piwik no script img

Landesparteitag der Linken im SaarlandVon wegen Neuanfang

Thomas Lutze wurde mit großer Mehrheit zum neuen Chef gewählt. Doch der Saar-Linken-Parteitag war von Zankerei geprägt und endete im Eklat.

Kommt jetzt ein Höhenflug? Die Saar-Linke hat einen neuen Chef. Aber die Streitigkeiten bleiben Foto: dpa/Hendrik Schmidt

An diesem Sonntag war Bundesprominenz nach Wiebelskirchen angereist. Linken-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler überbrachte eine Botschaft für den Landesverband, der bei Wahlen nach wie vor zweistellige Ergebnisse einfährt, aber gleichzeitig vor allem mit Affären und gegenseitigen Anfeindungen Schlagzeilen macht: „Wir möchten, dass ihr zur politischen Arbeit zurückkehrt,“ rief Schindler.

Doch die Botschaft aus Berlin verpuffte. Auch dieser Parteitag der Saar-Linken war von persönlichen Angriffen, dem Streit über Geschäftsordnung und Redezeiten bestimmt. Mit großer Mehrheit wählten die Delegierten zwar einen neuen Chef, den parteiintern umstrittenen Bundestagsabgeordneten Thomas Lutze. Der gelobte auch Besserung, es werde fortan nur noch um Inhalte und Politik gehen. Doch zum Ausklang des Tages löste eine Personalie einen Eklat aus.

Es ging um die Kandidatur des Linken-Kommunalpolitikers Mekan Kolasinac für den Posten eines Beisitzers. Im Jahr 2017 hatte der für Schlagzeilen gesorgt, als der den Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger als „falschen, hinterlistigen Juden“ beschimpft hatte. Die nachgeschobene Entschuldigung, er habe nicht „Jude“ sondern „Judas“ schreiben wollen, war nicht überall gut angekommen.

Aus Protest gegen ihn hielt deshalb die Parteijugend eine Flagge Israels in die Kameras. Eine „bodenlose Frechheit“ polterte der neue Landesvorsitzende und kündigte „Konsequenzen“ an. Die israelische Fahne, die ja auch die Fahne der Opfer des Holocaust sei, für parteiinterne Auseinandersetzungen zu missbrauchen, sei „vollkommen daneben“, sagte Lutze am Montag der taz; mit dem guten Ergebnis für Kolasinacs Wahl hätten die Delegierten in diesem Konflikt klar Position bezogen: „Der hat damals einen Fehler gemacht und sich entschuldigt; da muss man es auch mal gut sein lassen.“

Machtkampf entschieden

Mit der Wahl des neuen Landesvorstands gilt auch der seit langem schwelende Machtkampf zwischen den beiden verfeindeten Lagern der Saarlinken um Landtagsfraktionschef Oskar Lafontaine auf der einen, und Lutze auf der anderen Seite, als entschieden. Der Versuch, mit einem gemeinsamen Personaltableau ein Lager übergreifendes Team zu installieren, sei gescheitert; nun freue er sich auf die Zusammenarbeit mit Leuten, denen er vertrauen könne, sagte Lutze der taz. Auf die von Lafontaine geführte Landtagsfraktion, die ihn mehrheitlich kritisch sieht, werde er zugehen. „Wenn sie mitmachen wollen, können sie mitmachen; ich kann sie aber nicht zwingen“, so der linke Landeschef.

Mit der Wahl des neuen Vorstands dürfte auch eine Vorentscheidung für die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2022 gefallen sein. Dass der dann 79-jährige Lafontaine noch einmal antritt, gilt als ausgeschlossen. Lutze selbst will sich erneut um ein Bundestagsmandat bewerben. Die linke Landtagsvizepräsidentin Barbara Spaniol könne er sich gut als Spitzenkandidatin vorstellen, sagte Lutze am Montag der taz. Spaniol war am Sonntag erneut zur stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • "Eine „bodenlose Frechheit“ polterte der neue Landesvorsitzende ."

    Vollkommen richtig, wo kommen wir denn hin, wenn man in der Linkspartei nicht mehr jemanden als "falschen, hinterlistigen Juden" beschimpfen darf?

    Die "Entschuldigung" war doch absolut glaubwürdig...

  • Kolasinac heißt mit Vornamen nicht Mehan, sondern Mekan.

    Die Linkspartei macht´s mit ihm wie Schalke 04 mit Clemens Tönnies. Er hat sich "entschuldigt", und nun ist alles wieder gut und die Karriere kann weitergehen. Kolasinac hat Glück, dass er nicht bei der AfD ist, sonst würde er weniger Nachsicht erfahren, sondern, wie es mit Wolfgang Gedeon bei der AfD geschieht, als Testimonial für den antisemitischen Charakter seiner Partei herangezogen. Das ist dann wohl der Unterschied zwischen der rechten und der linken Partei in Deutschland: Die rechte sieht ihren wegen antisemitischer Äußerungen auffällig gewordenen Politiker als Störfaktor an und versucht (oder tut zumindest so, als versuche sie es), ihn loszuwerden, die linke wählt ihren wegen einer antisemitischen Äußerung auffällig gewordenen Politiker mit einem "guten Ergebnis" in den Landesvorstand. Es ist zum Verzweifeln.

    Und der neu gewählte Landesvorsitzende Thomas Lutze echauffiert sich darüber, dass die unbotmäßige Parteijugend "die Fahne der Opfer des Holocaust" hochhält, um gegen Kolasinac zu protestieren. Wer an den Holocaust erinnert, um gegen die Verwendung des Wortes "Jude" als Schimpfwort zu protestieren, begeht also nach Ansicht des Landesvorsitzenden eine "bodenlose Frechheit", die "Konsequenzen" haben muss. Aha.

    Ich versuche, sachlich zu bleiben, und sag´s mal so: Die Linkspartei als Ganzes ist nicht antisemitisch. Aber Antisemitismus ist in dieser Partei auch kein Karrierehindernis, wie schon im Jahre 2010 der Umstand zeigte, dass 2 Bundestagsabgeordnete der Linken auf dem "Frauendeck" der Mavi Marmara ("Ein Schiff für Gaza") mitfahren konnten, ohne dafür aus der Fraktion zu fliegen.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Solange das System eine Personenwahl bevorzugt, wird es immer Machtkämpfe geben. Das wird erst mit einer Sachwahl nachlassen.

  • Es ist für die Linke/Saar (nicht nur) viel Wichtiger, sich mit sich selbst zu beschäftigen, Egos und Rituale zu pflegen, und einem kleinen Sonnenkönig die Krone zu putzen, als sich um Politik zu kümmern. Der Tag hat halt nur 24 Stunden!

  • Es wäre doch schön neben der Yellow Press auch etwas über die Inhalte zu erfahren.

    • @J_CGN:

      Ich habe den starken Verdacht: Das im Artikel Berichtete IST der Inhalt.

    • @J_CGN:

      Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

      Die Moderation