Landwirt über Bauernproteste: „Die AfD vereinnahmt die Demos“
Die Bundesregierung solle Bauern honorieren, die was für die Umwelt tun, fordert Landwirt Martin Schulz. Die AfD erzähle dagegen Quatsch.
taz: Herr Schulz, für Dienstag sind in ganz Deutschland die größten Bäuer:innen-Demos seit Jahrzehnten geplant. Fahren Sie hin?
Martin Schulz: Nein. Mein Mitarbeiter möchte gerne mitfahren und kriegt einen Trecker von mir. Die AfD will die Demonstrationen vereinnahmen und versucht den Leuten einzureden, dass sich nichts verändern muss. Das ist Quatsch. Ich distanziere mich von der Politik der AfD. Ich kann aber den Unmut der Bäuer:innen verstehen. Was die Politik über Jahre verschlafen hat, sollen die Betriebe nun ausbaden. Es gibt viele Bäuer:innen, die sich nicht mit der AfD identifizieren.
Was wollen Sie?
Die Politik hat die Landwirtschaft über Jahrzehnte darauf getrimmt, billig zu erzeugen. Eine hohe Produktion zerstört unsere Umwelt. Das muss sich ändern. Wir fordern CDU-Agrarministerin Julia Klöckner auf, umgehend eine Kommission einzuberufen, die die Zukunft der Landwirtschaft neu denkt. Vertreter:innen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Natur- und Tierschutzverbänden, Einzelhandel und Ministerien sollten dort vertreten sein. Ziel ist mehr Tierwohl, die Honorierung bäuerlicher Leistungen für Klimaschutz sowie hohe Sozial- und Umweltstandards. Die bisherige Agrarexportstrategie muss beendet werden und Futtermittelimporte müssen drastisch reduziert werden.
Was soll die Kommission beschließen?
Gesetze bringen wenig. Es ist sinnvoller, Bäuer:innen zu honorieren, die sich für die Umwelt einsetzen und beispielsweise Blühstreifen pflanzen. Mehr Gesetze führen nur dazu, dass kleine Betriebe mehr Geld ausgeben müssen, aber die Einnahmen bleiben gleich.
ist Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Bauer aus dem Wendland.
Was ist Ihre Meinung zum Agrarpaket der Bundesregierung?
Dort stehen gute Sachen drin. Wir sind für ein Tierwohlkennzeichen und einen Umbau der Tierhaltung, wenn man die Bauern miteinbezieht. Beim Insektenschutzprogramm hätte man intelligenter hantieren können. Man schreibt den Betrieben in Schutzgebieten vor, auf Ökolandbau umzubauen. Es gibt aus meiner Sicht viele Maßnahmen, die man betreiben könnte, um Insektenschutz zu betreiben.
Wie?
Ich selbst habe Blühstreifen auf meinem Hof und weiß, wie kompliziert die Regularien sind. Ist ein Blühstreifen fünf Quadratmeter zu groß, muss man mit Auflagen rechnen. Das muss nicht sein. Toll fände ich eine Beratung vor Ort. Keine, die erklärt, wie man mehr produziert, sondern eine, die erklärt: Was kann ich für Natur und Umwelt tun? Wir können wesentlich mehr als Nahrungsmittel produzieren und durch die Förderung von Artenvielfalt auf unseren Höfen der Klimakrise etwas entgegensetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass