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Lange RegierungsbildungÖsterreich bekommt Dreierkoalition

Nach fünf Monaten politischen Vakuums steht nun Österreichs Regierung. ÖVP, SPÖ und Neos haben das Regierungsprogramm bekanntgegeben.

Neuer Rekord gebrochen: Mehr als 150 Tage warteten Österreicher auf eine neue Regierung Foto: Helmut Graf/dpa

Wien taz | Nach fünf Monaten und mehreren gescheiterten Versuchen hat sich nun doch eine Koalition für Österreichs neue Bundesregierung gefunden: Die Konservativen (ÖVP), die Sozialdemokraten (SPÖ) und die Liberalen (Neos) haben sich im zweiten Anlauf geeinigt. Zuvor waren Verhandlungen zwischen ÖVP und der rechtsradikalen FPÖ, die die Wahl vom September gewonnen hatte, gescheitert. Noch vor der Vereidigung, die planmäßig kommenden Montag stattfindet, stellten die drei künftig regierenden Parteichefs am Donnerstag ihr Programm vor.

Bevor es dazu kommt, müssen jedoch noch die jeweiligen Parteigremien ihren Segen geben. Spannend wird das vor allem bei den Neos, wo am Sonntag alle mehr als 3.000 Parteimitglieder über das Regierungsprogramm abstimmen können. Notwendig ist laut Parteistatut eine Zweidrittelmehrheit. Neos-Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger gab sich, wie ihre Kollegen von ÖVP und SPÖ, diesbezüglich optimistisch. Die Frage, was im Fall einer Ablehnung der Neos-Basis passiert, beantworteten die Parteichefs nicht. Klar ist: Konservative und Sozialdemokraten hätten auch ohne Neos eine hauchdünne parlamentarische Mehrheit.

Das neue Regierungsprogramm, mehr als 200 Seiten stark, trägt den Titel „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich“. Geplant ist vor allem die Sanierung des Budgets, denn Österreich ist rekordverschuldet. Aus diesem Grund gibt es derzeit nur ein verbindliches Programm für 2025 und 2026. Geplante Reformen danach stehen vielfach „unter Budgetvorbehalt“. Dazu zählen etwa Änderungen im Rentensystem: Neben einem Steigern des faktischen Pensionsantrittsalters Richtung 65 Jahre – wie schon derzeit vorgesehen, aber nicht erreicht – soll es auch attraktiver werden, darüber hinaus zu arbeiten.

Die Sozialhilfe, je nach Bundesland unterschiedlich gehandhabt, soll künftig vereinheitlicht werden. Die Bankenabgabe soll, einer SPÖ-Kernforderung entsprechend, deutlich erhöht werden. Der Familiennachzug von Asylberechtigten soll bis auf Weiteres gestoppt werden, außerdem soll es ein „Integrationsprogramm“ für Vertriebene, Schutzberechtigte und Asylwerber „ab Tag eins“ geben.

Koalition will Justiz reformieren

Die neue Regierung hält zudem am Ziel der Klimaneutralität bis 2040 sowie am Ausbau der Erneuerbaren, zuletzt von Schwarz-Grün vorangetrieben, fest.

Eine wichtige Reform betrifft die österreichische Justiz: An der Spitze der Staatsanwaltschaften soll ein unabhängiger und weisungsungebundener Bundesstaatsanwalt stehen. Politischer Einfluss, in der Vergangenheit immer wieder ein Problem, soll somit unterbunden werden. Außenpolitisch sind keine großen Änderungen geplant. Österreich bekennt sich weiterhin zu einer aktiven Rolle in der EU.

Die Teilnahme am gemeinsamen Rüstungsprojekt SkyShield soll fortgesetzt werden, ebenso die (nichtmilitärische) finanzielle Unterstützung der Ukraine. Ein Hinterfragen der österreichischen Neutralität, wie von den Neos im Wahlkampf vehement eingefordert, gibt es weiterhin nicht. SPÖ und ÖVP wollen daran unbedingt festhalten.

Die Aufteilung der neuen Posten entspricht weitgehend dem Wahlergebnis: Die ÖVP stellt Bundeskanzler sowie vier Minister, darunter Innen- und Verteidigungsministerium. Die SPÖ wird künftig unter anderem das Sozial- und das gewichtige Finanzministerium anführen. Neos übernehmen die Ressorts Bildung und Außen und decken damit zwei ihrer Kernthemen ab.

Vereidigung am Montag möglich

Sofern es innerhalb der Parteien zu positiven Abstimmungen kommt, könnte Bundespräsident Alexander Van der Bellen bereits am Montag die neue Regierung vereidigen. Es ist höchste Zeit: Schon jetzt handelt es sich mit mehr als 150 Tagen um die längste Regierungsbildung, die es je in Österreich gab.

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1 Kommentar

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  • Alles, wirklich alles ist besser als eine Koalition mit der FPÖ.



    Toll dass Österreich die Kurve grad noch so bekommen hat.