Landeszentrale für Politische Bildung: „Der Umgang muss respektvoll sein“

Niedersachsen schaffte seine Landeszentrale 2004 ab. Nun ist sie wieder da. Leiterin Ulrika Engler über die Gründe dafür, Hate Speech und Geocaches.

Eine Frau steht vor einem Banner, auf dem steht: Demokratie beginnt mit dir.

Leitet die im Januar eröffnete Landeszentrale in Hannover: Ulrika Engler Foto: dpa

taz: Frau Engler, die Salafismusszene in Niedersachsen hat mehrmals für Schlagzeilen gesorgt, etwa mit der Messerattacke von Safia S. auf einen Bundespolizisten oder mit der Festnahme des IS-nahen Predigers Abu Walaa in Hildesheim. Welchen Stellenwert besitzen Präventionsmaßnahmen bei der Arbeit der neuen Landeszentrale für politische Bildung?

Ulrika Engler: Politische Bildung ist immer auch Präventionsarbeit. In Zeiten, in denen wir mit vielen Herausforderungen zu kämpfen haben, ist es besonders wichtig, junge Menschen für die Demokratie zu gewinnen. Die Landeszentrale ist dabei so etwas wie die Marketingagentur für die Demokratie. In Niedersachsen, wo wir nun dreizehn Jahre lang keine Landeszentrale hatten, müssen wir die Strukturen der politischen Bildung wieder sichtbarer machen und die Akteure mit­ein­an­der vernetzen. Das Wichtigste ist aber, die jungen Leute anzusprechen und, wie man so schön sagt, dort abzuholen, wo sie sind.

Und wie erreichen Sie junge Leute in postfaktischen Zeiten?

Für junge Leute ist es sehr schwer, sich in dem Informationsdschungel zurechtzufinden oder auch zu lernen, in der Informationsflut richtige von gefakten News zu unterscheiden. Da brauchen junge Leute Unterstützung. Ich glaube, dass das in der Bildungsarbeit oft unterschätzt wird. Deshalb setze ich auch sehr auf das Internet. Die politische Bildung muss dort Angebote machen, wo die jungen Leute sind. Natürlich muss man sie dabei auch für die Angebote begeistern, deshalb ist es vor allem wichtig, methodisch spannende Format zu entwickeln. Politische Bildung soll ja Spaß machen.

Haben Sie schon ein konkretes Onlineprojekt geplant?

Wir haben im Grunde zwei Projekte, mit denen wir bald starten wollen. Das eine ist „Let’s play Germany“, es nutzt digitale Games, um Jugendliche für politische Prozesse zu begeistern, macht sie selbst zu Expertinnen und Experten und schult auch in ihrer Mediennutzung. Die Teilnehmer müssen dabei selbst kreativ in der Medienwelt agieren. Das andere Projekt, das wir auch schon auf den Weg gebracht haben, heißt „Map the gap“, ein Projekt, mit dem inhaltlich speziell gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vorgegangen werden soll. Methodisch arbeitet das Projekt unter anderem mit Geocaching. Junge Leute können also losziehen und mithilfe eines GPS-Empfängers die Koordinaten von Orten bestimmen, an denen Demokratie positiv gelebt wird. Und sie können die Caches selbst schrei­ben, als den genauen Standort des Ortes an andere Teilnehmer oder Freunde weitergeben. So ist auch gleich für Nachhaltigkeit gesorgt.

42, ist seit 15. Januar Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung, Hannover. Zuvor leitete die Theologin und Bildungsmanagerin den Verein aktuelles forum in Gelsenkirchen.

Wie realistisch ist es denn, mit solchen Angeboten die Zielgruppe zu erreichen? Wer islamkritische Einstellungen oder stereotype Vorstellungen von Muslimen hat, reagiert auf entsprechende Angebote im Netz mit Spott bis Hass. Braucht es nicht vielmehr Begegnung?

Ganz klar. Da will ich auch nicht missverstanden werden. Es soll natürlich weiter Face-to-Face Angebote geben. Das ist die Basis unserer Arbeit. Wenn wir unser Angebot rein auf das Internet reduzieren würden, und da gebe ich Ihnen recht, dann ist es kein nachhaltiger Ansatz. Es muss eingebettet sein, es geht ja um politische Bildung. Und Bildungsprozesse sind nur dann möglich, wenn da auch wirklich Prozesse ablaufen. Und das geht nur mit fitten Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort, die diese Prozesse begleiten. Dennoch sind solche Materialien wichtig, um auch junge Leute zu erreichen, die über Videoangebote ihr Wissen weitergeben an andere.

