Ländlicher Tourismus in Spanien: Bei den Messerschmieden
Der Westen Asturiens ist grün, bergig, bodenständig – und hat eine lange handwerkliche Tradition. Die lockt Schmiede aus aller Welt an.
Dramatische graue Wolkengebirge türmen sich über Taramundi. Dunkle Steinhäuser, gedeckt mit Schieferschindeln, prägen den Ort im nordspanischen Asturien. Das Wetter ist typisch für die gebirgige Region, die von Flüssen, Bächen und grünen Wäldern geprägt ist. Es sind die vom nahegelegenen Atlantik heraufziehenden Wolken, die sich entladen. Von den zahlreichen Pilgern, die entlang der zerklüfteten Küste auf der Nordroute des Camino nach Santiago de Compostela streben, verirrt sich hingegen kaum einer hoch in die Hügel nach Taramundi. Hierher kommen vor allem spanische Touristen – wegen der handgefertigten Messer, für die der Name des Ortes steht.
Es ist eine Tradition, die bis in die Antike zurückreicht, dank der Eisenerzvorkommen in der Region und dem ausreichend vorhandenen Wasser, dass die Schmieden antreibt. Das handwerkliche Gespür für Metall hat sich in Taramundi bis heute erhalten. Wie bei der Familie Quintana, die seit dem 17. Jahrhundert Messer herstellt. Ihre Werkstatt und das daran angeschlossene Museum befinden sich in einem traditionellen Steingebäude im Dorf Pardiñas, ganz in der Nähe von Taramundi.
Elvira Rodríguez betreibt den Laden und führt den Besuchern im Museum die Funktion des Blaseblags vor. Blasebälge wurden schon im Mittelalter in Schmieden benutzt, um die Glut in der Feuerstelle auf die richtige Temperatur zu bringen. Dabei wurden sogar wasserradgetriebene Gebläse verwendet: bei ihnen wird das obenliegende Brett des Blasebalgs mittels einer Nockenwelle und anliegenden Gewichten angehoben und wieder heruntergedrückt. Im Museum demonstriert Elvira Rodríguez den Blasebalg aber nicht mit Wasser-, sondern mit Muskelkraft, durch stetes Treten ihrer Füße. „Besser als Fitness“, sagt sie.
Zu den weiteren erhaltenen Gegenständen zählen Schmiedeeisen, Schleifscheiben, Werkbänke sowie Beispiele für Messer und Griffe aus unterschiedlichen Materialien in den einzelnen Entstehungsstadien. Besucher können aber auch direkt den Handwerkern zuschauen, die in den kleinen Werkstatträumen nebenan arbeiten. Sie schnitzen Griffe aus edlen Materialien wie Buchsbaum, Ebenholz oder Palisander, schleifen Klingen aus hochwertigem Stahl. Die Klingen sind schmal und leicht gebogen.
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Auch der etwa 20 Kilometer weiter im Landesinnere gelegene Ort Santa Eulalia de Oscos ist ein großes Schaufenster, um traditionelles Handwerk live zu sehen. Etwa im Atelier des lokalen Messermachers Jorge Román Toquero und der japanischen Metallhandwerkerin Keiko Shimizu. Das Paar lernte sich bei einem Messerschmiedekurs in Taramundi lieben. „Wir haben seit 2013 die Werkstatt in Santa Eulalia de Oscos. Unsere handgefertigte Produkte aus der Schmiede verbinden die Techniken aus Ost und West“, sagt Keiko Shimizu und zeigt ihre schönen teuren Messer, hergestellt nach asturisch-japanischer Schmiedekunst hergestellt.
Nicht weit von hier, in Mazonovo, hat sich 2006 Friedrich Bramsteidl, „Fritz“ genannt, niedergelassen. Der Nachfahre einer langen Tradition österreichischer Schmiede kam eigentlich nur, um sich um die Wartung des seit dem 17. Jahrhundert in Betrieb befindlichen Schmiedehammers im Ethnografischen Komplex von Mazonovo zu kümmern. Doch er blieb und führt die Werkstatt weiter, schmiedet dort heute dekorative Metalle und alltägliche Utensilien.
Und er zeigt Besuchern das alte Handwerk, erklärt die Funktion der hydraulischen Geräte der Anlage, die die Kraft der Bäche und Flüsse nutzen, um mittels komplexer Mechanismen riesige und schwere Hämmer – teilweise über 500 Kilogramm – zu bewegen. Ihr Zweck besteht darin, Eisenbarren in Bleche umzuwandeln, was einst eine große Zeit- und Arbeitsersparnis bedeutete.
Mazonovo ist ein hervorragendes Beispiel für die Schmiedeindustrie Asturiens und des angrenzenden Galiciens. Die Schmieden und Schlägel wurden fast überall aufgegeben, die Wissensvermittlung wurde unterbrochen. Immer weniger beherrschen eines der ältesten Gewerbe der Welt.
Zurück nach Taramundi, das auch ein Urlaubsziel zum Wandern ist. Viele Wege führen durch die grüne, hügelige Landschaft im Westen von Asturien, die Teil des Biosphärenreservats Río Eo, Osco y Terras de Burón ist. In Taramundi selbst gibt es zahlreiche Pensionen, Bars und Geschäfte für die Produkte der Region: den Ziegenkäse Cabrales, Chorizo, weiße Bohnen und natürlich die Messer.
Das ehemalige Pfarrhaus des Dorfes, oben am Berg, wurde in ein Landhotel namens La Rectoral umgewandelt. Nicht ganz geschmackssicher und überladen eingerichtet hat es inzwischen reichlich Patina angesetzt – aber es bietet einen hervorragenden Ausblick auf die Landschaft und das Dorf. Seine Eröffnung vor drei Jahrzehnten habe, so erzählt es der ewige Hotelchef Jesus Barrancchea, die Geburtsstunde des spanischen Landtourismus markiert: den Versuch Urlauber ins strukturschwache Landesinnere zu bringen, denn das Urlaubsziel Spanien war bis dahin fast auschließlich Sonne, Strand und Meer.
Ruhe, Abgeschiedenheit, kleine Kulturschätze, unbekannte Landschaften und traditionelle Küche stehen in krassem Gegensatz zum noch immer boomenden Strand- und Sonnentourismus, zu den rummeligen, lauten und ausverkauften Küstenregionen, wo Touristen bei Einheimischen häufig in Ungnade gefallen sind. Im spanischen Hinterland sind Besucher oftmals gern gesehen, stärken sie doch die lokale Wirtschaft durch Übernachtungen und den Kauf lokaler Produkte. Englisch, deutsch oder französisch spricht man allerdings nicht. Besucher brauchen Spanischkenntnisse oder ein gutes Übersetzungsprogramm.
Transparenzhinweis: Diese Recherche wurde unterstützt vom spanischen Fremdenverkehrsamt.
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