehr drauf habe. Sogar nach dem Halbfinale gegen Deutschland. Zudem ließen sie nie Zweifel daran, dass sie dieses Ding hier definitiv als ihr Turnier betrachten.
„Wir sind dran“, sagt selbst die leise Megan Rapinoe, die auf dem Spielfeld wie von Zauberhand mal hier und mal da und überhaupt überall dort auftaucht und sich einmischt, wo es nötig ist.
Kampf, Druck, Aggressivität
Das Finale gegen Japan ist eine Wiederholung der letzten WM. 2011 hatten die Japanerinnen im Elfmeterschießen gewonnen. Trainerin Jill Ellis hat es zwar holprig angehen lassen. Letztlich hat sie aber die richtige Mischung aus Jungen, Alten, Angriff, Verteidigung, Taktik und Ausführung zusammengebracht. Taktisch und technisch sind sie den Japanerinnen sicher unterlegen.
Kreativität, Eleganz oder Zaubertricks zeichnen das Spiel der Amerikanerinnen nicht aus. Zuhause wird ihr Spiel weniger mit dem Fußballspiel der Männer sondern mit American Football verglichen. Die Spielerinnen sind große, starke Athletinnen, die kämpfen und durch ständigen Druck und aggressive Angriffe die Spiele prägen.
8,4 Millionen US-Amerikaner schauten zu Hause vor dem Fernseher das WM-Halbfinale. So viele hatten noch nie ein WM-Halbfinale im Fußball gesehen. Auch keines der Männer. Und auch den Finalrekord werden die US-Girls sicher brechen. Wenn es dann auch noch zum Titel reicht, wird die Party in Vancouver ganz sicher so lange dauern, bis die ersten Städter wieder zum Kitsilano Beach rausfahren.
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