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Leiharbeiter bekommen mehr GeldPuffer für Krisenzeiten

Ab November erhalten Zeitarbeiter Zuschläge. Auch wenn bei Siemens die Umsetzung hakt, sind alle Beteiligten grundsätzlich zufrieden.

Bei Siemens befürchtet die IG Metall Verschlechterungen für die Beschäftigten. Bild: dpa

Ab Donnerstag erhalten etliche Leiharbeiter der Metall- und Elektroindustrie mehr Geld. Dann tritt der im Mai zwischen Arbeitgebern und der Gewerkschaft IG Metall ausgehandelte Tarifvertrag in Kraft. Er sieht stufenweise ansteigende Lohnzuschläge für Leiharbeiter vor.

Den ersten Zuschlag von 15 Prozent auf den Tariflohn der Leiharbeit gibt es nach sechs Wochen im Betrieb. Dann wird der Lohn erneut nach drei, fünf, sieben und neun Monaten angehoben. In dieser letzten Stufe beträgt der Zuschlag maximal 50 Prozent.

Doch bei Siemens befürchtet die IG Metall Verschlechterungen für die Beschäftigten. Der Konzern hatte seine rund 5.000 Leiharbeiter betriebsintern bereits besser gestellt. Sie erhalten nach 15 Monaten den gleichen Grundlohn wie Stammbeschäftigte. Das soll künftig nicht mehr gelten. Der Konzern will nur noch den neuen Tarifvertrag anwenden.

Mehrere Hundert Leiharbeiter könnten deswegen im Monat „200 bis 300 Euro verlieren“, sagt Jürgen Kerner, Mitglied im Siemens-Aufsichtsrat und im IG-Metall-Vorstand. Mit Protestaktionen will die Gewerkschaft Druck machen, dass der Konzern die alte Regelung parallel zum neuen Tarifvertrag beibehält. „Doch bisher gibt es keine Annäherung“, sagte Kerner.

Der Konflikt kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle Beteiligten grundsätzlich zufrieden sind. Zeitarbeit sei zwar deutlich teurer geworden, sagt Karsten Tacke vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall Berlin. „Doch Flexibilität ist das oberste Gebot für die Unternehmen. Und die konnten wir erhalten.“

Exportierende Industrie

Auch die Forschung beschreibt diesen Trend in der exportorientierten Industrie: Leiharbeit wird weniger eingesetzt, um billiger zu produzieren. Die Mietbeschäftigten gelten vielmehr als unerlässlicher Puffer für Krisenzeiten. Sie können schnell und ohne Extrakosten für Sozialpläne entlassen werden. „Flexibilität bekommen sie nur noch über Zeitarbeit hin“, beschreibt es Tacke.

Helga Schwitzer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, ist sich deswegen sicher, dass es trotz Zuschlägen nicht zu Entlassungen kommen wird. Die meisten Leiharbeiter seien Fachkräfte und würden dringend benötigt. Sie bewertet den Abschluss als Qualitätssprung: „Wir holen die Branche aus der Schmuddelecke. Leiharbeit soll einen wichtigen Stellenwert haben, aber nur als Flexibilitätsinstrument.“

Schwitzer rechnet damit, dass ab November über 200.000 der insgesamt 250.000 Leiharbeiter der Branche von Zuschlägen oder betriebsinternen „Besser-Vereinbarungen“ profitieren. Die Spannbreite der Zuschläge ist dabei groß: In der untersten Entgeltgruppe erhalten Beschäftigte im Osten nach sechs Wochen etwas über 170 Euro mehr im Monat.

Unterste Entgeltgruppen

Ein Beschäftigter im Westen in der obersten Entgeltgruppe geht nach neun Monaten mit 1.380 Euro mehr nach Hause. Fast fünfzig Prozent der Leiharbeiter sind laut IG Metall in den untersten beiden Entgeltgruppen eingruppiert.

Nur etwas trübt die gute Stimmung. Während die Arbeitgeber Verbesserungen für Leiharbeiter als erledigt ansehen, dringt die Gewerkschaft darauf, dass die Politik letztlich die gleiche Entlohnung für Stammbeschäftigte und Leiharbeiter vorschreiben müsse.

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11 Kommentare

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  • T
    todd

    Das kann doch nicht wahr sein. Nur negative Kommentare. Es kann doch nicht sein, dass jeder in Deutschland super verdient. Es gibt so viele mittelmäßige, faule, ungelernte, teilweise unzuverlässige Menschen und unser Bildungssystem und viele schräge Eltern produzieren jedes Jahr ein paar Tausend mehr. Die sollen alle 15 Euro und mehr verdienen. Geht´s noch? Es muss einen Niedriglohnsektor geben. Und Zeitarbeit bedient diesen. Immer noch besser als Hartz 4 zu beziehen.

    Jeder der will, kann es zu mehr schaffen. aber es will halt nicht jeder...

