Leitzins der Fed und der EZB: Zinserhöhung mit vollem Risiko
Die Zentralbanken stehen angesichts der hohen Inflation unter Druck. Doch die Erhöhung der Leitzinsen könnte nach hinten losgehen.
E s wird gefährlich: Die Zentralbanken erhöhen erneut ihre Zinsen. Am Mittwoch beschloss die US-Notenbank Fed einen weiteren Anstieg von 0,25 Prozentpunkten, am Donnerstag folgten die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England mit einem Plus von jeweils 0,5 Prozentpunkten. Das Ziel ist, die hohen Inflationsraten zu bremsen. Doch gleichzeitig steigt das Risiko, dass die Wirtschaft in eine Rezession abgleitet.
Die Zentralbanken befinden sich in einem Dilemma: Sie sollen die Stabilität der Preise gewährleisten, doch die Inflation droht sich zu verfestigen. In den USA lag die Geldentwertung zuletzt bei 6,5 Prozent, in Großbritannien bei 10,5 Prozent und in der Eurozone bei 8,5 Prozent. Besonders beunruhigt sind die Zentralbanken, weil nicht nur Energie und Nahrungsmittel teurer werden – sondern auch die „Kerninflation“ deutlich anzieht.
Sie misst die Preise der „normalen“ Güter, die sich meist nicht stark verändern. Bei Nahrungsmitteln ist ja klar, dass sie mal teuer und mal billig sind, da viele Produkte je nach Erntezeitpunkt knapp oder reichlich vorhanden sind. Auch Energiepreise schwanken permanent, schon weil auf den Rohstoffmärkten ununterbrochen spekuliert wird. Nun kommt noch der Ukrainekrieg hinzu, in dem Russland sein Gas als Waffe einsetzt und die Pipelines nach Europa zugedreht hat.
Die steigenden Energiepreise hätten die Zentralbanken wahrscheinlich ignoriert, aber wenn die Kerninflation nach oben geht, herrscht bei den Notenbankern Alarmstufe Rot. Und zuletzt lag dieser wichtige Indikator bei 5,2 Prozent in der Eurozone. Die Zentralbanken wollen daher unbedingt aktiv werden, doch das ist riskant: In einer Volkswirtschaft gibt es nämlich keinen Knopf, an dem man nur drehen müsste, um die Inflation zielgenau festzulegen.
Geld ist kein Elektroherd, bei dem sich die Backtemperatur präzise einstellen lässt. Stattdessen bleibt den Zentralbanken nur ein indirekter Weg, der über die Zinsen führt und der gefährlich ist. Der Mechanismus: Steigen die Zinsen, werden weniger Kredite vergeben. Viele Fabriken können nicht mehr investieren, und auch Neubauten werden rar, weil Hypotheken teuer sind. Die Nachfrage sinkt, was dann die Preise drücken soll.
Es wird also eine künstliche Rezession erzeugt, die meist zur Folge hat, dass auch die Arbeitslosigkeit steigt. Es sollte sich daher niemand freuen, dass die Zinsen zulegen – auch die Sparer nicht. Denn die Zentralbanken können nur agieren, indem sie eine Wirtschaftskrise riskieren. Das ist nie günstig, aber jetzt völlig verfehlt. Der Krieg in der Ukraine ist schon für ganz Europa hart genug. Da braucht es nicht auch noch Zentralbanken, die eine Wirtschaftskrise provozieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern