Lafontaine doch nicht mehr Chef: Linkspartei sortiert sich neu
Gysi deutet an, dass Lafontaine nicht mehr als Parteichef kandidieren wird. Geschäftsführer Bartsch soll stellvertretender Fraktionschef sein, Lötzsch und Ernst mehr Bedeutung bekommen.
BERLIN tazDie Linkspartei sortiert sich nach dem Kampf um Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch neu und bemüht sich um Befriedung. Offenbar will Bartsch nun doch das Angebot von Fraktionschef Gregor Gysi annehmen und einer von sieben Fraktionsvize werden. Die Wahl war für Donnerstagabend anberaumt und fand damit nach dem Redaktionsschluss dieser Zeitung statt.
Dass Bartsch gewählt wird, galt Donnerstagnachmittag als sicher. Die Fraktion kann es sich nicht leisten, ihren Chef Gysi zu demontieren. Gysi hatte Bartsch diesen Posten bereits öffentlich angeboten. Vor allem ostdeutsche Linksparteipolitiker hatten den Druck auf Bartsch als Kampagne kritisiert und den intrigenhaften Stil der Auseinandersetzung attackiert.
Ob Lafontaine Parteichef bleibt, ist weiterhin offen. Allerdings erklärte Gregor Gysi am Mittwochabend in N 24, dass Lafontaine, der im November eine Krebsoperation überstand, sich bereits entschieden habe und sich bald äußern werde. Gysi betonte, dass Lafontaine auch als Fraktionschef der saarländischen Linksfraktion "erfolgreich Bundespolitik machen kann". Dies kann man als Andeutung verstehen, dass Lafontaine aus gesundheitlichen Gründen im Mai beim Parteitag nicht mehr als Parteichef kandidieren wird.
Lafontaine war am Dienstag beim Neujahrsempfang der Linkspartei in Saarbrücken seit längerem erstmals wieder öffentlich aufgetreten. Dort hatte er die politische Richtung der Linkspartei skizziert - sich aber nicht zu seiner politischen Zukunft geäußert.
Die Parteispitze in Berlin arbeitet seit Bartschs Demontage als Bundesgeschäftsführer bereits an einem neuen Personaltableau. Allerdings finden diese Sondierungen, solange Lafontaines Rolle unklar ist, sämtlich unter Vorbehalt statt. Laut Information der taz unterstützt Lafontaine, dass die Berliner Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch und der WASG-Mitbegründer Klaus Ernst künftig eine Schlüsselrolle in der Linkspartei spielen sollen.
Die Emanzipatorischen Linken, ein loser Zusammenschluss undogmatischer Kräfte in der Partei, warnt in einem Positionspapier davor, dass die Kampagne gegen Bartsch in der Partei Schule machen kann. "Wenn wir so vorgehen, kann jeder jederzeit aus jeder Position gekippt werden", so die Autoren Christoph Spehr und Julia Bonk. (www.ema.li). Außerdem kritisieren sie jede "Form des Personenkults".
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