    Und: es gibt ca. 400.000 schwach bezahlte ungelernte Hilfsarbeiter in der Zeitarbeit, der Rest verdient recht gut. Aber es gibt fast 7 Millionen Nichtzeitarbeiter in Gastro-, Hotel-, Frisör-, Einzelhandels- und Callcenterbuden, die ähnlich schwach oder schwächer bezahlt werden. Wo bleibt hier der Aufschrei?

  • T
    Thorben

    Yeah, haut rein Leute! Rotwein im Tetrapack war gestern! 1,59 er vom Aldi ist heute! Vorbei die Billigheimerzeiten. Lasst die Korken knallen!

  • W
    wauz

    Sklaven-Image

     

    Nichts nutzt den Nutznießern der Leiharbeit so sehr, wie das Image der Sklavenarbeit. Da fließen dann in manchen Belegschaften, vor allem bei Betriebs- und Gewerkschaftsfunktionären die Krokodilstränen: die bösen, bösen Zeitarbeitsfirmen, die euch armen, armen Zeitarbeitern nichts bezahlen...

    Nichts ist verlogener. Bezahlt wird der Leiharbeiter aus den Stundensätzen, die der Kundenbetrieb zahlt. Und die sind durchweg, immer und überall niedriger, als die tatsächlichen Stundenkosten bei Festangestellten. (Das wird manchmal dadurch verschleiert, dass man die Stundensätze mit dem nominellen Brutto-Lohn vergleicht...)

    Nutznießer der Zeitarbeit ist in erster Linie der entleihende Betrieb. Da wird ordentlich gespart, auch mit dem neuen Tarifvertrag (Übrigens auch auf Kosten der Sozialkassen/Allgemeinheit, weil die Sozialbeiträge sich ja nach dem nominellen Stundenlohn des Leiharbeiters errechnen, nicht nach dem Stundensatz...)

    Nutznießer sind in vielen Fällen auch die Stammbelegschaften, deren Tariflöhne auch dann nicht angetastet wurden, als das in der sonstigen Wirtschaft durchaus der Fall war. Ein besonders krasser Fall dieser Entwicklung ist übrigens der VW-Konzern. Und wir wissen, wie das zu Stande kam (Gebauer, wo bleiben die Weiber?)

    Nutznießer sind auch die Leiharbeitsfirmen, aber in sehr unterschiedlichem Maß. Es gibt einige große, die eben mit Unternehmen wie VW fett Geld verdienen, es gibt auch viele kleine, bei denen auch der Chef vom "Mercedes" bestenfalls träumt.

    Die Tarifverträge, die das alles möglich gemacht haben, wurden größtenteils von der IG Metall ausgehandelt, wobei nominell ver.di die zuständige Gewerkschaft für Leiharbeit ist. Unterschrieben haben diese Tarifverträge übrigens ALLE DGB-Gewerkschaften. Und zwar längst bevor die Geistergewerkschaften noch Schlimmeres ausheckten. Wenn jetzt also die IG Metall über Fortschritte jubelt, dann ist das mindestens merkwürdig. Und genauerem Hinsehens wert.

    Ein wenig Branchenkenntnisse, die freilich nicht jeder haben kann, die Gewerkschaften aber schon, lassen einen eine neue Entwicklung sehen. der zunehmende Mangel an verwertbarer Arbeitskraft (nicht jeder Arbeitslose ist verwertbar im Sinne der Arbeitgeberseite) schlägt sich jetzt auch auf die Zeitarbeitsbranche durch. Der große Lohnunterschied und das bisher so nützliche Sklaven-Image stört speziell die Kreise der Autoindustrie, die nach wie vor großes Interesse an

    billiger, aber hochwertiger Arbeitskraft hat. Um das gut funktionierende Ausbeutungsmodell zu retten, müssen sie "ihren" Leiharbeitern mehr zukommen lassen. Die bisherigen Modelle der Zuschläge reichen nicht mehr aus. Da kommt jetzt der neue Tarifvertrag ins Spiel...

    In der Auto- und Autozuliefer-Industrie sind langfristige Leiharbeitseinsätze normal und erwünscht. Der jetzt kommende 50%-Zuschlag stört da nicht, ersetzt er doch teils auch bestehende Zuschläge. Und der Leiharbeiter bleibt unterm Strich deutlich billiger.

    Für andere Branchen werden die notwendigerweise steigenden Stundensätze zu einer recht unerwünschten Sache. Schon jetzt ist absehbar, dass viele Betriebe ihre Einsatzzeiten auf 3 Monate begrenzen werden und das alte Leiharbeiterkarussell wieder in Gang gesetzt wird.

    Für den Zeitarbeiter bedeutet das, dass langfristige Einsätze nur in der Auto-Branche weiterhin zu haben sein werden. Also drängt es ihn dahin. E voilá, das Nachschubproblem an Arbeitskraft in der Autobranche ist schon behoben...

    Das neue Zuschlagsmodell ist natürlich auch ein weiterer Schritt weg vom Gedanken an Equal Pay. Wobei Equal Pay ja nicht nur gleichen Stundenlohn, sondern zuerst und vor Allem die gleiche Einstufung heißen muss. 4/5 aller Zeitarbeiter haben eine Facharbeiterqualifikation, aber mehr als die Hälfte von ihnen werden als einfachste Hilfsarbeiter bezahlt. Der eigentliche Beschiss liegt hier.

