Lesung von Podcast-Star Giulia Becker: Das Schreiben ist eins der Härtesten
„Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes“ heißt Giulia Beckers neues Buch. Am besten funktioniert es auf Tour, von der Autorin gelesen.
Ein erstes Buch zu schreiben, ein erstes gutes Buch zu schreiben ist schwer. Noch schwerer als das erste, so sagt man, sei es jedoch, das zweite gute Buch zu schreiben – also nachzulegen. Mit ihrem neuen Buch „Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes“, einem Potpourri aus Geschichtchen, Listen und ironischen Selbsttests, hat Comedy-Autorin Giulia Becker nun versucht nachzulegen.
Die als Autorin im Team von Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royal“ bekannt gewordene Becker ist spätestens seit ihrem erfolgreichen Comedy-Podcast „Drinnies“, den sie mit ihrem Arbeits- und Lebenspartner Chris Sommer produziert, ein Household Name der deutschen Comedy-Landschaft. Dreimal gewann das Duo den Deutschen Podcast Preis und füllte jüngst auf Tour sogar die Elbphilharmonie.
2019 gewann Becker mit ihrem Debütroman „Das Leben ist eins der Härtesten“, einem klamaukig-schönen Stück über das ruinierte Leben einer Kleinstadtbewohnerin, sowohl den Debütpreis der Lit.Cologne als auch das Herz der Autorin dieses Texts. Und trotzdem, beklagte Becker kürzlich halb ernst in ihrem Podcast, würde sie in erster Linie als Podcasterin und nicht als Autorin wahrgenommen werden.
Die Lektüre ihres Zweitlingswerks und ein Besuch auf ihrer Buchpremiere in Berlin erklärt aber auch, wieso. Das Buch liest sich wie die Verlängerung ihres Erfolgspodcasts, wie eine Schrift gewordene Extrafolge ohne Chris.
Giulia Becker: „Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes“. Rowohlt, Hamburg 2024. 224 Seiten, 22 Euro
Popkultur der letzten Dekaden
In dem schmalen Band erzählt ein Ich (ebenfalls von Beruf Autorin) von kleinen Geschichten aus dem Alltag: vom Flohmarktbesuch, von einem missglückten Urlaub im Thermalhotel oder einer Nacht eingeschlossen im Media Markt. Alles mit Jux und vielen Referenzen auf popkulturelle und lebensweltliche Highlights der letzten Dekaden, die alle längst wieder vergessen haben – Knax-Sparbücher, Hermann-Teige und das Safri-Duo zum Beispiel. Das ist ihr Markenzeichen, die Quelle ihres Humors, davon lebt ihr Podcast, dafür lieben sie die Fans.
Aufmerksame Drinnies-Hörer*innen werden jedoch bemerken, dass Becker in ihrem Buch viel recycelt. Beliebte Themen und Geschichten, die im Podcast bereits zum Besten gegeben wurden, tauchen etwas abgewandelt wieder im Buch auf. Da gibt’s die Story einer Therapeutin, deren Praxis man nur barfuß betreten darf, Anekdoten über Beckers Heimatstadt Siegen und ein Faible für Haushaltsgeräte jeglicher Couleur.
Es wirkt an einigen Stellen, als seien Becker ein wenig die Ideen ausgegangen. Diesen Eindruck bestärken auch die seitenlangen „Selbsttests“, die zwischen den Geschichten eingestreut sind („Bin ich ein Vampir?“), ein paar Listen („Einrad Pro Contra“) und die ganze Seite, die einem Haiku zu Michael Bublé gewidmet ist. Zünden tut das nicht.
Schade, denn dass Becker eigentlich originell erzählen kann, zeigt sie auch in diesem Buch. In dem Kapitel, das der Anfang eines Coming-of-Age-Romans ist, zum Beispiel oder im Skript einer herrlich missglückten Folge „Das perfekte Dinner“.
Um dieser Kritik schon mal zuvorzukommen, greift das Ich besagte Punkte selbst auf und ironisiert sie: „Nun, dachte ich so bei mir, jetzt habe ich hier diese Fragen, die Menschen brauchen Rat, Halt und Weisung. Außerdem brauche ich noch mehrere Seiten für mein Buch, denn vertraglich sollten es schon über zweihundert Seiten lang sein, aber mir gehen die Geschichten aus.“ Autofiktional gelesen, würde das auch den großzügigen Umgang mit Platz im Layout erklären.
Ausverkaufte Buchpremiere
Davon merkt man auf der Buchpremiere am Sonntag jedoch nichts. In kürzester Zeit waren die Tickets für ihre Lesereise ausverkauft, in Berlin wurde eine Zusatzshow eingerichtet. So oft kann man ein Drinnie-Icon eben nicht live erleben und Becker hat viele Fans. Eine ganze Community, im Berliner Columbia Theater versammelt, die viel Strick, Leoprint und verwuschelte Dutts trägt. Alle sehen Hygge und wirklich nett aus und so, als ob sie zu Weihnachten mindestens eine Sache mit Brüsten drauf verschenken werden.
Becker trägt drei ihrer Kurzgeschichten aus dem Band vor, bei denen man schon während der Lektüre ihre Stimme im Ohr hatte. Das Publikum jedenfalls liebt’s. Hier kommt zusammen, was zusammengehört: Giulia Becker und die Bühne. Becker und Moderator Nilz Bokelberg witzeln zwischen dem Vorlesen herum, sie grüßt ein plärrendes Kind und erklärt, vielleicht Hilfe beim Umblättern der Seiten zu brauchen – die Hello-Kitty-Nägel, die sie sich backstage noch schnell draufgeklebt hat, sind doch nicht so praktisch.
Das Publikum lacht sehr viel. Am Ende ist auch die Lesung eigentlich wie der Podcast und man möchte ihr sagen: There’s no shame in it, Giulia! Schreib nochmal einen Roman oder lass es halt und geh einfach weiter auf Tour. Oder vielleicht doch noch eine Late-Night-Show? Das wäre wirklich gut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!