Landtagswahlen 2026: Grüne Chaostage in Meck-Pomm
Die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern tauschen ihre Spitzenkandidatin für die Landtagswahl aus. Vorausgegangen waren Vorwürfe des Machtmissbrauchs.
Affären, Rücktrittsforderungen und Rausschmisse: Die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern brauchen zehn Monate vor der Landtagswahl keine politischen Gegner, die die Partei in die Defensive drängen. Der mit 1.500 Mitgliedern bundesweit kleinste Grünen-Landesverband zerlegt sich einfach selbst.
Aktueller Höhepunkt der parteiinternen Streitereien im Nordosten: Die erst vor sieben Wochen auf einem turbulenten Parteitag zusammengekämpfte Landesliste für die Wahl im September 2026 soll baldigst neu gewählt werden. So haben es der Landes- und Fraktionsvorstand der Grünen am Sonntag bei einem Krisentreffen beschlossen. Konkret geht es vor allem darum, die bisherige Spitzenkandidatin Constanze Oehlrich auszutauschen. Eine Nachfolgerin ist auch bereits gefunden: Angeführt werden soll die Grünen-Liste im Nordosten nun von der Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Landesvorsitzenden Claudia Müller.
Oehlrich, zugleich Grünen-Fraktionschefin im Schweriner Landtag, steht seit Wochen massiv unter Druck. Im Raum stehen Beschwerden von Fraktionsmitarbeitern wegen Machtmissbrauchs und Belästigung. Eine von der Fraktionsspitze und damit von Oehlrich selbst beauftragte Kanzlei kam zwar zuletzt zu dem Schluss, die Vorwürfe seien „nicht substantiiert und rechtlich unbegründet“. Allein beim Treffen am Sonntag wurde trotzdem die Reißleine gezogen.
„Die Vorgänge in der Fraktion haben in den vergangenen Wochen erheblichen Schaden für den Zusammenhalt in der Partei verursacht“, sagt Grünen-Landeschef Ole Krüger am Dienstag zur taz. Die Neuaufstellung der Landtagswahlliste mit Claudia Müller auf Platz 1, so Krüger weiter, „sehen wir als Grundlage für einen Neuanfang, der es ermöglicht, geschlossen und erfolgreich in den Wahlkampf zu gehen“.
Klopfer auf den Po
Doch damit ist das grüne Großreinemachen nicht beendet. Auf dem Krisentreffen am Sonntag wurde seitens der Landtagsfraktion zudem entschieden, den Abgeordneten und Oehlrich-Gegenspieler Hannes Damm vor die Tür zu setzen. Auch Damm ist mit Vorwürfen übergriffigen Verhaltens gegenüber einem Mitarbeiter konfrontiert. In dem Fall war die Rede von Schultermassagen und Klopfern auf den Po.
Schon im September wurde der 33-jährige Umweltexperte als Fraktionsvize abgesetzt. Jetzt soll Damm spätestens in drei Wochen ganz aus der Fraktion rausgehen. Die ohnehin nur fünfköpfige Fraktion schrumpft damit auf vier Abgeordnete. Die verbliebene Truppe erklärte am Montag, „dass das notwendige Vertrauen für eine gemeinsame parlamentarische Arbeit nicht mehr besteht“.
Anders als beim „Ende der Zusammenarbeit“ der Fraktion mit Damm gibt es für die Neuwahl der Landesliste noch keinen Termin. Aktuell werde geprüft, „welches der frühestmögliche Termin für eine rechtssichere Neuaufstellung ist“, so die Co-Landesvorsitzende Katharina Horn. Klar ist: Eine Gute-Laune-Veranstaltung ist nicht zu erwarten.
Erste Kreisverbände fordern bereits den Rücktritt des Landesvorstands um Katharina Horn und Ole Krüger – was beide ablehnen. Der Parteivorstand sei mit seinem Vorschlag, mit der Listenaufstellung zurück auf Start zu gehen, „seiner Führungsverantwortung nachgekommen“ und weise „einen Weg nach vorne“, sagt Horn zur taz.
Rückendeckung von Bundeschef Banaszak
Auch die Bundesspitze der Partei ist bemüht, möglichst zügig Ruhe in die Nordost-Kiste zu bekommen. „Die Personalquerelen der letzten Wochen waren belastend für den Landesverband“, sagt Grünen-Chef Felix Banaszak zur taz. Mit Claudia Müller hätten die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern jetzt „eine überaus erfahrene und profilierte Politikerin als Spitzenkandidatin für die kommende Landtagswahl, die meine und unsere volle Unterstützung genießt“.
Für die Partei kommt das Chaos auch mit Blick auf Banaszaks grüne Oststrategie zur Unzeit. Zumal die Umfragen in Mecklenburg-Vorpommern alles andere als erbaulich sind. Aktuell liegt die Partei hier bei 5 Prozent und muss um den Wiedereinzug in den nächsten Landtag zittern.
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