Landtag diskutiert über Abschiebezentrum: Greenwashing beim Abschieben
Mehr als 16.000 Unterschriften gegen das geplante Abschiebezentrum wurden bereits gesammelt. Die Brandenburger Grünen geraten zunehmend unter Druck.
Gemeinsam mit dem Bund plant Brandenburgs rot-schwarz-grüne Landesregierung ein sogenanntes Behördenzentrum, in dem die Ein- und Ausreise von Asylsuchenden künftig „effizient und zügig“ abgewickelt werden soll. Auf einer Fläche von 4,4 Hektar sollen unter anderem die Zentrale Ausländerbehörde, die Bundespolizei und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterkommen. Bereits im nächsten Jahr soll mit den Bauarbeiten begonnen werden, die Inbetriebnahme ist für Anfang 2026 geplant.
Kritiker*innen befürchten, dass am Flughafen BER ein bundesweites Abschiebedrehkreuz entsteht. So soll etwa der Abschiebegewahrsam von derzeit 20 auf 120 Plätze erweitert werden. Mehr als 60 Organisationen fordern einen Stopp des Projekts, das von dem Investor Jürgen B. Harder gebaut werden soll. Gibt der Landtag grünes Licht, würden in den nächsten 30 Jahren 315 Millionen Euro allein in Miete und Pacht fließen – bei voraussichtlichen Baukosten von 156 Millionen Euro eine ordentliche Rendite für den wegen Korruption vorbestraften Investor.
In der Kritik stehen vor allem die Grünen, die das Vorhaben offiziell ablehnen, im Koalitionsausschuss aber dafür gestimmt haben. „Das Abschiebezentrum widerspricht unseren Werten und unserer Beschlusslage“, sagt Tammo Westphal von der Grünen-Jugend zur taz. Auf dem Landesparteitag am kommenden Wochenende wollen sie einen Antrag einreichen, das Projekt noch zu stoppen. „Das letzte Mittel wäre, den Haushalt abzulehnen“, so Westphal. Dafür würde die Grünen-Jugend offenbar auch einen Bruch der Koalition mit SPD und CDU in Kauf nehmen. „Die Koalition ist kein Selbstzweck“, stellt Westphal klar.
Tammo Westphal, Grünen-Jugend
Abschieben für den Koalitionsfrieden
Das sieht die Landesvorsitzende der Grünen anders. „Wir waren von Anfang an gegen das Behördenzentrum in dieser Form“, sagt Julia Schmidt zur taz. Da SPD und CDU das Projekt aber unbedingt durchsetzen wollten, habe man zumindest einige Verbesserungen erreichen können. „Der Ausreisegewahrsam wurde von 120 auf 64 Plätze verkleinert und es wird Räume für eine unabhängige Rechtsberatung geben“, sagt Schmidt und kündigt an, weiter gegen das Projekt kämpfen zu wollen.
Dass die Grünen das Abschiebezentrum noch verhindern, indem sie den Haushalt ablehnen, gilt in Parteikreisen allerdings als unwahrscheinlich. Zu groß sei das Risiko, damit die Koalition platzen zu lassen. Mitte Dezember soll der Haushalt im Landtag beschlossen werden. Ob die Mittel für das Abschiebezentrum dabei sein werden, wird sich zeigen. „Das ist alles eine Frage des politischen Willens“, meint Henrike Koch vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung