LOT-Theaterinsolvenz in Braunschweig: Lieber neu als beständig
Das etablierte LOT-Theater schließt wegen Insolvenz. Gleichzeitig plant Braunschweig mit dem „Haus der Musik“ ein neues Leuchtturmprojekt.
Wussten Sie’s schon? Braunschweig plant ein Leuchtturmprojekt, nämlich eine neue Kulturinstitution in der City, ein Musikhaus voll Glorie. Am Mittwochnachmittag hat Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD) auf einem Podium mit drei begeisterten Anhängern und einer Fürsprecherin noch einmal die Argumente Pro und die Gründe für das Vorhaben ausgetauscht, in der prachtvollen Dornse im Altstadtrathaus.
Dort begeht Braunschweig seit dem 13. Jahrhundert seine Festivitäten. Und glanzvoll muss das Musikhaus einfach werden, um die Misere des anderen Braunschweiger Vorzeigevorhabens zu überglänzen. Durch die ist eine wichtige, seit 28 Jahren etablierte Institution in die Grütze gerutscht – das LOT-Theater.
Noch am 7. Juli 2023 hatte Niedersachsens Kulturminister Falko Mohrs (SPD) das ausgewiesene „Leuchtturmprojekt“ (NDR) Quartier Sankt Leonhard besucht, um dort die zweite Spielstätte des LOT zu besichtigen, das als Haus für die freie Szene fürs ganze Land bedeutend und bundesweit bekannt ist. Oder war.
Denn damit es das Quartier würde beleben können, hat man – wer hierzu riet, sei dreimal verflucht! – aus dem LOT im Mai 2021 die gemeinnützige Dienstleistungsgesellschaft „Freie Spielstätten Braunschweig“ (FSB gGmbH) ausgegründet, die die Räume dann ans LOT untervermieten und dort nebenher auch noch, ohne einschlägige Erfahrung, ein Café aufziehen und betreiben sollte und … – es ist viel schief gelaufen.
Die Stadt schaut klagend zu
Die Risiken hatte keiner auf dem Schirm, man hat vorab aber intensiv die Gründe fürs Vorhaben und die Pro-Argumente ventiliert. Jedenfalls ist die FSB gGmbH seit Anfang des Jahres insolvent.
Und da sie das Stammhaus des LOT in der Kaffeetwete gekauft hat, ist auch das als Insolvenzmassenbestandteil futsch. Weshalb auch das LOT pleite ist: Es hat ja keine Spielstätten mehr, also keine Einnahmen – weder durch Ticketverkäufe noch durch Förderung, die nun mal daran gebunden ist, dass Theater gespielt wird.
Und die Stadt? Steht mit erhobenen Tatzen daneben wie Minz und Maunz, die Katzen, denn sie würde ja sofort die Spielstätten anmieten, so ein Sprecher, bloß dazu bräuchte es einen Betrieb, der aber fast identisch wäre mit dem der FSB, deren über 30 gekündigte Mitarbeiter*innen man dann aber auch übernehmen müsste, was man nicht will. Miau, mio.
Klar, das Leuchtturmprojekt „Haus der Musik“ soll im akustisch fragwürdigen Karstadt-Leerstand einen Konzertsaal und Räume für die Musikschule schaffen. Das ist das eine. Und das andere, das war eine Spielstätte der freien Szene.
Ob das miteinander vergleichbar ist, müsse „bezweifelt werden“, gibt der Sprecher der Verwaltung zu Recht zu bedenken. Denn alle Liebhaber schräger Vergleiche wissen: Kulturinstitutionen sind dasselbe wie Autobahnen. Den Bestand zu pflegen, ist öde, neue zu errichten hingegen glamourös. Und Autobahnen baut Braunschweig nun mal keine.
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