Landstromanlagen in norddeutschen Häfen: Bund sponsert Steckdosen

Mit 176 Millionen Euro Finanzhilfe sollen zögerliche Landesregierungen und Reeder dazu gebracht werden, in Landstromanlagen zu investieren.

Zwei Servicetechniker stehen neben einem mobilen Kran der Landstromanlage am Cruise Center Altona

Soll es künftig öfter zu sehen geben: Landstromanlagen wie hier am Cruise Center Altona Foto: dpa / Christian Charisius

HAMBURG taz | Saubere Luft und klimafreundliche Energieversorgung, dafür sollen in den Häfen eigentlich Landstromanlagen sorgen. Aber das ist kein Selbstläufer. Seit anderthalb Jahrzehnten verpflichtet eine europäische Richtlinie zwar alle Häfen, die Emissionen von Schiffen während der Liegezeit am Kai drastisch zu senken. Geschehen ist wenig – auch in Norddeutschland sieht es eher mau aus.

Nun will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Landesregierungen, die bei diesem Thema bisher eher zögerlich sind, den Landstrom als saubere Alternative zum Schiffsdiesel nicht zum ersten Mal mit Geld schmackhaft machen. 176 Millionen Euro Finanzhilfen für die Errichtung von Anlagen in See- und Binnenhäfen stellt der Bund bereit.

„Wir machen einen großen Schritt in Richtung einer flächendeckenden umwelt- und klimafreundlichen Landstromversorgung in deutschen Häfen, wie wir sie im Koalitionsvertrag versprochen haben“, sagte Altmaier Anfang November. Die Bundesregierung wird sich 2021 an neuen Anlagen mit 75 Prozent beteiligen. Ab 2022 wird der Bund die Länder nur noch mit 50 Prozent unterstützen. So soll etwas Schwung in die Sache kommen.

Hamburg will die Subventionen nutzen und künftig als erster Hafen in Europa große Containerfrachter mit Landstrom versorgen. Das verspricht jedenfalls Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos). Gedacht wird hier an die Terminals Burchardkai, Europakai und Predöhlkai. Auch Kreuzfahrtschiffe und Binnenschiffe sollen Landstromannlagen erhalten. 32,6 Millionen Euro will Hamburg dafür bereitstellen, der Bund soll 42,4 Millionen Euro dazu geben.

Peter Altmaier, CDU, Bundeswirtschaftsminister

„Wir machen einen großen Schritt in Richtung einer flächendeckenden umwelt- und klimafreundlichen Landstromversorgung in deutschen Häfen, wie wir sie im Koalitionsvertrag versprochen haben“

Das Hamburger Kreuzfahrtterminal in Altona betreibt immerhin seit 2016 eine Landstromanlage. Die Kosten von damals zehn Millionen Euro hatte teilweise der Bund übernommen. Genutzt wird die Anlage allerdings kaum, weil den meisten Kreuzfahrtschiffen schlicht die entsprechenden Vorrichtungen fehlen. Und selbst die „Europa 2“, die Landstrom nutzen kann, hat es zuletzt nicht getan. Dies teilte der Hamburger Senat Mitte November auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Norbert Hackbusch mit. Die Reederei Hapag-Lloyd-Cruises begründete das mit notwendigen Arbeiten an Bord.

Bremens Senat hatte bereits im Sommer beschlossen, bis 2024 acht neue Anlagen zur Landstromversorgung von Seeschiffen bauen zu lassen, außerdem zwei Anlagen für Binnenschiffe. Der Landstrom solle vollständig aus erneuerbaren Energien stammen, verspricht Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD). Sie nennt das einen „wichtigen Baustein auf dem Weg zum grünen, klimaneutralen Hafen“. Die Kosten dafür liegen laut dem Fachmagazin für Spedition, Transport & Logistik Verkehrsrundschau bei 32,4 Millionen Euro. Den Großteil davon dürfte nun der Bund übernehmen.

