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Leichtere Anwerbung von FachkräftenErfahrung statt Zertifikate

Das Kabinett will Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung beschließen. Die Diskussion vermischt sich mit der Debatte über Einbürgerungen.

Fachkräfte, wie diese Auszubildende in der Metallindustrie, werden dringend gesucht Foto: Rupert Oberhäuser/imago

Berlin taz | Für Menschen, die einen Job suchen, soll es künftig leichter werden, nach Deutschland zu kommen. Die Ampelregierung will am Mittwoch Eckpunkte eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschließen. Demnach sollen Verfahren beschleunigt, Hürden gesenkt und ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild eingeführt werden. Man wolle einen „Kulturwandel hin zu einem – international konkurrenzfähigen – Einwanderungsland für Fachkräfte auch aus Drittstaaten“.

Bislang beharrt Deutschland darauf, dass Ar­beits­mi­gran­t*in­nen aus Drittstaaten nur herkommen dürfen, wenn sie eine Berufsqualifikation nachweisen, die „gleichwertig“ zu einem hiesig erworbenen Abschluss ist – und dann auch nur diesen Beruf ausüben. Das soll sich ändern: Wer eine anerkannte Qualifikation hat, soll künftig auch anderen qualifizierten Beschäftigungen nachgehen dürfen, solange es sich nicht um einen reglementierten Beruf wie etwa Arzt handelt. Auch soll es leichter werden, nur mit teilweiser Anerkennung einzureisen und den Rest der Prozedur dann von Deutschland aus nachzuholen.

Und die Ampel geht noch weiter: Künftig soll es sogar Möglichkeiten geben, ganz ohne einen hier anerkannten Abschluss nach Deutschland einzureisen. Voraussetzung dafür ist eine mindestens zweijährige und nachweisbare Erfahrung in jenem Beruf, der in Deutschland ausgeübt werden soll. Zwar müssen die Betreffenden einen staatlich anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss aus ihrem Heimatland vorlegen – die Gleichwertigkeitsprüfung aber entfällt.

Deutlich leichter werden soll es auch, einzureisen und dann erst auf Jobsuche zu gehen. Dafür will die Ampel eine sogenannte Chancenkarte mit einem „transparenten unbürokratischen Punktesystem“ einführen. Wie genau diese aussehen soll, und wie viele Punkte man für diese „Chance“ braucht, dazu steht in den Eckpunkten noch nichts. Aber zu den Kriterien sollen „Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter“ gehören. Wer einen anerkannten Abschluss hat, soll die Chancenkarte in jedem Fall bekommen.

Bedarf von 400.000 Arbeitskräften pro Jahr

Anders als bei der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts hat die FDP diesmal keine Einwände. Deren Innenexperte Konstantin Kuhle nannte am Dienstag das Fachkräfteeinwanderungsgesetz einen Schritt nach vorn. Deutschland brauche mehr reguläre und weniger irreguläre Einwanderung. Deshalb solle man zunächst über Einwanderung und erst danach über Einbürgerung reden.

Der Berichterstatter der SPD-Fraktion für Fachkräfteeinwanderung und Staatsangehörigkeit, Hakan Demir, rechnet auch von Seiten der Union kaum mit Widerstand: „Wenn es um ökonomische Interessen und Arbeitskräfte geht, sind Union und FDP in der Regel sehr zugeneigt.“

Ex­per­t*in­nen zufolge braucht Deutschland jährlich rund 400.000 Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland, um den demografischen Wandel auszugleichen. Demir betonte, es gehe nicht allein um gut qualifizierte IT-Spezialisten. „Händeringend gesucht werden auch Lkw-Fahrer:innen, Köch:innen, aber auch Hilfskräfte.“

Gülistan Yüksel, SPD-Berichterstatterin für Integration, warnt davor, die Themen Einbürgerung und Fachkräfteeinwanderung miteinander zu vermengen. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, so Yüksel zur taz. Beim Thema Einbürgerung gehe es insbesondere um Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben. Die Erleichterung von Einbürgerungen sei „dringend geboten“. „Integration bedeutet für mich Teilhabe mit gleichen Rechten und Pflichten. Dazu gehört auch politische Teilhabe“, so Yüksel.

Yüksel selbst kam im Alter von acht Jahren nach Deutschland, durfte aber erst mit 35 Jahren zum ersten Mal wählen. Sie erwarte von der FDP konstruktive Gespräche zur Umsetzung des Koalitionsvorhabens, sagte sie.

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8 Kommentare

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  • Fachkräfteeinwanderung!



    Sehr gut. Wen hat man da im Auge?



    Russen für die IT? Chinesen?

    Was mich aber wundert ist, dass sich offenbar niemand Gedanken darüber macht, wo denn diese Leute wohnen sollen? Berlin ist dicht, nein oberdicht.

    Deren Kinder müssen in die Kita oder Schule. Das kann gar nicht klappen.



    Medizinische Versorgung - Berliner dürfen also dann noch länger auf einen Termin warten? Bürgeramt? Hahaha.

    Letztlich ist es das Pferd von hinten aufzäumen. Erst müssen die Grundvoraussetzungen geschaffen werden, erst dann sieht man weiter.



    Das scheint bei den Politikern aber nicht angekommen zu sein. Die planen lustig drauf los.

    Warum brauchen wir diese Fachkräfte? Weil wir Wachstum wollen.



    Früher gab es Betriebswohnungen. Das Modell sollte wieder forciert werden.

    EINEN WIRKLICHEN PLAN HAT DIESE REGIERUNG NICHT!

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Wäre wünschenswert, diese Anforderung auch bei Ministerämtern anzuwenden!

  • Verzweifelt sucht eine dahinsiechende , vielen lästig gewordene FDP nach Themen, wo sie wieder punkten können. Und wie das so ist in der Polizik, läuift das über die Schiene Populismus. Wollten sie vorher ihrer Unternehmer-Klientel möglicht rasch und problemlos im Ausland gut ausgebildete Fachkräfte zuführen, (was erwiesenermaßen schwerer wird, weil die Aussichten, besser zu leben, hierzulande nicht mehr so attraktiv sind) , geht es jetzt, im Trüben zu fischen und anszusetzen aus der Not und Erfahrung der Menschen, die hierzulande -besonders im Osten- aussortiert wurden zugunsten besser motivierten Zuwandereren, insbesondere aus dem Osten und Südosten Europas. Da fischt die 'neue' FDP im trüben Wasser der Rechten gemeinsam mit Herrn Merz.

  • Gute Einwanderung und schlechte Einwanderung.

    Schlechtes Menschenbild?

  • In der Diskussion um Fachkräfte aus dem Ausland wird nie darüber gesprochen, dass diese Fachkräfte in ihren Herkunftsländern meinst auch dringend gebraucht werden, siehe weltweiter Mangel an Pflegekräften.

    Sie sind in ihren Heimatländern oft hochqualifiziertes Personal zum Beispiel für die Intensivpflege, werden seit 2 Jahren aber von Headhunterfirmen mit vollkommen unrealistischen Gehaltsmärchen und der Lüge, dass man in 3 Monaten (die ausgesprochen schwere Sprache) Deutsch lernen könnte, nach Deutschland gelockt und dann als Hilfskräfte im Altenheim verheizt.

    Das System ist eine Form von modernem Kolonialismus und dient nur dazu, in vielen schlecht bezahlten Branchen weiter Lohndumping zu betreiben.

    Eine der reichsten Gesellschaften der Erde, sollte in der Lage sein, ihr Personal für alle gesellschaftlich relevanten Bereiche selbst auszubilden, anstatt sie sich auf dem Weltarbeitsmarkt zusammenzuklauen.

    Heist die Flüchtlinge aus Afrika, Syrien und der Ukraine endlich wirklich willkommen, bildet sie aus und einige werden dableiben und den deutschen Arbeitsmarkt und die deutsche Kultur bereichern. Die müssen dann irgendwann eingebürgert werden und zwar mit Doppelpass! Einem Menschen seine Wurzeln zu nehmen, ist nähmlich unwürdig.

    Andere werden auch zurückgehen wollen, das ist dann Kultur- und Wissenstransfer in die andere Richtung, man könnte auch sagen Entwicklungshilfe vom feinsten.

    • @Tinus:

      Vollkommen richtig.



      Es gibt in zb Nigeria Millionen von jungen Menschen die ein abgeschlossenes Studium und eine zusätzliche Ausbildung ereicht haben. Es wurde nur hier nicht anerkannt. Viele Jahre hat die deutsche Regierung alles dafür getan, um Fachkräfte aus dem Ausland eher abzuschrecken. Riesige Hürden, Kosten, keine Anerkennung von Abschlüssen, usw..



      Und die die es tatsächlich bis hier hin geschafft haben, werden in Jobs gesteckt die hier keiner machen will. Es gibt auch in Afrika gut ausgebildete Fachkräfte die keinen in Deutschland anerkannten Master vorlegen können.



      Nach all dem Mist den die Ampel bisher verursacht hat und all den schlechten Nachrichten... endlich eine gute ..

  • 6G
    654238 (Profil gelöscht)

    Fachkräfteeinwanderung?



    Weltkriege: Enteignete und Vertriebene.



    Nachkriegszeit: Gastarbeiter Italien, Spanien, Türkei,



    Kalter Krieg Zeit: Ägypten, Marokko, Griechenland, Türkei, Ostdeutschland



    Wendezeit: Ostdeutsche, Spätaussiedler, Ostblock



    Heute: Fachrkäftemangel?

    Ja ne ist klar. Frage: Wer ist dann Brückenbauer/in oder Spaltschliesser/in?



    Quellen? www.bpb.de/shop/ze...-und-perspektiven/ oder www.wiwo.de/erfolg...thos/20504844.html



    oder karrierebibel.de/fachkraeftemangel/

    Ursachen sind die welche Nicht Handelten und die, die aus Gewinnen der Arbeit nicht bis nichts investieren und ausbildeten. Genauso wie die Arbeitsbedingungen in denen "Fachkräfte" fehlen. Oder fehlende Ausbildungplätze: www.handelsblatt.c...gibt/28811004.html

    Lesen bildet: www.beltz.de/filea...-3-7799-3540-7.pdf



    oder 1990? www.amazon.de/Armu...ilfe/dp/3894043032

    • @654238 (Profil gelöscht):

      Stimmt nur Ansatzweise. Gegen den fehlenden Nachwuchs kann die beste Ausbildung und Förderung nicht helfen.



      Fachkräfte fehlen, weil es eben ab 67 in Deutschland die Rente gibt. Sie dir die aktuelle Alterspyramide von Deutschland an.

      commons.wikimedia....orld_Factbook).png

      Es ist absolut logisch, das wenn jede deutsche Familien im Durchschnitt genau 1,2 Kinder hat.



      Wo nichts ist kann man nichts ausbilden