Leo Kirchs Bundesliga: Der Tycoon & sein Kumpan
Nach dem Kirch-Coup stellt sich die Frage, ob die Deutsche Fußball Liga auf lange Sicht vom neuen TV-Deal profitiert, der wohl das Ende für den frei empfangbaren Vorabend-Fußball ist.
FRANKFURT AM MAIN taz Geschäfte, bei denen Leo Kirch mitmischt, sind traditionell gekennzeichnet durch Mut, Innovation, schwer durchschaubaren Interessenkonstellationen, durch Firmengeflechte und Geldsummen, deren Dimension für Normalsterbliche kaum vorstellbar sind. Nun feierte der einstmals grandios gescheiterte Medientycoon mit seiner Firma Sirius eine überraschende Rückkehr ins Geschäft mit den Fußballrechten. Es ist nichts weniger als eine spektakuläre Auferstehung, eines der größten Comebacks in der Geschichte des Sports - und selbstverständlich trägt auch dieses Geschäft die charakteristischen Züge des Kirchschen Wirtschaftens.
taz: Frau Piel, Leo Kirch vermarktet ab 2009 die TV-Rechte an der Fußball-Bundesliga - und der Tod der "Sportschau" wird gefordert.
Monika Piel: Mich hat der Deal mit Kirch überrascht - und dann wieder auch nicht. Die Bundesliga ist bei den vergangenen Rechteverhandlungen durch Premiere in eine Pattsituation gedrängt worden. Aber die Liga braucht die "Sportschau", und da bin mir sicher, sie kennt den Wert, den die "Sportschau" für sie hat. Und wir werden um den Zeitpunkt kämpfen, zu dem sie ausgestrahlt wird.
Wäre eine spätere Ausstrahlung am Abend denkbar?
Zum heutigen Stand: klar nein. Wir werden abwarten, was die Ausschreibung bringt, da haben wir ja noch mindestens bis zum Frühjahr 2008 Zeit.
Das ZDF steht mit dem "Aktuellen Sportstudio" bereit Auch wenn uns viel verbindet - an diesem Punkt sind wir Konkurrenten. Insoweit kann ich die Begehrlichkeiten des ZDF verstehen. Aber für solche Spekulationen ist es noch viel zu früh.
Monika Piehl, 56, ist seit Juli Intendantin des Westdeutschen Rundfunks (WDR)
Doch diesmal war es eine recht einfache Idee, mit der er die Verantwortlichen der Deutschen Fußball Liga (DFL) überzeugen konnte. Der Verband befürchtete eine Monopolstellung des Senders Premiere im Bieterverfahren um die Fußballrechte ab der Saison 2009/2010, denn das Münchner Unternehmen verfügt als einziger Bezahlsender sowohl über einen Vertriebsweg als auch über eine kompetente Redaktion. Diese Ausgangslage hätte den Preis gedrückt. Kirch entwickelte offenbar gemeinsam mit seinem Lieblingsmanager Dieter Hahn und DFL-Geschäftsführer Christian Seifert, der seine Karriere Mitte der Neunzigerjahre selbst im Imperium des Moguls begann, die Lösung für das Problem.
Um weitere Bieter für die Pay-TV-Rechte, das wertvollste Stück der Fußballrechte, herauszufordern, wird die Liga gemeinsam mit der Kirch-Firma Sirius selbst journalistisch aufgearbeitete Livespiele, Interviews und Zusammenfassungen produzieren und anbieten. "Es gibt sowohl über die Satelliten als auch über Kabel unterschiedliche Vertriebsplattformen, die größte ist Premiere, und es gibt viele kleine", erklärte Hahn. "Viele dieser Plattformen haben keine inhaltlichen journalistischen Kompetenzen, um ein Programm zu erstellen." Wird ein fertiger Inhalt angeboten, dann sinke die Hemmschwelle für Interessenten, glauben die Manager. Um diese Fernsehinhalte in den sechs Jahren von 2009 an produzieren und verkaufen zu dürfen, dafür zahlt Sirius der DFL 3 Milliarden Euro.
Im Grunde handelt es sich bei dem neuen Deal also um einen Affront gegen Premiere, dessen Vorstandsmitglied Carsten Schmidt mitteilte, zwar "auf jeden Fall mitbieten", die angebotenen Konserven aber keinesfalls kaufen zu wollen. Es stehe jedem Rechteinhaber natürlich frei, zusätzlich eigene journalistische Inhalte wie Interviews oder Livekommentare herzustellen, sagte Hahn zu solchen Einwänden.
Schön ist diese Kontroverse nicht, aber sie liegt im Interesse der Bundesliga, die hofft, dass nun unterschiedliche Interessenten den Preis in die Höhe treiben. Lange Debatten haben die Vereinsvertreter auf ihrer Sitzung am Montag darüber geführt, ob sich dieses Konzept nicht auch mit einem anderen Partner umsetzen lasse. Die Skepsis gegenüber Kirch ist schließlich immer noch groß. Besonders Stefan Ziffzer, der Manager von 1860 München, der einst Geschäftsführer des damals zum Kirch-Imperium gehörenden DSF war, stellte sehr kritische Fragen. Das Versprechen der Sirius, Sicherheiten vorzulegen, hat die Vorbehalte aber offenbar ausgeräumt.
Bernd Hoffmann, der Präsident des HSV, stimmte trotzdem dagegen. "Die Entscheidung mit einer solchen Tragweite wurde mit unnötigem Zeitdruck erzwungen", sagte er noch am Dienstagabend. Zudem hätten ihn die vorgelegten Bedingungen nicht überzeugt. Auch Michael Meier, Manager des 1. FC Köln, wandte ein, dass man einen ähnlichen Betrag auch bei eigener Vermarktung hätte erzielen können.
Vieles deutet darauf hin, dass die Vorbehalte in den Ligen trotz der mehrheitlichen Zustimmung groß sind. Ein Viertel, der Klubvertreter enthielt sich sogar der Stimme, eine seltsame Vorgehensweise angesichts der Bedeutung der Frage. Dem Vernehmen nach hatte sich in der Verhandlung eine Dynamik entwickelt, die es den Kritikern schwer machte, zu opponieren. Es wäre typisch für Kirch und seinen Kumpanen Hahn, exakt solch einen Verlauf zu planen. Ein ruhiges Abwägen der Vor- und Nachteile wurde den Klubvertretern jedenfalls nicht gestattet.
Doch das ist nur eine Komponente des Konstrukts, die weiteren Diskussionsstoff birgt. Auch der samstägliche Vorabendfußball im Free-TV, die "ARD-Sportschau", wie wir sie kennen, wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit wohl kippen. Das wird vor allem Kindern, also den Fans von morgen, den Zugang zur Bundesliga erschweren. Und die Frage nach mangelnder journalistischer Unabhängigkeit einer von der DFL mitproduzierten Berichterstattung löst ein großes Unbehagen bei vielen Beobachtern aus. Der Ligaverband feiert sich, die Klubs haben viel Geld, aber so ziemlich alle anderen Beteiligten sind wenig erfreut über den Coup der Herren Kirch, Seifert und Hahn, des neuen Dreigestirns an den Machthebeln des Fernsehfußballs
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