Mittels Landstrom können sich Schiffe während ihrer Liegezeit im Hafen mit Strom versorgen und ihre bordeigenen Dieselgeneratoren abschalten. Dadurch können neben Luftschadstoffen wie Stickstoff- und Schwefeloxiden auch klimaschädliche CO²-Emissionen vermieden werden, es ist leiser und nichts vibriert mehr. Das ist besonders für Häfen wie den in Kiel interessant, die in der Innenstadt liegen. Kiels erste Landstromanlage läuft seit Mai 2019 am Norwegenkai und versorgt dort die Fähren der Reederei Color Line. Weitere sollen folgen. Am heutigen Mittwoch wird an der neuen Landstromanlage am Ostseekai mit großem Bahnhof eine riesige LED-Fassade eingeweiht.

Europaweit gibt es allerdings kaum Häfen, die wenigstens Fähr- und Kreuzfahrtschiffe mit Landstrom versorgen können. Das liegt nicht nur an den hohen Investitionen,die für solche Anlagen nötig sind, sondern auch daran, dass Landstrom für Reedereien deutlich teurer ist als Diesel.

Die Schiffe haben unterschiedliche Anforderungen an ihren Strombedarf, von 3 bis 16 Megawatt. Bei großen Container- und Kreuzfahrtschiffen werden Leistungen in der Größenordnung bis zu 16 Megawatt abgerufen, was nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums etwa dem Strombedarf einer kleineren Stadt entspricht.

„Diese hohen Bedarfsmengen muss man erst einmal decken können“, sagt ein Sprecher des Kieler Hafens. Außerdem müssen die zwischen bord- und landseitigem Netz abweichenden Spannungen (6,6/11 Kilovolt) und Frequenzen (50/60 Hertz) ausgeglichen werden. Das heißt, die Schiffe müssten umgerüstet werden, die Reedereien müssten Geld in die Hand nehmen. Obendrein mangelt es an vielen Standorten an Landstrom aus erneuerbaren Energien. Der grüne Strom ist aber notwendig, damit die Ökobilanz stimmt.

In Rostock-Warnemünde können Kreuzfahrtschiffe seit August an zwei Liegeplätzen Landstrom aufladen. Auf Anfrage beziffert die Stadt die Kosten für die Anlage auf 19 Millionen Euro. Die Förderquote durch das Land Mecklenburg-Vorpommern betrug demnach 90 Prozent. Man will nun „erst einmal schauen, wie die Reedereien reagieren“, sagt der Sprecher des parteilosen Bürgermeisters Claus Ruhe Madsen. Corona habe das ja nun zunächst verhindert. In der regelmäßigen Linienfahrt von Frachtern gebe es bisher keine Nachfrage, sagt Ruhe Madsen.

In Deutschlands einzigem Tiefwasserhafen, dem 2012 eingeweihten Jade-Weser-Port in Bremerhaven – werden riesige Containerschiffe abgefertigt. Eine Landstromanlage gibt es lediglich für Schlepper und andere Versorgungsschiffe. Sie wird „regelmäßig genutzt“, sagt eine Sprecherin des Hafens. Außerdem seien im Container-Terminal während der Bauphase 2008 „die baulichen Voraussetzungen für die Installation von Landstromversorgungsleitungen geschaffen worden“. Damals habe es noch keine einheitlichen Standards für die Stromversorgung gegeben.

Offen ist in Bremerhaven tatsächlich bis heute, ob einer land- oder seeseitigen Energieversorgung die Zukunft gehört. In Abstimmung mit den Akteuren der maritimen Wirtschaft strebe die Geschäftsführung des Hafens „einen bedarfsgerechten Ausbau“ an. Doch bislang signalisiert die Reedereiwirtschaft keinen wirklichen Bedarf. Damit Landstrom zum Selbstläufer werde, sollten zunächst weitere Subventionen vom Staat fließen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.