Lawrow, Atomkraft und Ferda Ataman: Lasst uns fröhliche Kartoffeln sein!
Bald fordert Kiew die Lieferung schwerer Pranks an die Ukraine. Die Deutschen fürchten derweil den garstigen Gaswinter. Außerdem: Kraut, Spaghetti und Kartoffeln.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Andrij Melnyk geht.
Und was wird besser in dieser?
Seiner Nachfolge gegenüber erhöhte Interviewbereitschaft.
Boris Johnson ist als Parteichef und Premierminister zurückgetreten. Was wird von seinem Politikstil bleiben?
Der Brexit getting done von einem, der kurz vorher noch dagegen war. Schon seit Trump herrscht Uneinigkeit, was der Typ Gruselclown Pennywise in der Politik zu suchen hat; die wird anhalten.
Atomkraft und Gas deklarierte das EU-Parlament als nachhaltig. Ist das eher klima- oder investorenfreundlich?
Wer in Atom oder Gas investiert, wird von dieser neuen Taxonomie belohnt – auch wenn Österreich und Luxemburg noch ohne große Aussicht dagegen klagen wollen. Beim Gas sind die Folgeschäden mittelbar: mehr CO2. Beim Atom endet, wissenschaftlich betrachtet, die Zuständigkeit einzelner Nationen: Ein möglicher Unfall zöge in Europa immer Schäden in anderen Nationen nach sich. Ein trauriger Moment, da gerade auch glühende beziehungsweise eben noch nicht glühende Europäer denken: Einmal wäre ein Vetorecht doch gut gewesen.
Die russischen Komiker, die hinter dem Klitschko-Fake stecken, räumten ein, über Rutube finanziert zu werden, ein Tochterunternehmen von Gazprom. Ist mit solchen Scherzen nach der geplanten Wartung der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream Ende Juli Schluss?
Die „Tagesschau“ bemüht das „Nato-Exzellenzzentrum für Strategische Kommunikation“ zur kriegswichtigen Witzanalyse. Bald wird Kiew die Lieferung schwerer Pranks an die Ukraine fordern und Olaf Scholz für die „heute-show“ antworten, man sei gerade in Sommerpause und brauche die Kracher im Rahmen der Bündnisbespaßung selber. Allerdings könnte ein Kontingent älterer Häschen- und Friesenwitze über Polen verlegt werden. Man könnte den drittklassigen Punkt für die russische Propaganda auch einfach wegatmen. Und sich heiter-melancholisch besinnen, wie man vergleichbare Mittel dufte fand, solange „mit nachrichtendienstlichen Mitteln“ ein Rechtsextremist aus der österreichischen Regierung gescherzt wurde.
Die Ampel verabschiedet sich in die Sommerpause und hinterlässt den Deutschen ein 30 Milliarden Euro schweres Entlastungspaket. Können wir damit alle mal die Sonne genießen?
Die Regierung hat einen Eimer bunter Smarties über uns ausgeschüttet und kann im Herbst gucken, was Wirkstoff und was Placebo war: Das 9-Euro-Ticket funktioniert, die Spritsteuer ist ein teurer Witz; wer einen Job hat, spart an der Energiepauschale mehr als Arbeitslose an einer kargen Einmalzahlung. Schon dräuen düstere Ahnungen von neuerlichem Coronaherbst und garstigem Gaswinter.
Die Fußball EM der Frauen ist eröffnet worden, und die Zuschauer*innenzahlen wachsen stetig. Wann wird Frauenfußball einfach Fußball heißen dürfen?
Easy. Wenn wir uns ans Sprachschlagloch „Frauschaft“ gewöhnt haben.
Die Politologin und Publizistin Ferda Ataman wurde zur Antidiskriminierungsbeauftragten der Bundesregierung gewählt. Die Personalie wurde kontrovers diskutiert. Dürfte man Sie als Kartoffel bezeichnen?
Ich bitte darum. Etymologisch adelt uns das zu Verwandten des Trüffels – tartuffulo. Und historisch ist es wohl verdiente Rache italienischer Zuwanderer für die „Spaghettifresser“-Schmähungen in den 60er Jahren. Arme Siedler aßen Kohl, und Matrosen bunkerten Sauerkraut gegen den Skorbut. So entstand der Kosename „Kraut“. Der Spott über eine Volksgruppe – „Ethnophaulismus“ wurde mit trotzigem Humor zum „Geusenwort“, zum Trotzwort erhoben. Wie „schwul“ oder „Pirat“ oder eben auch „Kanak“. Lasst uns fröhliche Kartoffeln sein.
Der russische Außenminister Lawrow verließ den G20-Gipfel vorzeitig und flog zurück nach Moskau. Hätte er gleich zu Hause bleiben sollen?
Die Choreo war, dass Lawrow als 18. Redner austeilt und Baerbock als 19. ihn dafür abstraft. Das ging so schön schief, dass man nun die Choreo anstelle der Choreo bestaunen darf: Russland hat die gewünschte Opferrolle, der Westen mal wieder kaum noch aushaltbar recht. Gesagt wurde trotzdem von allen alles, G20 wurde ein weiteres Symbol der Unverhandelbarkeit und nicht das erste für Hoffnung.
Und was machen die Borussen?
Nachdem Bild alarmierte, Einbrecher spionierten mit Drohnen die Häuser von BVB-Spielern am Phoenixsee aus, wissen jetzt wirklich alle, wo die wohnen.
Fragen: Sean-Elias Ansa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen