Lehrkräftemangel in Deutschland: Bis zu 40.000 Lehrer*innen fehlen
Bildungsverbände warnen zum Beginn des Schuljahrs vor einem besonders hohen Lehrkräftemangel. Bundesländer streichen bereits Unterrichtsangebote.
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Die Schwierigkeiten, Stellen mit voll ausgebildeten Lehrkräften zu besetzen, haben sich „im Vergleich zum Vorjahr noch einmal deutlich verschärft“, betonte auch Maike Finnern, die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Udo Beckmann, der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung, führt weiter aus: „Unterrichtsausfall gleich zu Beginn des Schuljahres ist bereits Tatsache, größere Lerngruppen, Zusammenstreichen von Förderangeboten, Kürzung der Stundentafel und so weiter, sind an der Tagesordnung.“
In 11 der 16 Bundesländer hat das Schuljahr inzwischen begonnen. Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland folgen nächste Woche, in der Woche darauf geht's in Bayern und Baden-Württemberg wieder los. Traditionell sind die beiden Südländer bei den Sommerferien die letzten.
In Bayern hieß es schon kurz vor den Sommerferien, dass im neuen Schuljahr Unterrichtsangebote gestrichen werden müssten, um genug Pädagog*innen als Klassenleiter*innen zu haben. In der Bundeshauptstadt Berlin begann das Schuljahr mit so vielen Schüler*innen wie nie, bei gleichzeitig 875 fehlenden Lehrkräften. Aus Sachsen hieß es zum Schuljahresbeginn von Kultusminister Christian Piwarz (CDU): „Insgesamt bleibt die Lage bei der Unterrichtsversorgung angespannt“.
Für die Zukunft planen
Lehrer*innenverbandspräsident Meidinger sagte, die bis zu 40.000 unbesetzten Lehrerstellen seien zwar eine Schätzung, da noch nicht in allen Ländern die Schule wieder begonnen habe. „Die bisher bekannten Zahlen sind aber dramatisch“, fügte er hinzu.
Wie VBE-Chef Beckmann spricht auch Meidinger von Unterrichtsausfällen, gekürzten Stundenplänen, gestrichenen Zusatzangeboten bereits zum Schuljahresbeginn. In Deutschland gibt es mehr als 800.000 Lehrkräfte an Schulen und Berufsschulen.
Die KMK setzt „derzeit einen wesentlichen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Fachkräftegewinnung“, wie deren Präsidentin Karin Prien (CDU) auf Nachfrage erklärte. Als mögliche kurzfristige Maßnahmen zur „Sicherstellung der verlässlichen Unterrichtsversorgung“ nannte sie den Einsatz von Vertretungslehrer*innen und „im Einzelfall auch eine Zusammenlegung von Schulklassen“.
Sie fügte hinzu: Man müsse nicht nur in einzelnen Jahren oder Wahlperioden denken, sondern die Entwicklung der Bildung auf zehn, zwanzig Jahre in die Zukunft denken.
Lieber zu viel als zu wenig
Das fordern Lehrer*innenverbände schon lange. Die Länder sollten ihrer Ansicht nach über Bedarf ausbilden und auch einstellen, um dem „Schweinezyklus“ entgegenzuwirken – ein Begriff aus der Wirtschaftswissenschaft: Wird mehr Schweinefleisch nachgefragt, weil sich Essgewohnheiten ändern oder die Bevölkerung wächst, wird in Schweinezucht investiert. Wenn schließlich mehr Schweine auf dem Markt sind, ist die Nachfrage vielleicht schon wieder gesunken. Dann gibt es ein Überangebot. Entsprechendes Nachsteuern in die andere Richtung führt in einiger Zeit wieder zum Mangel und so weiter.
Würde bei Lehrkräften über Bedarf ausgebildet und eingestellt, so die Idee, wäre bei steigender Schüler*innenzahl genügend Personal da. Sinkt der Bedarf wieder und die Stellen werden nicht wieder abgebaut, könnte das „Überangebot“ für Qualitätsverbesserungen genutzt werden und stünde dann bei steigenden Zahlen wieder bereit.
Allerdings beantwortet das nicht die aktuell brennende Frage: Wo soll das Personal herkommen? Ausgebildet und eingestellt werden können nur so viele Lehrkräfte, wie potenziell da sind, und es konkurrieren viele Branchen um Nachwuchs.
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