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Lauern auf den Nebensatz

„Starbuck“ und Kaffee: Wie der Filmemacher Gerd Conradt in Berlin seinen Bildband über Holger Meins vorstellte

In der Caféteria der Deutschen Film- und Fernsehakademie im Sonyhochhaus am Potsdamer Platz stellte der Filmemacher Gerd Conradt am Donnerstagmorgen sein Buch über Holger Meins vor. Conradt, der eher dem subkulturellen Flügel der 68er nahe stand, war vier Jahre lang mit Holger Meins befreundet gewesen, bevor der den kierkegaardschen „Sprung“ (Conradt) in den bewaffneten Kampf wagte und später wie Che Guevara zur Christusikone wurde. Davor war Meins Fotograf, Maler, Künstler und, zusammen mit Harun Farocki und Gerd Conradt, Filmstudent des ersten Studienjahrs an der DFFB gewesen.

Conradts großformatiges Bilderbuch über Holger Meins heißt „Starbuck“ – nach einer Figur aus Melvilles „Moby Dick“. „Starbuck“ war Meins’ Tarnname bei der RAF. Um das Buch zu präsentieren, saßen Christian Ströbele, der Holger Meins früher verteidigt hatte, Marek Rudi Dutschke, der Sohn von Rudi Dutschke, der gerade bei den Grünen ein Praktikum macht, sowie der Autor selbst auf dem Podium. Über ihnen hing das Plakat mit dem Bild von Holger Meins, das damals auf der Beerdigung von Meins mitgenommen worden war. Auf dem Plakat sieht man den leicht blaustichig todernst schauenden Kopf von Holger Meins, darüber steht „Ein Genosse ist tot“. Der Satz wirkt pathetisch in seinem Appell an die vielen, die Holger Meins mehr oder weniger klammheimlich als Stellvertreter ihrer politischen Fantasien adoptiert hatten, und klagt sozusagen ein Duzverhältnis ein zwischen denen, die in ihrer mehr oder weniger bürgerlichen Existenz Sympathien für den so genannten bewaffneten Kampf hatten, und den wenigen, die ihn führten. Man dachte dabei an die, die bis heute immer noch von „der Ulrike“ und „dem Andreas“ reden, wenn sie Meinhof und Baader meinen.

Als Conradt lange sprach, interessierte das niemanden. Als Christian Ströbele zu sprechen anfing, gingen die Kameras an, die nur auf ein Zitat, einen Nebensatz lauerten, den man ihm dann später um die Ohren hauen kann. Irgendwann sagte Ströbele dann den Satz, auf den die ihm feindlich Gesinnten gewartet hatten: „Holger Meins ist gestorben für gerechtere und gewaltfreiere Verhältnisse in den Gefängnissen.“ Mariam Lau, die ehemalige Kollegin, die jetzt bei der Welt ist, fand dagegen, Meins sei doch selbst schuld gewesen.

Jemand anderes beschwerte sich dann noch bei Conradt, der in der DDR groß geworden war, darüber, dass auf einem von Holger Meins gestalteten Plakat, dass die „Freiheit für alle Gefangenen“ forderte, alle möglichen Befreiungsorganisationen genannt wurden, die Dissidenten aus dem Ostblock aber nicht. Da dachte ich an eine Geschichte, die Christian Semler einmal erzählt hatte von der KPD-AO, die tatsächlich mal in Ostberlin, an der Gedenkstätte der Sozialisten, gegen die DDR demonstriert hatte. Viele der Teilnehmer waren deshalb ein paar Monate in Stasiknästen eingesperrt worden.

Im Hintergrund lärmte die Espressomaschine, klapperte das Geschirr und Filmstudenten unterhielten sich, als wenn sie ihr Desinteresse demonstrieren wollten. Am Abend, in einem Kreuzberger Lokal, ging es am Nebentisch auch um 1968. Ein Exkommunarde wohl erläuterte lachend, mit welchen Strategien es Kunzelmann damals gelungen war, auch mal „zum Stechen“ zu kommen. DETLEF KUHLBRODT

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