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Lachszucht in NorwegenJeder zweite Lachs verreckt

Foodwatch fordert einen Verkaufsstopp für norwegischen Lachs. Viele der Fische sterben schon vor der Schlachtung. Eine Alternative ist in Sicht.

Lachs industriell im Meer zu züchten steht schon lange in der Kritik Foto: Andreas Werth/imago

Härnösand taz | In Deutschland sollte kein norwegischer Zuchtlachs mehr verkauft werden: Das fordert die Verbraucherorganisation Foodwatch. In einem am Mittwoch veröffentlichten Report beklagt Foodwatch „skandalöse Zustände und steigende Todesraten bei der Fischzucht“ in Norwegen. 100 Millionen Lachse seien dort 2023 in Lachsbetrieben verendet, bevor sie Zuchtreife erreichten. Foodwatch spricht von einer Mitverantwortung des deutschen Einzelhandels.

Für ihren Bericht „Faule Fische“ wertete die Organisation Daten von Behörden, aus Medien­berichten und Studien aus. Ursachen für das Lachssterben in den intensiv betriebenen Zuchtkäfigen im Meer seien oft Infektionskrankheiten, Verletzungen und der Befall durch Lachsläuse. Die Lachslaus ernährt sich von der Haut und dem Blut der Lachse. Die Bilder von befallenen Fischen schockierten auch schon aus isländischen Betrieben.

Der Lachskonsum ist laut der Naturschutzorganisation WWF weltweit seit den 80er Jahren um das Dreifache angestiegen. Der Fisch ist eigentlich als gesundes Nahrungsmittel beliebt – aber in der Menge, wie er auch in Deutschland verzehrt wird, kann es ihn bislang offenbar nicht ohne gravierende Nebenwirkungen für Tier und Umwelt geben.

Diesem Lachsgiganten will Foodwatch nun einen wichtigen Exportmarkt nehmen. „Die Supermärkte dürfen sich nicht hinter Gütesiegeln verstecken. Sie müssen ihre Macht nutzen, um die katastrophalen Zustände in der Lachszuchtindustrie zu beenden“, fordert Annemarie Botzki von der Organisation.

Lachszucht in Norwegen wird schon lange kritisiert

Foodwatch kritisiert nicht nur die hohe Sterberate beim Zuchtlachs, sondern auch den Umgang der Konzerne mit dem Problem: Die norwegische Lebensmittelsicherheitsbehörde decke immer wieder gravierende Verstöße auf, schreiben die Autoren des Berichtes. So sollten verendete Fische beim Lachsproduzenten Lerøy etwa als Lebensmittel für Menschen verarbeitet werden.

Kritik an der norwegischen Lachszucht ist nicht neu – noch hat sie keine gravierende Trendwende verursacht. Im Jahr 2023 erwirtschaftete die Lachsindustrie dort Rekordeinnahmen, umgerechnet gut 10 Milliarden Euro, laut dem Fischerei-Analysten Kontali eine Steigerung um 16 Prozent.

Kritiker wie Foodwatch warnen immer wieder auch vor Gefahren für Ökosysteme: Kranke Zuchtlachse entkommen regelmäßig in die Wildnis, zudem wird der Lachs mit Fisch gefüttert, was den Fischbestand in den Weltmeeren gefährde, vor allem vor Nordwestafrika.

Siegel wie das ASC-Label zur Herkunft des Fisches soll Verbrauchern das Gefühl eines problemlosen Einkaufs geben, doch: „Die Rückverfolgbarkeit funktioniert kaum“, berichtet Foodwatch nun. Lediglich zwei von zehn befragten Lieferanten hätten in ihrer Recherche die Herkunft ihres ASC-zertifizierten Lachses tatsächlich offengelegt.

Der WWF warnt nicht nur vor Lachs aus Norwegen

Den Hinweis auf einen möglichen Ausweg aus dem Lachsdilemma lieferte, zufällig ebenfalls am Mittwoch, die Naturschutzorganisation WWF Schweden. Norwegischer Lachs aus geschlossenen Zuchtanlagen an Land – bei denen also kein Fisch je im Meer gehalten wird – bekam im aktuellen „Fischguide“ der Organisation als nachhaltige Produktionsart grünes Licht. Das ist nicht verwunderlich, denn auch der WWF rät, Lachs aus der bisher dominanten Aufzucht im Meer zu vermeiden.

Die Organisation nutzt für ihre Empfehlungen ein Ampelsystem. Die gelbe Kategorie „Vermeiden“ gilt auch für Zuchtlachs aus Meereskäfigen an den Küsten von Schottland, Irland, Island und den Färöy-Inseln – sowie für Lachs, der mit Fallen in der Ostsee gefangen wurde. Unter der schlechtesten Kategorie „rot“ (in Worten: „Lass es sein“) führt der WWF-Fischguide Zuchtlachs aus Südamerika auf – sowie allen weiteren, der nicht explizit unter „vermeiden“ oder der grünen Kategorie „gute Wahl“ genannt ist.

Der Anteil des landbasiert gezüchteten Lachses ist noch gering, aber er wächst laut den Seafood-Analysten von Kontali besonders stark. Demnach wird die Methode ein entscheidender Faktor für das Wachstum der weltweiten Lachsproduktion. Die Analysten rechnen mit 27 Prozent Wachstum bis 2030.

Weltweit wurden vergangenes Jahr demnach 11.500 Tonnen Lachs aus landbasierter Zucht geschlachtet – für 2025 erwarte man einen Anstieg auf mehr als 40.000 Tonnen. Insgesamt kommen 2,5 Millionen Tonnen Lachs pro Jahr aus Zuchtbetrieben.

Für Lachs, der an Land gezüchtet wird, fehlt das Geld

Die Aussicht, dass die landbasierte Zucht die gravierendsten Probleme der Lachszucht lösen könnte, hat offenbar zumindest schon einen Planungsboom ausgelöst: Laut dem norwegischen Fachmedium iLaks.no arbeiten weltweit derzeit 151 Firmen an Land-Lachszucht-Projekten.

Geplantes Produktionsvolumen sei zusammengelegt 3,5 Millionen Tonnen, und mehr als die Hälfte davon machten die Pläne der 66 norwegischen Firmen auf der Liste aus. Noch aber fehle den meisten Projekten die Finanzierung – dies sei der Flaschenhals auf dem Weg zu einer neuen Lachs-Großindustrie.

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