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Landtagswahl im SaarlandPlötzlich bewegt sich was

Die Bewohner des Bundesländchens sind laut Umfragen politisch ziemlich zufrieden. Die CDU liegt vorn, muss aber trotzdem um ihre Macht bangen.

Martin Schulz geht auch als halber Saarländer ins Rennen Foto: dpa

Saarbrücken taz | „Im Westen nichts Neues.“ Das war bislang die Prognose für die Landtagswahl im Saarland am 26. März. Das kleinste ­Flächenland der Republik macht den Auftakt zum Superwahljahr 2017. Schleswig-­Holstein, Nordrhein-Westfalen und die Bundestagswahl folgen.

Bislang versprach das Ergebnis im Saarland Langeweile. In keinem anderen Bundesland sind die Bürger so zufrieden wie hier, wie Umfragen ergaben. Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU, regiert seit 2012 im kleinsten Flächenland scheinbar unangefochten zusammen mit der SPD. Ihre Juniorpartnerin, Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger, ist zur Stelle, wenn irgendwo im Land ein Unternehmen in Schieflage gerät.

Denn Probleme hat das Saarland reichlich. Viele Arbeitsplätze sind vom Strukturwandel bedroht: Die Automobilhersteller und ihre Zulieferer müssen sich auf den Abschied vom kraftstoffgetriebenen Auto einstellen. Die Dieselkompetenz, die Bosch gleich an zwei Standorten im Saarland erworben hat, ist durch Dieselgate entwertet. Der Saarstahl leidet unter dem internationalen Preisdruck. Trotzdem wünschte sich bei Umfragen bislang eine große Mehrheit die Fortsetzung der Großen Koalition.

Und nun das: Mit Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat scheint im Saarland eine Sensation möglich – das Ende der CDU/SPD-Koalition.

Vor wenigen Tagen wurde das Ergebnis erster Umfragen im Saarland nach der Nominierung des SPD-Kanzlerkandidaten bekannt: Laut dem Meinungsforschungsinstitut Insa legte die SPD danach im Januar um 9 Prozent zu und kommt auf 33 Prozent. Die CDU gewinnt zwar einen Prozentpunkt und bleibt mit 36 Prozent stärkste Kraft, könnte aber die Macht verlieren.

Möglich: einziges rot-rotes Bündnis in Westdeutschland

Die Linken (12 Prozent) liegen nämlich im Saarland deutlich vor der AfD (7 Prozent). Grüne und FDP würden laut Insa mit jeweils 4 Prozent scheitern. Bei einem solchen Wahlausgang würden SPD und Linke im Saarland das erste und wohl auf lange Sicht einzige rot-rote Bündnis in einem westlichen Bundesland schließen können.

Wieso aber erscheint ein radikaler Wechsel trotz großer Zufriedenheit mit dem Status quo möglich? Das hat zum einen mit Oskar Lafontaine zu tun. Der ehemalige SPD-Chef – langjähriger Oberbürgermeister von Saarbrücken und Ministerpräsident – genießt im Saarland nach wie vor Kultstatus.

Jeder kennt den Spitzenkandidaten der Linken. Die meisten mögen ihn, über Parteigrenzen hinweg, und schwärmen von der Zeit, in der er an der Saar das Sagen hatte. Seine Botschaften sind simpel: „Genug gezahlt, jetzt sind die Reichen dran“ steht auf den Plakaten und „ein Oskar für das Saarland.“ Eine Regierungsbeteiligung von Oskars Linken taugt hier nicht als Drohkulisse.

Das Land ist in den Städten von der Industrie und damit gewerkschaftlich geprägt, auf dem Land ist der Katholizismus immer noch stark. Grüne und FDP tun sich deshalb hier traditionell schwer. Die AfD ist vergleichsweise schwach. Deshalb könnte es für Rot-Rot reichen.

Das Thema soziale Gerechtigkeit, auf das die SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger von Anfang an gesetzt hat, kommt hier an, da sich viele vom sozialen Abstieg bedroht sehen. Schließlich hat die SPD mit Martin Schulz auch noch auf eine Galionsfigur gesetzt, die saarländische Wurzeln vorzuweisen hat. Schulz’ Vater stammt aus Spiesen-Elversberg, der Kanzlerkandidat ist so im Wahlkampf als halber Saarländer unterwegs. Dass einer Landsmann ist, war den SaarländerInnen immer fast wichtiger als seine Botschaft.

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