Landarbeiter*innen in Indonesien: Mit Zement gegen Fabriken
Bäuer*innen aus dem Kendeng-Gebirge kämpfen um ihr Land. Mit einzementierten Füßen protestieren sie vor dem Präsidentschaftspalast.
Mit der drastischen Aktion wollen die Landarbeiter*innen aus Zentraljava auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam machen. Sie leben am Fuß des Kendeng-Gebirges, einer Karstformation mit vielen unterirdischen Wasserspeichern und einem einzigartigen Ökosystem. Dieser Karst ist unverzichtbar. Seit Jahrhunderten sichern die Erträge der Landwirtschaft den Lebensunterhalt der meisten Menschen hier. Doch mit dem Bau von Zementfabriken ist das Ökosystem in Gefahr. Für die Zementindustrie ist der Kalkstein nicht mehr als eine Baustoffgrundlage.
Im Landkreis Rembang steht eine Fabrik des indonesischen Staatskonzerns Semen Indonesia kurz vor der Fertigstellung, die es nach geltendem Recht nicht geben dürfte. Bis vor das oberste Gericht war die Bürgerinitiative Jaringan Masyarakat Peduli Pegunungan Kendeng (Netzwerk der Menschen, denen das Kendeng-Gebirge am Herzen liegt) gezogen. Das hatte dem Unternehmen im Oktober die Umweltgenehmigung entzogen. Indonesiens Präsident Joko Widodo versprach der Bürgerinitiative im August, alle Genehmigungen für Zementfabriken am Kendeng-Karst würden für ein Jahr auf Eis gelegt. Experten sollten eine umfassende Umweltstudie vornehmen.
Karstgebiete sind nach nationalem Recht Naturschutzzonen. Dennoch hatten lokale Behörden die Fabrik zunächst genehmigt. Während der Rechtsstreit durch die Instanzen ging, schuf Semen Indonesia Tatsachen. Die Fabrik wurde einfach gebaut, unter dem Schutz der Polizei. Vertreter der Bürgerinitiative sahen sich dabei immer wieder von Sicherheitskräften bedroht.
Letztlich stoppte nicht einmal die Entscheidung des obersten Gerichts die Bautätigkeit des Zementriesen. Der Gouverneur der Provinz Zentraljava, Ganjar Pranowo, erteilte Semen Indonesia im Februar einfach eine neue Umweltgenehmigung.
Der Präsident müsse diese zurücknehmen, so lautet nun die Forderung der Protestierenden in Jakarta, deren Füße am Dienstag noch immer in den Zementbottichen steckten. Sie kündigten an, ihren Protest fortzusetzen.
Joko Prianto
Joko Prianto, Koordinator der Bürgerinitiative, sagte indonesischen Medien, die Form des Protests spiegele die Lebensrealität der Bauern am Kendeng-Karst. „Sie fühlen sich wie gelähmt durch die Zementfabriken, die ihre Umwelt zerstören.“
Eine weitere Fabrik am Kendeng ist derzeit im Landkreis Pati in Planung. Bauen will sie PT SMS, eine Tochter von Indocement, bei der HeidelbergCement Mehrheitseigner ist. Auch dieser Fall wird derzeit vor dem obersten Gericht verhandelt. Die Kritik der Fabrikgegner: Die Dokumente für die Umweltverträglichkeitsprüfung enthielten falsche Angaben und die Bevölkerung sei bei der Planung nicht genug einbezogen worden.
Der Zementkonzern aus Baden-Württemberg ist überzeugt, dass das Projekt umweltverträglich ist. Studien an einem bereits bestehenden Werk von Indocement in Westjava beweisen das Gegenteil. Dort bemängeln Wissenschaftler den Verlust wertvoller Grundwasserspeicher durch den Kalksteinabbau und erhöhte Nitratwerte im Wasser als Folge von saurem Regen durch Kohleverfeuerung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader