Landtagswahlen in Österreich: Aufwind für Österreichs Rechtsradikale
Bei der anstehenden Landtagswahl in der Steiermark deuten Prognosen auf einen Erfolg der FPÖ hin. Dies wäre ein weiterer Meilenstein in deren Erfolgslauf.
Die bislang dominante ÖVP dürfte Umfragen zufolge von 36 auf etwa 26 Prozent zurückfallen, während die sozialdemokratische SPÖ wie schon 2019 auf etwa 22 Prozent geschätzt wird. Ein solches Ergebnis würde ziemlich exakt die Ergebnisse der Nationalratswahl von Ende September widerspiegeln.
Die aktuelle schwarz-rote Koalition unter Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) wird für ihren wenig dynamischen Führungsstil kritisiert. Seit Jahren bekannte und zunehmend drängende Probleme wie die Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung und die Automobilindustrie hat sie nur unzureichend adressiert.
Schwarz-Rot voraussichtlich auf dritte Partei angewiesen
Drexler selbst wird eine gewisse Distanz zur Bevölkerung nachgesagt, er gilt bisweilen als intellektuell und abgehoben. Zudem steht er vor einem strategischen Dilemma: Bei einem deutlichen FPÖ-Sieg könnte eine Fortsetzung der bestehenden schwarz-roten Koalition schwer zu rechtfertigen sein, besonders angesichts der nahenden Gemeinderatswahlen 2025.
Zwar ist auch eine Fortführung der schwarz-roten Koalition möglich. Voraussichtlich wird dafür aber eine dritte Partei nötig sein: die liberalen Neos oder die Grünen. Eine solche Dreiervariante könnte Drexler leichter als Erneuerung vermarkten, insbesondere wenn es bald auch einen Durchbruch auf nationaler Ebene geben sollte, wo dieser Tage dieselbe Konstellation verhandelt wird.
Nach sieben Wochen Sondierungen traten ÖVP, SPÖ und die liberalen Neos am Montag in formelle Regierungsverhandlungen ein. Ob am Ende eine Einigung steht, ist keineswegs ausgemacht. Bis Ende des Jahres soll eine Koalition stehen. Sollten die aktuellen Verhandlungen scheitern, könnte es doch noch zu Gesprächen zwischen ÖVP und FPÖ kommen.
Sollte die FPÖ nun deutlich in der Steiermark gewinnen, könnte sie auch im Bund noch mehr Gewicht in die Waagschale werfen. Mario Kunasek wäre dann voraussichtlich der erste FPÖ-Landeshauptmann in dem vergleichsweise großen Bundesland. Die Steiermark wäre damit das erst zweite blau regierte Bundesland überhaupt.
Die Herausforderungen der industriell geprägten Region sind jedenfalls groß: Der Strukturwandel in der Obersteiermark, die anhaltende Landflucht und der Fachkräftemangel etwa. Während der Großraum Graz wächst, kämpfen viele ländliche Gemeinden mit Abwanderung. Auch der Ärztemangel in peripheren Regionen und die Zukunft kleinerer Krankenhäuser sorgen für Diskussionen. Die Landesregierung verweist auf Initiativen zur Ärzteausbildung, die Opposition spricht von „Gefährdung der medizinischen Grundversorgung“.
Traditionelle Industriebetriebe kämpfen mit steigenden Energie- und Personalkosten und internationalem Wettbewerb. Zwar entstehen neue Arbeitsplätze in zukunftsträchtigen Branchen wie der Mikroelektronik und der Batterietechnologie, allerdings noch im geringen Ausmaß. Drexler wirbt daher vor allem mit einem Modernisierungskurs der Industrie. Zu den Kernforderungen der SPÖ unter Anton Lang zählen der Ausbau der Kinderbetreuung und mehr leistbarer Wohnraum. Alles freilich altbekannte Themen, die die beiden Parteien längst schon angehen hätten können.
FPÖ-Sieg würde Druck im Bund erhöhen
Für die FPÖ unter ihrem Spitzenkandidaten Mario Kunasek, von 2017 bis 2019 Verteidigungsminister in der Bundesregierung, ist es daher ein Leichtes, sich als scharfe Opposition zu positionieren. Sie kritisiert einmal mehr die Migrationspolitik und fordert Maßnahmen gegen die „ausufernde Teuerung“.
Mit dem bundesweiten Rückenwind könnte die FPÖ ihr Ergebnis von 2019 (17,5 Prozent) deutlich verbessern. Damals hatten auch die steirischen Freiheitlichen infolge des Ibiza-Skandals mehr als neun Prozentpunkte eingebüßt. Strahlender Sieger war da noch die ÖVP, die mit wenigen Ausnahmen seit 1945 durchgehend in der Steiermark regiert.
Die Grünen setzen im Wahlkampf auf nachhaltige Mobilität, unter anderem durch einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs, und mehr Investitionen in erneuerbare Energien. Die Neos werben wie im Bund vor allem mit den Themen Bildung sowie Transparenz in der Politik.
Die Landtagswahl in der Steiermark könnte sich als weiterer Meilenstein des aktuellen FPÖ-Erfolgslaufs – Platz eins bei der EU-Wahl und Nationalratswahl, Platz zwei in der Landtagswahl in Vorarlberg – erweisen. Ein FPÖ-Sieg würde nicht nur die jahrzehntelange ÖVP-Dominanz beenden, sondern auch die laufenden Koalitionsverhandlungen in Wien überschatten. Dann müsste das ÖVP-SPÖ-Neos-Gespann mit zusätzlichem Gegenwind nicht nur aus Österreichs Süden rechnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld