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Lehrern die Luft rauslassen

Staatsrat legt neue Quoten für Lehrer-Abbau fest: Rund 500 Stellen sollen bis zum neuen Schuljahr im August entfallen. Gesamtschulen und Integrierte Haupt- und Realschulen sollen mit minus acht Prozent am stärksten belastet werden

von KAIJA KUTTERund SVEN-MICHAEL VEIT

Das eine sagen, das andere tun. Die Pläne von Jesteburg, frei werdende Lehrerstellen nicht wieder zu besetzen, sind mitnichten vom Tisch. Nach taz-Informationen legte Staatsrat Reinhard Behrens den Amtsleitern in der Schulbehörde gestern Einsparquoten vor, durch die der Stellenplan bis zum Schuljahresbeginn im August auf 13.600 eingedampft werden soll (Kasten).

Am stärksten betroffen sind die Gesamtschulen, die acht Prozent ihrer 2666 Stellen abbauen sollen. Eine ebenso hohe Quote trifft die Integrierten Haupt- und Realschulen (IHR). Vom Stellenabbau ausgenommen werden Hamburgs 116 Grundschulen. Hier findet die Verschlechterung dennoch statt, denn für zusätzliche Schüler werden eigentlich 108 Lehrer gebraucht.

Schulbehördensprecher Andreas Fromm wollte die Zahlen gestern auf Anfrage „weder dementieren noch bestätigen“. Der Auftrag zur Haushaltsbildung sei gerade erst ergangen, „es gibt noch kein Papier dazu“, so Fromm. Allerdings bestätigte er, dass aus dem Stellenplan „die Luft rausgelassen wird“. Fromm: „Die lässt sich von alleine raus. Jedes Jahr scheiden rund 560 Lehrer aus.“ So soll die Zahl der tatsächlich finanzierten Stellen von derzeit 13.750 auf 13.600 im August gesenkt werden. Da es real aber 13.945 Lehrer gibt, können weitere Stellen nicht wieder besetzt werden. Deshalb führt dieBehrens-Quote sogar zur Übererfüllung dieses Ziels: Ein Abbau zwischen 500 und 545 Stellen. Vermutlich soll so ein Teil der 25,6 Millionen Euro aufgebracht werden, welche die Behörde in den nächsten beiden Jahren an den Finanzsenator zurückzahlen muss.

Die Quoten tragen der Mär von der angeblichen Bevorzugung der Gesamtschulen Rechnung, ignorieren dabei aber, das dieses Schulsystem bereits in der vergangenen Legislatur 118 Stellen abgeben musste und auf ganz andere Weise Kosten spart. Weil Gesamtschüler nicht sitzen bleiben können, sind sie im Schnitt ein halbes Jahr kürzer in der Schule und sparen der Stadt so 150 Lehrerstellen ein.

Gefährdet ist auch die Arbeit der Integrierten Haupt- und Realschulen, die ebenfalls mehr Chancen für einen guten Abschluss bieten. „Eine Katastrophe. Für uns bedeutet dies eine Reduzierung auf den Grundunterricht“, sagt Rudolf Kurz (Name geändert), Leiter einer IHR-Schule. Kurz hat für die taz hamburg nachgerechnet, wie sich Behrens‘ Quotenregelung auf seine Schule und das knapp 40-köpfige Kollegium auswirken würden: „Rein rechnerisch eineinhalb Lehrer weniger.“

Da aber die Stundenzahl für die Schüler nicht reduziert wird, muss Kurz irgendwo streichen. „Das geht dann zu Lasten der Förder- und Differenzierungsstunden“, seufzt er. Von den wöchentlich 43 Lehrerstunden pro Klasse sind im IHR-Modell sieben Stunden vorgesehen, in denen Klassen nach lernstarken und lernschwachen Schülern aufgeteilt werden. Diese Angebote würden sich künftig halbieren: „Mehr als eine Stunde Mathe, Deutsch und Englisch pro Woche ist dann nicht mehr drin“, hat Kurz errechnet, in anderen Fächern gebe es diese Förderstunden wohl gar nicht mehr.

Auch erhöhten Unterrichtsausfall prophezeit der Schulleiter. Krankheit eines Kollegen konnte bislang durch Verzicht auf eine Teilungsstunde aufgefangen werden: „Dann wurde eben die ganze Klassen von einem Kollegen unterrichtet.“ Zwar sei das nicht im Sinne des Erfinders, aber manchmal sei es nicht anders gegangen: „Wir haben doch eh schon weniger Lehrer, als wir eigentlich bräuchten.“ Ohne diese stille Reserve aber könnte künftig nicht einmal dieser Standard gehalten werden, befürchtet Kurz.

An den Stundenplan für das nächste Schuljahr, dessen Konzipierung in den nächsten Wochen ansteht, mag er „lieber gar nicht denken“. Die neue Quotenkürzung, sagt Kurz, „bringt das ganze IHR-Modell zum Kippen. Das wars dann wohl.“

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