Lehrkräftebildung in Berlin: „Lernen, eine gute Lehrerin zu sein“

LehrerInnen lernen kaum, wie man sensibel mit Themen wie Diskriminierung umgeht, kritisiert die studentische Initiative Kreidestaub.

Hust, hust, Kreidestaub: Sollte das nicht schon längst digital gehen? Foto: Julian Stratenschulte/dpa

taz: Frau Ganten, Sie sind Lehramtsstudentin und engagieren sich in der Initiative Kreidestaub, die die Ausbildungsbedingungen von LehrerInnen in Berlin verbessern will. Was läuft denn schief?

Maria Ganten: Ein ganz grundsätzliches Problem ist, dass in Berlin das Lehramt nur eine Option in den fachwissenschaftlich ausgerichteten Studiengängen ist. Nach dem Bachelor kann man also auch die Wissenschaftsschiene weiterverfolgen. Wir trauen den jungen Menschen aber zu, dass sie wissen, was sie wollen, wenn sie ein Studium beginnen. Wir wünschen uns einen stärkeren Schwerpunkt auf dem Lehramt.

Was heißt das konkret? Fehlt es an didaktischen Inhalten, also wie man das Lernen lehrt?

Nee, das ist ja auch immer fachbezogen. Wir fragen eher: Was ist eigentlich mit Themen wie Inklusion, was ist mit Demokratiebildung? Was ist mit ­diskriminierungskritischer Bildung? Wenn man Glück hat, hat man mal Dozierende, die sich damit beschäftigt haben. Wenn nicht, dann kommen diese Themen im Studium so gut wie nie vor. Wir fragen auch: Was ist mit dem Riesenthema Schulentwicklung?

Die studentische Initiative Kreidestaub e. V. organisiert Workshops und Tutorien zu Themen, die im Lehramts­studium zu kurz kommen, und macht Vernetzungsarbeit. Rund 40 Studierende sind in der Berliner Gruppe der bundesweit aktiven Plattform organisiert und betreiben unter anderem auch einen Podcast.

Für Freitag und Samstag lädt Kreidestaub zum Lehramtsfestival in die Evangelische Schule Berlin Zentrum, Wallstr. 32 in Mitte. Auf dem Programm stehen Workshops, u. a. mit der Kiga und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, sowie eine Podiumsdiskussion mit Ex-Staatssekretär Mark Rackles (SPD). (taz)

Was ist damit?

Das ist etwas, was wir uns bei Kreidestaub jetzt selbst zu vermitteln suchen. Zum Beispiel hospitieren wir deutschlandweit an Schulen, die innovativ arbeiten. Wir wollten lernen: Wie arbeiten gelingende Schulen im wirklichen Leben? Welche Lösungen finden KollegInnen, um sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinanderzusetzen? Das organisieren wir in unserer Freizeit. Wir finden aber: Das sollte Teil des Studiums sein.

Sie sagen: gesellschaftlich relevante Themen. Und meinen damit genau was?

Diskriminierungssensibilisierung, zum Beispiel: Wie bewusst mache ich mir als Lehrerin die Abhängigkeitsverhältnisse, die Schule mit sich bringt. Ich bin eine weiße Lehramtsstudentin aus einem bildungsnahen Elternhaus. Mit was für einer Haltung komme ich in eine Klasse, die einen ganz anderen Hintergrund hat – wenn da Lebenswelten sind, die ich nicht nachvollziehen kann? Was ist dann ein sensibler Umgang damit? Natürlich muss ich mir darüber Gedanken machen! Und ganz grundsätzlich: Rassismus, Sexismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten – wie gehe ich damit in einer Klasse um?

Man ist ja nicht nur Lehrerin, sondern auch Mensch: Hat man da nicht einen bestimmten Kompass, wie man solche Themen mit jungen Menschen verhandelt?

Ich weiß vielleicht, wie ich mich politisch positionieren kann vor der Klasse. Das heißt aber nicht, dass ich weiß, wie ich demokratische Prozesse in meiner Klasse gestalte. Was fehlt, ist ein reflektierter Umgang mit Praxiserfahrung.

Es gibt doch inzwischen das Praxissemester im Masterstudium, wobei Studierende ein Semester lang in die Schulen gehen und selbst unterrichten dürfen.

Aber das wird in der Uni nicht wirklich aufgearbeitet. Die Verknüpfung zwischen dem, was ich erlebt habe, was ich daraus konkret mache und wie ich das mit Theorie verbinde, findet nicht statt.

Es gibt zahlreiche Weiterbildungsangebote: „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ zum Beispiel, das Antisemitismusprojekt „Demokratie stärken!“ …

Ich würde gerne sehen, dass die außerschulischen Angebote noch stärker vernetzt werden mit dem, was in der Uni passiert oder auch später an den Schulen. Es gibt viel Expertise, die aber nicht ankommt, weil sie nicht fest verankert ist in den Strukturen. Es gibt lediglich ein Wahlmodul im Master an der Freien Universität, wo man zum Beispiel Themen päda­gogischer Beziehungsarbeit belegen kann. Das müsste mehr sein.

Die Frage, wie kompetent Lehrkräfte mit Mobbing und Diskriminierung umgehen, wird immer wieder dann heiß diskutiert, wenn etwas passiert …

Ja, und ich glaube ja, die Lehrkräftebildung kann da viel machen. Natürlich kann man lernen, eine gute Lehrerin zu sein! Das wollen wir auch auf dem Festival am Wochenende thematisieren: Die Kiga …

… die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus …

… genau, die ist ja auch regelmäßig in den Schulen unterwegs, oder die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus; von denen können wir viel lernen. An der Freien Universität gibt es einen sogenannten Lehramts-Plus-Bereich, da gibt es solche Angebote. Da bekommt aber kaum einer etwas von mit, das läuft außerhalb des Curriculums.

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