    Die IG Metall weiß das. Sie weiß es zu genau, denn es kommt erstaunlich häufig vor, dass Abteilungsleiter, die eine solche Einstufung vornehmen und über die Leiharbeiter regieren, gleichzeitig Betriebsrat sind (und eben diese Einstufung überprüfen müssten!) und gleichzeitig auch Funktionen in der IG Metall wahrnehmen.

     

    Beschiss, dein Name ist IG Metall!

    (Und der Rest der DGB-Meute schaut schwanzwedelnd zu!)

  • A
    Andreas

    Das sind Verbesserungen, aber man müsste schon den Basiswert kennen, um das einzuschätzen. Beim DGB-Lohn Zeitarbeit von €8,50 pro Stunde sind 50 Prozent 4,25 also €12,75. Für Ungelernte Kräfte unter 25 Jahren ist das gut, für qualifizierte Arbeitskräfte mit Berufserfahrung je nach Ausbildung wenig. Ich verstehe nicht, warum die Gewerkschaften diese Arbeitsformen nicht insgesamt angreifen. In der Industrie haben sie ja noch sehr hohe Mitgliederquoten in den Betrieben.

     

    Letztlich ist Leiharbeit doch im Kern ein Instrument, um Tariflöhne und die Gewerkschaftsbindungen aufzulösen. Jedenfalls sind die wenigsten Leiharbeiter in einer Gewerkschaft und gestreikt haben die auch noch nicht, jedenfalls habe ich davon nichts gelesen.

  • A
    Almosen

    Das die Innovationsfähigkeit der Betriebe nach und nach in die Tiefe gezogen werden, fällt aus lauter Gier den Managern auch nicht mehr auf. Mit prikärer Beschäftigungsformen wird man z.b.nicht gegen die stark aufkommenden Asiaten wie China bestehen können. Das haben die selber und noch eine viel größere Produktivität!

  • WR
    Weiße Rose

    Hoffentlich ist auch Wolfgang Clement zufrieden!

    Dieser SPD-Scherge hat zusammen mit Gas-Gerd die wichtigsten Arbeitnehmererungenschaften verraten und verkauft. Zudem hat er als Vorstand einer der größten Sklavenhändler-Unternehmen maßgeblich von den seinerzeit selbstkreierten Gesetzen profitiert.

  • H
    Holger

    Bei marktundmittelstand.de sieht man weitere Prognose: "Die weitere Entwicklung ist jedoch umstritten: Durch die sich eintrübende Konjunktur sieht Hagen Lesch, Tarifexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, im nächsten Jahr ein schlechteres Umfeld für weitere Lohnzuwächse. Lediglich die besonders vom Fachkräftemangel betroffenen Bereiche (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) könnten sich Hoffnungen machen." http://www.marktundmittelstand.de/nachrichten/strategie-personal/loehne-steigen-deutlich/

  • DM
    damalige Methoden

    Gestern in 3SAT ein Beitrag über die Arbeitslager im Dritten Reich.

    Die Industrie nannte die inhaftierten der KZ-Arbeitslager "Leiharbeiter".

    Aufgrund der Wirtschaft, die Fließbänder glühten und schoben Überstunden, Krieg an allen Fronten, mussten mehr heran geschafft werden.

    Den gerchten Lohn hätte die Industrie nicht zahlen können.

    http://www.3sat.de/page/?source=/dokumentationen/165398/index.html

     

    Ist es heute anders?

    Nein, die Justiz verhindert z.B. die Forderung einer rückwärtigen Auszahlung. Siehe Christliche Gewerkschaft Metall!

    Das große Kloster namens Deutschland.

  • H
    Horsti

    "Alle Beteiligten sind zufrieden"?

     

    Mit 30% weniger Lohn als die Festangestellten?

  • H
    Herbert

    Leiharbeit teilt die Sklaven nochmal in zwei Klassen.

    Passt irgendeinem Festangestellten deine Nase nicht, kann es sein, dass man nächste Woche nicht mehr gebraucht/angefordert wird.

    Zudem hebelt es den Kündigungsschutz aus.

     

    Mit dem Damokles Schwert Hartz 4 über dem Kopf arbeitet man sich dann den Ar*** ab, nur um dann z.b. im Winter einen Tritt in selbigen zu bekommen.

     

    Eine vernünftige Lebensplanung ist mit Leiharbeit nicht zu machen.

     

    Leiharbeit ist die Ausbeutung von Arbeitskraft in Perfektion.

    Ein geleaster Sklave quasi.

     

    Nie wieder sPD.

    Und CDU/CSUGrüneFDP schonmal garnicht.

  • Z
    Zuhälterei

    Zuhälterei, das ist Arbeitsverleih, daran ändert auch ein bisschen mehr für die Ausgebeuteten nichts.

     

    Der massive Sozialabbau der letzten Jahre wäre ohne diese Zuhälter nicht möglich gewesen.