Landesparteitag der Christdemokraten: Wenn der CDU-Chef sich als SPD-Versteher gibt
Kai Wegners Bitte an seine Parteifreunde: Gegenüber dem Koalitionspartner „ein bisschen großmütig sein“.

Und mit Blick auf die nächste Berlin-Wahl in fast auf den Tag genau 15 Monaten ringen sich nicht gerade Berliner Publikumslieblinge um ihre Spitzenkandidatur. Zudem mopperten Anfang Juni gleich 7 frühere SPD-Senatoren mit einem von ihnen so genannten „Weckruf“ gegen Kurs und Themensetzung des Berliner Landesverbands.
Schlimmer als das muss es aber für die SPD sein, vom Koalitionspartner auch noch dafür bemitleidet zu werden. Wie es Wegner bei einem kleinen Parteitag am Dienstagabend tat, bei dem die CDU auch einstimmig einen „Mit Sicherheit in Freiheit leben“ überschriebenen Antrag beschloss. „Wir müssen auch ein bisschen Verständnis dafür (für die SPD; Anm. d. taz) haben“, bat er die rund 60 Delegierten des CDU-Treffens im Tempelhofer Ullsteinhaus. Nicht genug damit: „Ich finde, wir sollten da auch ein bisschen großmütig sein“, setzte er hinterher.
Seine Worte griffen das schlechte Bild auf, das die Koalition gerade in den jüngsten Wochen abgegeben hat. Vor allem in der Verkehrspolitik streiten SPD und CDU miteinander. Die Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus kritisieren CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde offen, bei der jüngsten Parlamentssitzung rührte sich bei deren Rede kaum eine SPD-Hand, während oppositionelle Grüne und Linke einem SPD-Redner applaudierten.
Gemeinsame Klausurtagung am Wochenende
Seiner so einfühlsam formulierten und darum umso schmerzvolleren SPD-Versteherei setzte Wegner noch eine direktere Botschaft hinterher: „Mein Appell an alle, auch in der SPD: Klärt die Sachen intern, die ihr zu klären habt. Aber lasst uns bitte weiter in der Sache Berlin nach vorne bringen und die Probleme weiter anpacken und lösen.“ SPDler hätten, wären sie denn zu Gast beim Parteitag gewesen, darauf verweisen können, dass es ohne die kritisierte CDU-Politik gar nichts zu klären gäbe.
Viel offensiver durfte Wegner am Dienstag allerdings nicht werden. Denn schon am Wochenende sitzen die Fraktionsvorstände der beiden immerhin nominellen Partner gleich zwei Tage lang bei einer Klausur im Landgut Stober bei Nauen zusammen. Zu offene Kritik hätte den beiden Lagern um die Fraktionschefs Dirk Stettner (CDU) und Raed Saleh (SPD) die Gesprächsbasis rauben können.
Saleh ist dabei der Mann, der Wegner im kommenden Jahr als Spitzenkandidat gegenüber stehen könnte. Es wäre das Duell zweier Spandauer, zweier oft gleichermaßen Unterschätzter, die es dennoch ganz nach oben geschafft und, noch schwieriger, sich dort gehalten haben.
Das gilt insbesondere für Saleh, der länger als alle anderen 15 SPD-Fraktionschefs in den deutschen Landtagen amtiert und mindestens zwei offizielle Ablöseversuche überstanden hat. Wegner wiederum fiel einmal bei der Wahl zum Berliner Generalsekretär seiner Christlich Demokratischen Union durch und musste, später doch noch in dieses Amt gekommen, es nach einigen Jahren wieder räumen.
Wegners Blick in die Glaskugel
Er, der Regierungs- und CDU-Chef, schaute beim Parteitag auch schon auf die Wahl in 15 Monate voraus und gab sich prophetisch: „Ich bin mir sicher: Der 20. September 2026 wird ein guter Tag – nicht nur für die Union, sondern für Berlin.“
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