Landtagswahlen in Ostdeutschland: Mecklenburger Schlachteplatte
Mecklenburg-Vorpommern droht nach der Wahl 2026 die rechte Machtübernahme. Die regierende SPD ist im Umfragetief, die AfD auf Allzeithoch. Ein Ausblick.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig betont derzeit landauf, landab, sie habe nicht vor, sich jeden Tag an der AfD abzuarbeiten. Genau darauf aber wird absehbar die Kampagne der SPD-Politikerin für die Landtagswahl im September 2026 hinauslaufen: Ich oder die AfD.
Denn auch das sagt die 51-Jährige bei jeder sich bietenden Gelegenheit schon jetzt, neun Monate vor der Wahl, immer und immer wieder: Die Menschen hätten die Wahl, ob „ich weiter Ministerpräsidentin bleibe und das Land stabil und verlässlich führe“ – oder ob „die AfD die Macht übernimmt und dann Chaos stiftet“. Momentan sieht es nach letzterem aus.
In Umfragen steht die AfD bei 38 Prozent. Schwesigs SPD käme auf gerade mal 19 Prozent. Die extreme Rechte hätte sich damit im Vergleich zu letzten Wahl 2021 verdoppelt, die SPD mehr als halbiert. Auf den weiteren Plätzen folgen die oppositionelle CDU mit 13 und der weitgehend unauffällige Koalitionspartner Linkspartei mit 12 Prozent, das BSW mit 7 und die mit internen Streitereien beschäftigten Grünen mit 5 Prozent.
Daniel Peters, CDU-Spitzenkandidat
Manuela Schwesig, seit 2017 im Amt, seit 2021 im Bündnis mit der Linken, ficht das nicht an. Ihre Botschaft: Alles nur eine Momentaufnahme, sie wird das schon reißen und den Rückstand aufholen. Das ist ihr bei der Wahl 2021 gelungen, als sie zunächst schwächelte und dann haushoch vor allen anderen gewann. Das werde ihr wieder gelingen. Ihr, der kümmernden Landesmutter. Schwesig übergibt einer Kirche einen Förderbescheid. Schwesig „zwischen Lichtern, Punschduft und vielen lieben Gesprächen auf unserem Weihnachtsmarkt in Schwerin“. Schwesig bei „Ein Herz für Kinder“. Auf ihrem Instagram-Profil dokumentiert sie akribisch ihre Bürger:innennähe.
Hochgradige Unzufriedenheit
Die Menschen hätten „genug von einer linken Regierung in Schwerin, die sich vorwiegend selbst genügt und nicht anpacken will“, sagt dagegen CDU-Landeschef Daniel Peters zur taz. Er ist überzeugt: „Der Vertrauensverlust vieler Menschen ist mit Händen zu greifen.“ Der 44-Jährige ist Spitzenkandidat seiner Partei und nach eigenen Angaben optimistisch, dass er die nächste Regierung anführen wird. Ein recht verwegen wirkender Optimismus: In keinem anderen Bundesland steht die CDU aktuell schlechter da.
Womit Peters recht hat: Es gibt eine hochgradige Unzufriedenheit im Land. Mecklenburg-Vorpommern gilt bundesweit als das Land mit den unglücklichsten Menschen. Die Kaufkraft ist unter-, die Alkoholabhängigkeit überdurchschnittlich.
Die Umfragen bestätigen im Grunde nur, was im Nordosten längst das neue Normal ist. Schon bei der Bundestagswahl im Februar dieses Jahres wurde die AfD hier fast flächendeckend stärkste Kraft. Die AfD kann entsprechend vor Selbstbewusstsein kaum laufen. „Wir wollen regieren“, sagte Landeschef Leif-Erik Holm bereits im Sommer. Um dann hinterherzuschieben: „Und wenn die anderen zu blöd sind, bei uns mitregieren zu wollen, dann machen wir's allein.“
Der Bundestagsabgeordnete Holm ist das bekannteste Gesicht der Partei in Mecklenburg-Vorpommern und Spitzenkandidat für das Amt des Ministerpräsidenten. Nach außen gibt sich der 55-Jährige onkelhaft-moderat. Sein Landesverband ist zugleich alles andere als das, sondern hat Verbindungen zu Neonazis, zum 2017 aufgeflogenen rechtsextremen Prepper-Netzwerk Nordkreuz, zur Identitären Bewegung. Interne Machtkämpfe kommen hinzu. Den Zustimmungsraten tut das offenkundig keinen Abbruch.
Keine AfD-Koalitionspartner in Sicht
Tatsächlich, das hat Holm richtig erkannt, ist vorerst niemand bereit, mit der AfD zu koalieren. Auch nicht die unter dem Dauerverdacht eines Brandmauerabrisses stehende CDU. „Keine Koalition mit der AfD. Punkt“, sagt CDU-Spitzenkandidat Daniel Peters.
Trotzdem droht die rechte Machtübernahme. So hat das BSW laut einem Bericht der Ostsee-Zeitung bereits signalisiert, dass sie einen AfD-Ministerpräsidenten mitwählen würde. Eine entsprechende Nachfrage der taz ließ die Wagenknecht-Partei unbeantwortet. Klar ist: Sollten es die bei 5 Prozent herumwackelnden Grünen im September 2026 nicht mehr in den Landtag schaffen und zugleich AfD und BSW ihre Werte mindestens halten können, würde das reichen.
Ich oder die AfD: Schwesigs Kampagne ist nicht ungefährlich. Schon ihr Parteifreund Dietmar Woidke hatte sie bei der Landtagswahl in Brandenburg 2024 gefahren. Woidke war damit insofern erfolgreich, als er die Wahl gewann und weiter Ministerpräsident blieb.
Der unschöne Nebeneffekt: Während Woidke der AfD damit kaum Stimmen abnahm, machte er alle potenziellen Koalitionspartner aus dem demokratischen Spektrum so klein, dass ihm am Ende nur eine Koalition mit dem BSW blieb. Ebenjener Partei, die auch kein Problem damit zu haben scheint, der AfD als Steigbügelhalter zu dienen.
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