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Landesamt für FlüchtlingsangelegenheitenDas LAF braucht mal wieder einen Chef

Noch-Präsident Mark Seibert wurde im Bewerbungsverfahren demontiert. Das könnte politische Gründe haben, ein CDU-Freund ist er sichtlich nicht.

Zu rot für die CDU? LAF-Chef Mark Seibert wurde demontiert, angeblich fehlt ihm die Qualifikation Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Der seit einem Jahr amtierende Präsident des Landesamts für Flüchtlinge (LAF), Mark Seibert, wird nicht mehr lange auf seinem Posten bleiben. Das derzeit laufende Bewerbungsverfahren für dieses Amt werde abgebrochen und ein neues Verfahren gestartet, sagte der Sprecher von Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) am Dienstagnachmittag zur taz. Genau dies hatte Seibert kurz zuvor bei der Jahrespressekonferenz seiner Behörde vermutet und sichtlich genervt erklärt: „Für ein neues Verfahren stehe ich nicht zur Verfügung.“

Die Leitung des LAF war nach dem Abgang von Alexander Straßmeir vor zwei Jahren nur kommissarisch besetzt. In einem ersten Bewerbungsverfahren fand sich kein geeigneter Kandidat. Daraufhin wurde Seibert Anfang 2024 von Kiziltepe berufen. Die Stelle musste dennoch erneut ausgeschrieben werden. Auch Seibert, zuvor Leiter des Krisenstabs für die Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge, bewarb sich.

Doch im Oktober wurden Seiberts Bewerbungsunterlagen an den RBB durchgestochen, der Sender berichtete über seine angeblich fehlende Qualifikation und munkelte von Bevorzugung durch die Hausleitung. Laut Seibert hatten sieben Personen in der Verwaltung Zugang zu seinen Unterlagen, wer sie weitergab, ist unbekannt.

Karriere unter linken Senatorinnen

Das Motiv für seine Demontage könnte durchaus politischer Natur sein. Seibert war früher Mitglied der Linken und machte in der Zeit der Linken-Integrationssenatorinnen Elke Breitenbach und Katja Kipping in deren Verwaltung Karriere. Zudem äußerte er sich in seinem aktuellen Amt immer wieder politisch, für einen Behördenleiter nicht unbedingt typisch.

Auch am Dienstag, als es vorwiegend um eine Bilanz des Vorjahres und einen Ausblick auf 2025 ging, war gut zu erkennen, dass der Noch-LAF-Chef alles andere als ein CDU-Freund ist. So nannte er die „überhitzte Debatte“ um angeblich zu viele Flüchtlinge angesichts tatsächlich sinkender Zahlen „nicht gerechtfertigt“. Dem LAF zufolge wurden 2024 in Berlin 21.342 Asylbewerber und Ukrainer aufgenommen und versorgt. Das waren 35 Prozent weniger als 2023.

Das LAF in Zahlen

Unterkünfte Derzeit bringt das LAF 41.369 Menschen unter, davon 33.530 in Heimen und Notunterkünften, 4.670 in Ankunftszentren, 3.169 in Hostels/Hotels. 3.907 Plätze sind frei.

Gebühren Seit 1. Januar gilt die neue Gebührenordnung, jeder LAF-Heimplatz kostet 763 Euro, vorher waren es maximal 340. Die Kosten übernehmen zumeist Jobcenter oder Sozialamt. Erwerbstätige, die selbst zahlen müssen, können Ermäßigung beantragen. Das LAF soll so laut Nachtragshaushalt 50 Millionen Euro mehr einnehmen. (sum)

Zur Bezahlkarte sagte Seibert, die Berliner Variante mit nur sechs Monaten Begrenzung der Bargeldabhebung und voller Debitcardfunktion, die die SPD mit der CDU ausgehandelt hatte, sei „ziemlich vernünftig“, zumal sie dem LAF die Arbeit erleichtern werde. Zugleich machte er sich lustig über die Erwartung, mit der Karte werde die Bezahlung von Fluchthelfern erschwert und ein „Anreiz“ zur Flucht verringert. „Wer hier angekommen ist, hat seine Schlepper längst bezahlt. Und jemand, der in Armut am Hindukusch sitzt, macht sich keine Gedanken über eine Bezahlkarte oder die Höhe des Bürgergelds.“

Seibert kritisierte auch die Verweigerung von Finanzierungsvereinbarungen zur Unterbringung von Flüchtlingen durch CDU-Abgeordnete im Dezember im Hauptausschuss. Dadurch könnten 4.000 bis 5.000 Plätze wegfallen, sagte er. Damit sei das – für ihn vorrangige – Ziel gefährdet, Notunterkünfte wie Tegel absehbar zu schließen.

Gegen „riesige Geflüchteten-Städte“

Aber will die CDU das überhaupt? Zur kürzlichen Äußerung von Fraktionschef Dirk Stettner, es sei „kein Problem“, in Tegel „5.000 Plätze draufzupacken“, sagte Seibert, dafür fehle ihm die Fantasie. Nicht nur, weil es auf dem Ex-Flughafengelände keinen Platz für noch mehr Großzelte gebe. Die Notunterkunft sei eine „sehr prekäre Unterbringung“, die den eigenen Ansprüchen auf Mindeststandards nicht gerecht werde – auch wenn man sich sehr bemühe. Seibert: „Es ist grundsätzliche falsch, riesige Geflüchteten-Städte zu errichten.“ Damit gebe man „die Menschen und ihre Integration auf“.

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