Wäre es für Sie denkbar, Vertreter der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative und junge MuslimInnen zusammenzubringen?

Auf jeden Fall ist Begegnung eine unserer Grundaufgaben. Und zwar auch Begegnung von Leuten mit unterschiedlichen und auch kontroversen Meinungen. Es müssen Räume dafür da sein, dass es auch mal krachen darf. Natürlich muss man immer schauen, ob dann auch eine echte, eine konstruktive Aus­ein­ander­set­zung möglich ist. Der Umgang muss respektvoll sein.

Sie arbeiten seit über 15 Jahren im politischen Bildungsbereich. Nimmt der Respekt im Umgang miteinander generell ab oder ist das ein reines Netzphänomen?

Der Ton ist deutlich schärfer geworden, vor allem, aber nicht nur im Internet. Wenn ich an die Hate Speeches denke, sehe ich auch die Kehrseite des Netzes, das ich als sehr wichtiges Instrument für Partizipation betrachte. Aber dieser Kehrseite muss man sich stellen und da wird noch viel passieren müssen, bis wir beim Thema respektvolles Miteinander am Ziel sind.

Hate Speech im Netz hat auch viel mit rechten, islam- und menschenfeindlichen Strukturen zu tun. Wie sehr müssen Sie sich in Ihrer Arbeit auch um Rechtsextreme kümmern?

In Niedersachsen gibt es ja verschiedene Programme wie das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus des Landespräventionsrats in dem Bereich. Jeder Akteur hat seinen Schwerpunkt. Da müssen wir Synergien schaffen. Die Landeszentrale wird sich auch mit Extremismus beschäftigen. Aber für alle Themen im Bereich Rechtsextremismus wird die Landeszentrale nicht zuständig sein können.

Welche Ziele haben Sie denn für Ihre neue Arbeit vorgenommen?

Neben den Angeboten im Onlinebereich, von denen ich schon gesprochen habe, vor allem, dass politische Bildung wieder sichtbarer wird. Und attraktiver für junge Leute.

Bekommen Sie eigentlich eine Vorgabe, wie viele junge Leute Sie mit Ihren Angeboten erreichen sollen?

Quantitative Zielvorgaben ergeben in dem Fall wenig Sinn. Am Anfang müssen wir erst verschiedene Angebote für verschiedene Kanäle entwickeln, um dann auch möglichst breit junge Leute zu finden. Und das heißt in einem Flächenland auch, die Angebote auch auf dem Land machen zu können. Und dazu brauchen wir unsere Kooperationspartner.

Mit wem wollen Sie kooperieren?

Ich bin, lassen Sie mich zählen, an meinem vierten Arbeitstag. Insofern steht jetzt tatsächlich erst mal an, die Landeszentrale gut aufzubauen und viele Gespräche mit bestehenden oder möglichen neuen Kooperationspartnern zu führen. Da gibt es in der Tat schon viele Anfragen. Die Erwachsenenbildung wird beispielsweise ein wichtiger Kooperationspartner sein. Aber wir haben noch nicht mal alle der acht vorgesehenen Stellen besetzt. Die Räumlichkeiten stehen, ich bin da und dann stellen wir nach und nach die Leute des Teams ein.

Im Jahr 2004 wurde die alte Landeszentrale unter Schwarz-Gelb abgeschafft. Wie können Sie sicher sein, dass das nicht ein zweites Mal passiert?

Da bin ich sehr zuversichtlich. Mich hat auch sehr gefreut, dass die Wiederbelebung der Landeszentrale nicht nur im Koalitionsvertrag beschlossen wurde, sondern die Ausgestaltung fraktionsübergreifend einstimmig an­ge­nommen wurde. Es gibt ein Kuratorium wie bei der Bundeszentrale. Das ist bei Landesbehörden nicht selbstverständlich.

Mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl 2018: Glauben Sie, die Landeszentrale ist sakrosankt, egal welche Partei in die Regierung kommt?

Ich bin überzeugt, dass die Landeszentrale lange Bestand haben wird, unabhängig vom Ausgang der Wahlen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.