Lärmschutz auf der Insel Sylt: Plauderton auf der Landebahn
Das Oberlandgericht in Schleswig verhandelt über Fluglärm auf Sylt, obwohl die Starts und Landungen seit Jahren zurückgehen. Das Urteil fällt im Herbst.
HAMBURG taz | Es ist laut auf Sylt, so laut wie bei Gruppengesprächen in einer Kneipe. Und damit sich das ändert, klagen zwei Frauen gegen den Flughafen Westerland.
Die allgemeine Lärmbelästigung durch Flugzeuge sei zu hoch, betont ihr Rechtsanwalt Rüdiger Nebelsieck. „Meine Mandantinnen wollen, dass der Flughafen leiser wird.“ Nach dem ersten Verhandlungstag vor dem Oberlandesgericht (OLG) Schleswig am Mittwoch aber ist klar, dass die Klägerinnen in diesem Sommer noch mit keinen Verbesserungen ihrer Lebensumstände rechnen können. „Frühestens im Herbst“ sei mit einer Entscheidung zu rechnen, teilte die vorsitzende Richterin mit.
Kein Hauptwohnsitz auf Sylt
Die beiden Klägerinnen haben ihre Hauptwohnsitze nicht auf der Insel, besitzen jedoch jeweils ein Haus in Keitum, östlich von Westerland direkt in der Einflugschneise des Flughafens. „Wir wollen, dass der Flughafen leiser wird“, sagt Rechtsanwalt Nebelsieck. Dafür solle der Fluglärm von derzeit erlaubten 60 Dezibel auf 55 Dezibel auf ihren Grundstücken gesenkt werden – von der Lautstärke einer Unterhaltung in fröhlicher Runde auf die einer normalen Plauderei.
„Ein an anderen Flughäfen gültiger, weit verbreiteter Wert, den wir auch für Sylt angemessen halten“, sagt Nebelsieck. Anderenfalls verlangen die beiden Klägerinnen Schallschutzmaßnahmen für ihre Häuser. „Das wird bei vielen anderen Flughäfen in Deutschland auf Kosten des Betreibers gemacht: Wir halten es für gerecht, dass auch die Sylter Fluglärm-Betroffenen diesen Schutz kriegen“, sagt ihr Rechtsanwalt.
Bereits 2014 waren Kläger von der Insel Sylt vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig weitgehend gescheitert. Das Land Schleswig-Holstein wurde lediglich zu nachträglichen Betriebseinschränkungen verpflichtet. In zwei Anflugzonen dürfen seitdem Grenzwerte von 60 Dezibel nicht mehr überschritten werden, ab 22 Uhr gilt ein Nachtflugverbot. Sollten jedoch künftig unerwartet höhere Lärmwerte eintreten, müsse über eventuelle Schutzmaßnahmen neu befunden werden, so das OVG damals.
Nur eine Verbindung im Winter
Die beiden Klägerinnen berufen sich nun darauf, dass die von ihnen für zumutbar betrachteten Grenzwerte von 55 Dezibel auf ihren Grundstücken überschritten wurden. Zugelassen sind allerdings noch 60 Dezibel.
Das verwundert auch den Geschäftsführer des Sylter Flughafens, Peter Douven. „Warum sollte es Auflagen geben, wenn es keine Probleme gibt?“, fragte er. Die Zahl der Flugbewegungen sei stark zurückgegangen. Statt 1.250 Landungen mit 210.000 Passagieren im Jahr 2011 seien es 2015 nur noch knapp 1.000 Anflüge mit 155.000 Passagieren gewesen.
Im Winter gibt es nur eine Verbindung nach Düsseldorf, im Sommerhalbjahr mehrere täglich zu acht weiteren deutschen Städten und in die Schweiz. Damit ist Sylt nach der Schließung des Flughafens Kiel-Holtenau und dem langsamen Sterben von Lübeck-Blankensee dennoch Schleswig-Holsteins größter Verkehrsflughafen. Und einer der ältesten: Im Juli 1919 bereits wurde die erste deutsche Linienflugverbindung Berlin – Hamburg bis Westerland verlängert. Der Erfolg: 2.560 Passagiere im Jahr 1925. Die damaligen Dezibelwerte sind nicht überliefert.
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