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Leichtes Wachstum bei ReallöhnenEin Lichtblick bei den Gehältern

Erstmals seit zwei Jahren stiegen von April bis Juni die Reallöhne in Deutschland wieder leicht. Das ist auch gesamtwirtschaftlich gut.

Nach Monaten inflationsbedingten Sparens kann der Einkaufbeutel wieder mehr gefüllt werden Foto: Michael Gstettenbauer/imago

Berlin taz | Zuerst kam Corona, dann die Energiepreiskrise. Zuerst drückten Kurzarbeit und schlechte Tarifabschlüsse auf die Kaufkraft der Beschäftigten, dann die horrende Inflation. Doch haben sich die Vorzeichen geändert: Um 0,1 Prozent stiegen von April bis Juni die Reallöhne im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, gab das Statistische Bundesamt am Dienstag bekannt. Nicht viel, aber immerhin der erste Reallohnzuwachs seit zwei Jahren. Ob nun aber bessere Zeiten für die Beschäftigten anbrechen, ist unter Ex­per­t*­in­nen keine ausgemachte Sache.

Mit einem Plus von 6,6 Prozent legten die Löhne und Gehälter im zweiten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahresquartal stärker zu als die Preise, die um 6,5 Prozent stiegen. Lange Zeit war es andersherum, weshalb die Löhne real sanken. Im vergangenen Jahr war die Diskrepanz zwischen den extrem hohen Inflationsraten und der Lohnentwicklung sogar so groß, dass die Kaufkraft der Beschäftigten um 4 Prozent zurückging. Das war der höchste Reallohnverlust seit Beginn der Messung im Jahr 2008. Auch 2020 und 2021 mussten die Beschäftigten Reallohnverluste hinnehmen, nur im zweiten Quartal 2021 stiegen die Reallöhne kurzzeitig.

Die Lohnentwicklung ist nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch gesamtwirtschaftlich relevant. Denn an ihrer Kaufkraft hängt die private Nachfrage, die wiederum ein wichtiger Faktor für das Wirtschaftswachstum ist. So gilt die im Zuge der Inflation zurückgegangene Nachfrage auch als ein wichtiger Grund für die Rezession im Winterhalbjahr.

Deshalb schätzen Öko­no­m*in­nen die jüngste Entwicklung bei den Reallöhnen positiv ein: „Die Konjunkturaussichten für die deutsche Wirtschaft sind besser als die aktuelle Stimmung. Die heute gemeldeten Daten zur Lohnent­wicklung bestätigen die Einschätzung, dass der private Konsum eine moderate konjunkturelle Erholung tragen dürfte“, sagte die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. Zum Jahresende sei sogar mit einer deutlicheren Erhöhung der Reallöhne zu rechnen. Getrieben durch die hohen Preis­steigerungen und den Fachkräfte­mangel erhielten Arbeitnehmende in diesem Jahr die höchsten nominalen Lohnsteigerungen seit 30 Jahren.

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung bewertet den jüngsten Reallohnanstieg ebenfalls als positiv, ist aber verhaltener, was die Entwicklung angeht: „Die Stabilisierung der Reallöhne ist erfreulich – sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie noch weit davon entfernt sind, den herben, inflationsbedingten Einbruch vom Vorjahr wieder aufzuholen“, sagt WSI-Entgeltexperte Malte Lübker. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2019, also der Zeit vor der Coronapandemie, seien die Reallöhne sogar um 5,6 Prozent gefallen.

Als „kleinen Lichtblick“ führt Lübker an, dass die deutlichsten Nominallohnzuwächse bei Beschäftigten mit geringen Verdiensten zu beobachten sind – also genau bei denjenigen, die von der Inflation besonders stark betroffen sind. „Dazu hat auch die Mindestlohnerhöhung im Oktober 2022 beigetragen“ so der Lohnexperte.

Unterdessen stellt der schwache Konsum auch für die Öko­no­m*in­nen vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine „erhebliche konjunkturelle Belastung“ dar. Sie gehen in ihrer am Dienstag veröffentlichten Konjunkturprognose davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um fast 0,5 Prozent schrumpft. Gründe für die Rezession sind danach neben dem mangelnden Konsum auch steigende Zinsen sowie die schwächelnde Weltwirtschaft.

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2 Kommentare

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  • "Um 0,1 Prozent stiegen von April bis Juni die Reallöhne im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, gab das Statistische Bundesamt am Dienstag bekannt."

    Naja, das ist dann auch wieder nur der deutsche Durchschnitt?

    Welche Art Jobs bzw in welchen Branchen gab es ein sattes Plus?



    Und in welchen sinken die Reallöhne weiterhin?



    Das wäre die Frage, die jetzt politisch interessant ist. Ich seh das Ganze so ähnlich wie "PHILIPPO1000", aber diese eine kleine Nuance scheint mir zu wichtig, um sie zu übersehen - die Gruppe, die IMMER NOCH mit sinkenden Reallöhnen zu tun hat, sollte zumindest näher bestimmt werden:



    Sind das Leute in bestimmten Branchen? Leute mit bestimmten Lohniveaus? So oder so sind es nämlich höchstwahrscheinlich[*] Leute, die in Jobs arbeiten, wo der Prekarisierungsdruck überdurchschnttlich ist. Hier kann man vermutlich gut erkennen, wo der Staat akut gefragt ist, um eine bestehende soziale Unausgewogenheit zu bekämpfen, die direkt oder indirekt allein Kapital und Faschismus nutzt.

    [*] Außer wenn der Reallohnrückgang nur noch selektiv die Bestbezahlten trifft.



    In dem Fall ist es nicht Aufgabe des Staats, einzugreifen, sondern des DGB.

  • Hey!



    Ein positiver Bericht über Löhne!



    Das ist ja mal was ganz Ausgefallenes!



    Bei dem gewohnten Gemecker, das üblicherweise auf Alles folgt, was die Regierung so macht, ist dies ein überraschender Bericht.



    Die Steuerfreien Sonderzulagen wurden von Unternehmen, wie Arbeitgebern gerne genutzt.



    Die Zulage beim Bürgergeld und die Mindestlohnerhöhung stärkte besonders Diejenigen mit geringem Einkommen. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung, die, wie zu hören ist, im nächsten Jahr auch fortgesetzt wird.



    Anders als der Autor des Artikels betrachte ich die Ausweitung der Kurzarbeit.



    Natürlich war dies kurzfristig eine Lohneinbuße.



    Allerdings wurden in den USA während Corona eben mal ein paar Millionen Menschen entlassen.



    Demgegenüber ist eine zeitweise Lohneinbuße sowohl das Individuum, als auch die Volkswirtschaft betreffend, zu verschmerzen und das deutlich sozialere und zukunftsorientiertere Instrument.



    Rezession ist, im Übrigen, ein großes Wort für die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung...