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Lange Buchnacht in der OranienstraßeKein Artwashing für Verdränger

Die Neue Gesellschaft für bildende Kunst sagt ihre Beteiligung am Literaturfestival ab. Damit protestiert sie gegen den Immobilieninvestor Pandion.

Erst musste der Buchladen Kisch & Co gehen, nun auch die nGbK Foto: dpa

Berlin taz | Im Vorfeld der 24. Langen Buchnacht in der Oranienstraße sagt der Kunstverein Neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) seine Beteiligung ab. Der Grund: Bei dem Literaturfestival, bei dem Buchläden und Kunstvereine im Kreuzberger Kiez Lesungen veranstalten, wirkt in diesem Jahr auch der Kölner Immobilieninvestor Pandion mit.

In einem ehemaligen Autohaus in der Prinzessinnenstraße betreibt Pandion seit einigen Jahren einen Kulturstandort im Rahmen einer befristeten Zwischennutzung. Während der Buchnacht bespielt Pandion den Ort mit einem hochkarätigen Programm mit internationalen Autor:innen.

Pandion erhoffe sich durch die kurzfristige kulturelle Nutzung eine symbolische Aufwertung des Standorts und stelle sich dabei als „sozialer“ Akteur dar, obwohl die hochpreisigen Neubauten den Verdrängungsdruck im Kiez weiter erhöhen, moniert der Kunstverein in einer Erklärung. Auch das Autohaus solle 2026 Luxusimmobilien weichen. Über seine Plattform „Transiträume“ vermittelt der Investor seit 2021 kulturelle Zwischennutzungen.

„Die nGbK ist nicht bereit, diese Strategie des Artwashings zu normalisieren und die Teilnahme eines Immobilienkonzerns als Veranstaltungsort der Langen Buchnacht zu akzeptieren“, begründete sie ihre Absage einer geplanten Veranstaltung, die sich passenderweise mit den aktuellen Gentrifizierungstendenzen in der Oranienstraße befasst.

nGbK muss raus

Von Verdrängung ist die nGbK selbst betroffen. Demnächst verliert der Kunstverein seine Räume in der Oranienstraße. Dort musste bereits 2021 der Buchladen Kisch und Co. ausziehen, nachdem das Haus 2019 von einer Luxemburger Briefkastenfirma gekauft wurde. Nachdem die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen der Buchnacht die Bitte des Kunstvereins abgelehnt haben, Pandion auszuladen, habe man sich zur Absage der diesjährigen Veranstaltung entschlossen, erklärte nGbK-Pressesprecher Lutz Breitinger gegenüber der taz. Sie soll später nachgeholt werden.

Während die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen der Buchnacht die Entscheidung nicht kommentierten, kam Zustimmung von Mie­t­ak­ti­vis­t:in­nen aus Friedrichshain. Als eine „wirkliche tolle Aktion und starkes Zeichen“ kommentierte Tim Steinke von der Stadteilinitiativen „Wem gehört der Laskerkiez?“ die Absage des Vereins. Die Initiative engagiert sich gegen das Bauprojekt Pandion Ostkreuz Campus in ihrem Kiez. Auch die Ak­ti­vis­t:in­nen befürchten, das Projekt würde die Verdrängungsspirale im Kiez weiter anheizen.

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